Seewölfe - Piraten der Weltmeere 683. Sean Beaufort

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 683 - Sean Beaufort


Скачать книгу
Booten hörte nicht auf.

      Der Seewolf hob den Arm und rief in gebrochenem Hindi: „Seid still! Hört mir zu, Leute!“

      Hasard junior holte Luft. Wahrscheinlich würden er und sein Bruder beim Dolmetschen aushelfen müssen. Es dauerte nur ein paar Atemzüge, dann hatten sich die Leute aus Mannar dicht an das Schiff herangeschoben und stießen und drängelten. Ihre Wut und die Gier waren fast körperlich zu spüren.

      Hasard versuchte, die Aufregung und Spannung in eine andere Richtung zu steuern, als er erklärte: „Wir haben die Männer hierhergebracht, die den heiligen Zahn Buddhas bei sich tragen. Sie wollen nach Kandy, zum Heiligtum. Begleitet sie dabei, helft ihnen.“

      Hasard junior half mit seiner Übersetzung. An den Gesichtern der Singhalesen konnte er sehen, daß sie verstanden hatten. Kaum hatte er zu sprechen aufgehört, erhob sich wieder wildes Geschrei. Kein Wort verstand er von dem Brüllen, dem Geschnatter und der Aufregung. Aber die Gesichter drückten, zusammen mit den geschwungenen Knüppeln, Stöcken und blitzenden Dolchen viel mehr aus als jedes verständliche Wort.

      Schließlich schoben die Leute aus Mannar einen hageren, langbärtigen Mann nach vorn. Sein Kopf war fast kahl und mit Asche verschmiert, das lange Haar hing in langen, dünnen Zöpfen auf die Schultern. Er trug nur ein zusammengerolltes, zerrissenes und unglaublich schmutziges Hüfttuch.

      „Wir wollen das Gold haben, das ihr aus unseren Tempeln geraubt habt!“ schrie er mit finsterer Stimme.

      „Jeder von euch“, Hasard junior zeigte auf einige Männer, die einigermaßen vernünftig und ruhig wirkten, „weiß genau, bei den acht kalten und acht heißen Höllen, daß wir die Tempel nur von fern gesehen haben. Nicht ein Gramm Kupfer haben wir irgendwo gestohlen. Ihr wißt das.“

      Wieder verstanden einige Arwenacks wenigstens einen Teil der Flüche, Vorwürfe und Anschuldigungen.

      „Diebe!“

      „Tempelschänder!“

      „Fremde Goldräuber!“

      „Die schwarze Kali wird euch strafen.“

      „Wir holen uns das geraubte Gold!“

      „Und das Silber!“

      Fäuste reckten sich in die Höhe. Die Menge schob sich noch näher an die Bordwand heran. Schweigend, aber entschlossen stellten sich die Seewölfe entlang des Steuerbordschanzkleides auf und packten die Griffe der Blankwaffen, die Belegnägel und Rundhölzer fester.

      Al Conroy stand mit unglücklichem Gesichtsausdruck hinter der Drehbasse auf der Back und wußte, daß der erste Schuß tatsächlich ein Blutbad hervorrufen würde. Es war für ihn so etwas wie Massenmord. Keiner der Eingeborenen besaß eine Schußwaffe.

      Der Seewolf schrie seinen Söhnen etwas zu. Seine Stimme übertönte fast den Lärm.

      „Sagt ihnen, daß Malindi ein Lügner sei. Daß sie auch das ganz genau wissen.“

      „Aye, Sir.“

      Die Zwillinge vollführten ebenso wie ihr Dad abwehrende Gesten und begannen einzusehen, daß jeder Versuch sinnlos war. Die leiernden Beschwörungslieder aus den Booten riefen bei den Arwenacks eine Gänsehaut hervor. Neben dem Niedergang hob Plymmie den Kopf und heulte steinerweichend dazu. Der Irrsinnsspektakel nahm kein Ende, als Philip und Hasard junior dolmetschten.

      „Malindi sagt die Wahrheit. Wir holen uns das Gold! Ihr seid Lügner und Diebe“, war zu verstehen.

      Die Entfernung zwischen dem Anlegeplatz der Karavelle und demjenigen, an dessen Pollern die Schebecke leicht dümpelte, betrug nicht viel mehr als tausend Schritte.

      Etwa zwei Dutzend Portugiesen und Spanier, mit Pistolen und Musketen bewaffnet, eilten im Laufschritt durch den Staub auf die Menschenmenge zu. Es mochte Zweifel darüber geben, was sie vorhatten, aber kaum einer an Bord glaubte an ehrenhafte Absichten.

      Einige Inder sahen die Seeleute nahen und schrien ihre Beobachtung dem Nachbarn ins Ohr. Ein einziger Schrei tönte durch die zusammengedrängten Belagerer. Die Mutigsten schwenkten die Knüppel und ließen sich von den Hintermännern anschieben. Plötzlich sprangen fast gleichzeitig mindestens dreißig Hindus aufs Schanzkleid hinunter und von dort auf die Decksplanken.

      „Werft sie auf den Steg zurück. Ar – we – nack!“ röhrte der Profos und drosch mit dem Belegnagel auf den ersten Schädel, der vor ihm auftauchte. Plymmies Jaulen verwandelte sich in ein kurzes, grollendes Knurren, dann sprang die Wolfshündin mit zurückgelegten Ohren und weit aufgerissenem Rachen an den Seewölfen vorbei auf die Singhalesen zu.

      Zwischen der Heckgalerie und der Back verwandelte sich binnen zweier Atemzüge das Deck in ein Schlachtfeld.

      Bisher war noch kein Blut geflossen. Doch das konnte sich jeden Augenblick ändern.

      Philip Hasard Killigrew packte zwei spindeldürre Eingeborene an den Oberarmen, riß sie zu sich heran und schlug ihre Köpfe zusammen. Er bückte sich, stemmte den ersten in die Höhe und kippte ihn über die Heckgalerie. Der zweite folgte einige Sekunden später. Knapp neben dem Ruderblatt ertönten gellende Schreie, die Geräusche zerbrechender Holzteile und lautes Plätschern. Hasard riß den Cutlass aus der Scheide und wehrte den Hieb einer langstieligen Axt mit der Blankwaffe ab.

      Ben Brighton hämmerte seine Faust in den Bauch eines zahnlückigen Ceylonesen, der auf das Grätingsdeck gesprungen war und ihn zusammen mit einem langen, hageren Mann angriff. Don Juan fegte mit einer gewaltigen Ohrfeige den zweiten Angreifer über die Stufen des Niederganges hinunter und in eine Gruppe braunhäutiger, schwitzender und staubbedeckter Singhalesen.

      „Du bist gerade richtig, mein Freund“, keuchte der Erste, packte den zusammensinkenden zahnlückigen Kerl und hob ihn am Oberarm und am Knie in die Höhe. Er stemmte ihn über seinen Kopf und schleuderte ihn als lebendiges, aber recht willenloses Geschoß in die Menge auf den knirschenden und schwankenden Steg zurück.

      Der ersten Welle vom Land folgten die zweite und dritte.

      Die Hindus erkannten, daß sie nur in der Überzahl siegen konnten. Allein hätte sich keiner vorgewagt. Doch sie vertrauten darauf, daß die große Menge die gleiche Wirkung haben würde wie eine mächtige Brandungswelle.

      Edwin Carberrys Riesengestalt tauchte aus dem Gewimmel von Köpfen mit blauschwarzem Haar auf. Er hielt noch immer den Belegnagel in der Pranke und drehte sich langsam. Mit der linken Hand zerrte er im Haarschopf eines Kerls, der sich an seine Schultern klammerte und versuchte, ihm die Kehle zuzudrücken. Das Hartholz hob und senkte sich, der Arm des Profosen schien sich in einen Hammer mit Gelenken verwandelt zu haben. Die trockenen Geräusche, mit denen der Belegnagel auf die Köpfe traf, gingen im Lärm unter.

      Ein Inder tanzte, soweit es der Platz zwischen den Culverinen zuließ, von einem Fuß auf den anderen. Er wußte nicht, welche Wade er zuerst festhalten sollte. Beide hatten tiefe Bißwunden von Plymmie. Schließlich rutschte der Kerl in seinem eigenen Blut aus, und seine Leute traten ihm auf die Schultern, in den Bauch und auf die Brust.

      Um Carberry herum bildete sich ein annähernd runder Wall aus braunen Körpern. Er holte würgend Luft, sprang schnell rückwärts und ließ den Körper auf seinem Rücken mit voller Wucht gegen den Großmast krachen.

      „Du Affenarsch, goldgieriger!“ fluchte er, bückte sich und fing an, die bewußtlosen Inder als Wurfgeschosse einzusetzen. Er hatte genügend Ziele.

      In der Nähe des Fockmastes wütete Ferris Tucker, dessen Haar im Sonnenlicht wie Kupfer zu brennen schien. Er war noch nicht richtig in Wut geraten, denn er handhabte die langstielige Zimmermannsaxt sehr schonend, nämlich mit der flachen Seite.

      Die Axt beschrieb Kreise und Halbkreise. Nicht mal Roger Brighton riskierte, in die Nähe dieses Werkzeugs zu geraten.

      Inzwischen schien kein Platz mehr an Deck zu sein. Man sah nur noch ein Gewimmel aus schwarzbehaarten Köpfen und braunen Körpern sowie die größeren und hellhäutigen Gestalten der Seewölfe, aber kaum eine Handbreite der Decksplanken. Überall prügelten die Eingeborenen auf die Seewölfe ein,


Скачать книгу