Seewölfe - Piraten der Weltmeere 683. Sean Beaufort
Impressum
© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-96688-097-8
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Sean Beaufort
Gold für den Mogul
Die unersetzliche Reliquie entpuppt sich als tödliche Verlockung
Rajghal Shand vollführte die Geste der Anbetung, obwohl weit und breit kein Tempel zu sehen war. Mit einigen seiner Glaubensbrüder war er auf dem Meer und segelte der ceylonesischen Küste entgegen. Tief in seinem Innern brannten Glaube und Überzeugung.
„Und wenn ich töten muß, Kali“, sagte er, „einen Fremden oder noch mehr – ich bringe dir das Gold zurück, das sie gestohlen haben. Bei meinem unwürdigen Leben.“ Er hob den Kopf und starrte voraus zu dem fremden Schiff mit den dreieckigen Segeln, das von weißhäutigen Teufeln bemannt war.
Auf der Mannar-Insel gab es einen uralten Tempel, der der vielarmigen schwarzen Todesgöttin Kali geweiht war. Rajghal fieberte dem Augenblick entgegen, an dem er sich in diesem Tempel vor Kali zu Boden werfen durfte …
Inhalt
Die Hauptpersonen des Romans:
Clinton Wingfield, Philip und Hasard junior – verschwinden heimlich von Bord und können fünf geraubte Goldkisten sicherstellen.
Ginjal Chand – der Kaufherr in Mannar hält nichts von Portugiesen und Spaniern und ist für Gerechtigkeit.
Edwin Carberry – wütet mit seinem Profos-Hammer und räumt Inder gleich dutzendweise ab.
Philip Hasard Killigrew – muß sich der Gewalt beugen, aber dann zahlt er zurück.
1.
Kapitän Killigrew sah die Menschenmenge, hörte ihr aufgeregtes Lärmen und brauchte nicht lange darüber nachzudenken, was der Volksauflauf bedeutete. Sie waren wieder mal in einen Hafen gesegelt – und mitten hinein in die größten Schwierigkeiten.
„O großer, sanftmütiger Buddha“, sagte Hasard und stieß einen langen Seufzer aus. „Warum bist du nicht zahnlos geblieben?“
Er fügte einen langen, grimmigen Fluch hinzu, wie ihn die Fischer an Cornwalls Klippen gebrauchten, dann gab er sich einen Ruck. Die Arwenacks würden sich auch dieser Herausforderung stellen müssen.
Die Nachricht, daß an Bord der Schebecke die heilige Reliquie, Buddhas Weisheitszahn vom Bo-Baum, nach Mannar zurückgebracht worden war, raste in Blitzeseile durch die Stadt. Von allen Seiten strömten Menschen herbei. Die Schebecke befand sich längst im Mittelpunkt einer wütenden und schreienden Menge.
Die Seewölfe hatten den Ärger in Tuticorin oder Tuttukuddi, wie die Eingeborenen den Ort nannten, gut überstanden. Jetzt hatten sie glücklich Mannar erreicht, und der Hafen verwandelte sich in einen Hexenkessel.
„Die schwarze Kali soll diesen dreimal verdammten Malindi holen!“ rief Don Juan de Alcazar. „Und ausgerechnet jetzt, während die Kerle schon ihre Prügel schwingen, fängt die Ebbe an, aus diesem verlausten Hafen abzulaufen.“
Im innersten Teil des Hafens lagen zwei Schiffe, eine Galeone und eine Karavelle. Der erste Blick durch die Spektive hatte gezeigt, daß eine die spanische, die andere die portugiesische Flagge führte. Beide Schiffe boten der Schebecke die Breitseite. Noch waren die Stückpforten an Backbord geschlossen.
Aber auch das, fürchtete Hasard, würde sich rasch ändern, wenn die Portugiesen und die Dons erfuhren, mit wem sie es hier zu tun hatten.
„Was bedeutet“, sagte der Seewolf, „daß wir selbst hier, an dieser vergammelten Mole, trockenfallen werden.“
„Ein Unglück kommt selten allein“, erklärte Don Juan düster.
Die Insel Mannar, niedrig und von offenbar dichtem Waid bedeckt, breitete sich in Westostrichtung aus. Der Ort und der kleine Hafen befanden sich fast am östlichsten Ende. Von der Pamban-Insel bis zum westlichsten Punkt Mannars erstreckte sich, länger als fünfzehn Seemeilen, eine Barriere aus Sand und Felsen. Und zwischen der Küste der riesigen Insel Ceylon und dem Ort Mannar würde man in ein paar Stunden über Schlick und Sand zu Fuß hinüberwaten können.
„Was geschieht jetzt? Wenn wir ablegen, gibt es ein Gemetzel“, sagte Ben Brighton.
„Ich sehe noch nicht klar“, erwiderte Hasard.
Die Seewölfe, die nach dem Anlegen das Schiff aufklarten, beobachteten die wütende Menge, die ihrerseits noch unentschlossen war, ebenso unentschlossen wie die Arwenacks. Trotz der schwülen Mittagshitze, hasteten die Inder, Singhalesen und Ceylonesen hin und her, gestikulierten und deuteten immer wieder zu der Schebecke. Aus den vielen Booten, von denen die Schebecke nach ihrem Auslaufen aus Tuticorin verfolgt worden war, enterten die Besatzungen an Land.
Die Bohlen, Bretter und Bambusrohre des alten Stegs knarrten unter dem Gewicht der vielen Körper.
„Das ist eine regelrechte Belagerung“, sagte der Profos.
„Wenn jemand das falsche Wort sagt oder das Falsche tut“, warnte der Seewolf halblaut, „dann ist es wie ein Funke am Pulverfaß.“
Noch befanden sich die „Hüter des heiligen Zahnes“ an Bord. Daß sie Dina über Bord geworfen und ihren schrecklichen Tod verschuldet hatten, rührte sie nicht, so schien es.
Die Segel waren ins Gei gehängt worden, Festmacher hielten die Schebecke an den modrigen Baumstämmen. Der Bug des Schiffes zeigte hinaus in den Golf von Mannar, aber dieser Umstand würde auch keine schnelle Flucht ermöglichen.
„Was schreien diese Rübenschweine?“ polterte der Profos und war ebenso ratlos wie der Rest der Crew.
Hasard junior übersetzte: „Lauter schmeichelnde Bezeichnungen, Ed. Wir sind Mörder und Räuber.“
„Und wir haben aus den Tempeln der Inder Gold und Schmucksteine gestohlen.“ Das hatte Philip junior aus den Rufen der Menge heraushören können.
„Und wir haben uns gegen Buddha und die Religion versündigt“, sagte der andere Zwilling nach einer Weile.
„Blödsinn“, knurrte Carberry und reckte angriffslustig das Kinn vor. „Die wissen genau, daß das nicht stimmt, diese Hohlköpfe.“
Er erwartete keine Antwort und erhielt auch keine.
Ohne daß es von den aufgeregten Eingeborenen oder den Seewölfen wahrgenommen wurde, öffnete sich auf der portugiesischen