MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken. Robert Mccammon

MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken - Robert Mccammon


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vorbei. Unten am Turm stoppte er, um mit dem dort deponierten Streichholzkästchen eine Fackel anzuzünden. Mit der brennenden Fackel kletterte er die wackeligen Holzsprossen nach oben. Die Fackel hoch erhoben lehnte er sich auf der oberen Plattform so weit über das wurmstichige Geländer, wie er sich traute. »Dieser Segen der Freiheit lässt sich nicht bezwingen!«, schrie er dem unbekannten und nicht zu sehenden Schiff entgegen, das dort draußen im Dunkeln lag. Natürlich zeigte die Fackel ihm nichts, aber wenigstens würden die Holländer wissen, dass sie gesehen worden waren. »Kommt schon her, ihr blauärschigen Dreckskerle!«, grölte er. »Funkelt schon, ihr gierigen Glubschaugen!«

      Seine Stimme durchschnitt die Nacht, aber die Nacht verschluckte sie und gab nichts zurück.

      Die rote Lampe auf See war verschwunden und tauchte nicht wieder auf. Hooper sah zu den Wäldern von Manhattan hinüber. Auch die Lampe war weg. Was immer gesagt worden war, wurde nicht wiederholt. Hooper kaute an seiner Unterlippe und schwenkte Funken sprühend die Fackel. »Hab Euch genau geseh’n, Ihr drecksverräterischen Knochensäcke!«, schrie er. Er erwartete nicht, dass man ihn auf diese weite Entfernung hin hörte, aber es fühlte sich gut an, das loszuwerden. Dann kam ihm ein Bild des Loswerdens. Wenn sich das, was er dachte, ereignen würde, und all die Holländer auf ihren Schiffen gleich mit Kanonen und Entermessern mitten in den Hafen hineinsegeln würden, um zu schießen und zu stechen, dann musste er seiner Pflicht nachkommen und die Bürger warnen. Er eilte die Leiter des Turms wieder hinunter, die Fackel in einer Hand, und stolperte kurz vor dem Boden fast, womit er um ein Haar nicht nur seinem heldenhaften Vorhaben, sondern auch dem gesunden Winkel seines Kopfs auf dem Hals ein Ende gesetzt hätte.

      Bei seiner Hütte machte Hooper kurz Halt, um hastig eine Holzkiste zu öffnen, in der ein kleines Beutelchen Schießpulver lag – vielleicht zwei Fingerhüte voll, ausreichend, um ordentlich Lärm zu machen –, sowie eine zwanzig Zentimeter lange Lunte. Er nahm ein Messer, um das Beutelchen aufzuschlitzen. Dann ging er an die Kanone und steckte mit bebenden Händen die Fackel in eine Metallhalterung, die extra dafür dort angebracht war. Brummelnd und sich um New Yorks Zukunft sorgend, wenn die Holländer davon Besitz ergriffen und jeden britischen Mann, Frau und Kind in die Zellen im Bauche ihrer Schiffe warfen, führte Hooper die Lunte ins Zündloch der Kanone ein. Was hatte man ihm gesagt, wie viel davon zum Feuern noch herausschauen musste?, fragte er sich. Er konnte sich nicht erinnern. Er erinnerte sich nur an einen Mund, der sich in einem blassen Gesicht unter einem Dreispitz bewegte, und wie er sich überlegt hatte, Fischen zu gehen, wenn er hier auf der Insel war.

      Eine zu ladende Kugel gab es nicht; diese Kanone war nur zum Lärm machen da. Hooper warf einen Blick über seine Schulter auf das nächtliche Meer. Konnte er die Bewegung von hundert Schiffen spüren, die auf die Bucht zukamen? Hörte er das Flattern von Flaggen und Rasseln von Ketten, während die Kanonen bereitgemacht wurden? Aber nirgendwo war Licht zu sehen, kein einziges. Oh, diese Holländer!, dachte Hooper. Diese Teufel der Finsternis!

      Er wandte sich seiner Aufgabe wieder mit fieberhafter Zielstrebigkeit zu. Er musste pinkeln, hatte aber keine Zeit, und ließ es deshalb in seine Kniehose gehen. Das war das Mindeste, was ein Held tun konnte. Er stach das Beutelchen Schwarzpulver auf, schüttete das Pulver ins Kanonenrohr und erinnerte sich dann daran, den Ladestock zu benutzen, wie der Mund unter dem Dreispitz ihm erklärt hatte. Er stopfte das Pulver mit einem starken Stoß hinein und stand dann einen Augenblick lang da und versuchte sich zu erinnern, ob er die Lunte mit einem Streichholz anzünden sollte oder mit der Fackel. Er schob die Lunte weit ins Zündloch, sodass der Wind sie nicht herumwehen und ausblasen konnte. Ein Blick nach hinten noch, um sicherzugehen, dass die holländische Armada nicht an Oyster Island vorbeiglitt, und Hooper berührte die Kanonenlunte mit der brennenden Fackel.

      Sie sprühte Funken, zischte, und die Flammen krochen an ihr hoch. Hooper machte ein paar Schritte zurück, so wie man es ihm gesagt hatte. Die Lunte brannte ihrem Ende zu. Als sie im Zündloch verschwand, erklang ein Brutzeln wie von bratendem Speck, gefolgt von einem schwachen kleinen Plopp und einem Rauchwölkchen, das so vornehm davonschwebte wie das Spitzentaschentuch einer feinen Dame.

      »Das kann doch nicht sein!«, stöhnte Hooper. »Jäsus errette mich, ich hab ‘nen Blindgänger!«

      Er spähte ins Zündloch. Kein Funke war zu sehen. Entweder war die Lunte ausgegangen oder das Pulver war feucht geworden. Er ging vor die Kanone und legte sein Gesicht an die Öffnung. Er konnte etwas Brenzliges riechen, aber wo war die Flamme? »Verdamm mich!«, brüllte er, während die Vorstellung seiner Heldentaten für New York in dieser Zeit der Not unter seinen durchweichten Stiefeln zu Asche zerfiel.

      Keine drei Sekunden, nachdem Hooper sein Gesicht vor dem Kanonenrohr entfernt hatte, sprühte ein Feuerstrahl aus dem Zündloch und die Kanone schoss.

      Schon die Rauchexplosion raubte ihm fast den Verstand. Der Lärm prügelte seine Ohren taub. Wie ein Barsch am Angelhaken nach Luft schnappend, stolperte er nach hinten und fiel auf seinen Hintern. Betäubt sah er blaues Feuer und Funken aus der Kanone zum Himmel aufstäuben. Und dann sah er etwas anderes, das ihm fast jede Strähne seiner wilden Haare vom Kopf springen ließ.

      Auf der anderen Seite der Bucht, in der Stadt, explodierte irgendetwas. Anscheinend ein Gebäude in der Gegend der Dock Street. Den Lärm davon konnte Hooper nicht hören, aber er sah rote Flammen hochschlagen. Was es auch sein mochte, es brannte sehr heiß, war in der Mitte ganz weiß. Teile des Dachs brachen ein. Andere Stücke des Gebäudes flogen immer noch empor wie brennende Fledermäuse.

      »Oh nein«, flüsterte Hooper, obwohl er sich nicht hören konnte. »Oh nein, oh nein!« Sein erster Gedanke war, dass er nicht daran gedacht hatte und doch eine Kugel in die Kanone gesteckt und etwas getroffen hatte – aber dann fiel ihm ein, dass es keine Kugel in der Kanone gab, und wie zum festgenagelten Jäsus konnte man das vergessen?

      Nein, es mussten die Holländer sein. Sie hatten soeben auf New York geschossen und der Krieg hatte begonnen.

      Er rappelte sich auf. Es war Zeit, die Insel zu verlassen. Noch gab es nirgendwo ein Anzeichen der Kriegsschiffe zu sehen, keine Gefechtslampen oder flammende Kanonenmündungen. Das war ihm egal. Er rannte zu seinem Ruderboot, das noch auf den Steinen lag. Als er es ins Wasser schob und hineinsprang, erkannte er, dass noch etwas sehr seltsam war.

      Die drei kleinen Makrelen und der anständig große Barsch im Eimer …

      Die waren fort.

      Das Gespenst war‘s gewesen, dachte Hooper. Das Phantom, das hier sein Unwesen trieb. Darum hatte man ihm diese Arbeit gegeben – weil kein anderer sie wollte. Der letzte Wachmann hatte die Insel in der Nacht verlassen, in der sein Mantel von einem Pfosten neben dem Plumpsklo gestohlen worden war. Egal, wer gerade Wachmann war – man war nicht allein. Bisher hatte Hooper noch keine Spur von dem Phantom gesehen, doch hier war sie nun.

      »Wie christlich von dir, den verdammten Eimer dazulassen!«, schrie er den potenziell lauschenden Ohren zu, obwohl seine eigenen noch zerknallt waren und klingelten.

      Ihm reichte es mit dieser gottverlassenen Insel. Er nahm die Ruder in die Hand und ließ seine drahtigen Muskeln spielen; und mit hämmerndem Herzen und Angst in der Seele und wildem, rauchversengtem Haar ruderte Hooper Gillespie auf Manhattan zu, die roten Flammen im Rücken und das finstere Meer vor sich.

      Kapitel 2

      Matthew Corbett tanzte auf den Planken von Sally Almonds Schänke im goldenen Kerzenlicht wie ein zwischen den Steinen in flüssiger Dunkelheit umherhuschender Krebs. Vielleicht war er nicht so unbeholfen wie der Krebs, und vielleicht bewegte er sich mit einer gewissen Eleganz und Stil, aber verbesserungswürdig war seine Technik definitiv. Im größten Raum der Schänke waren die Tische und Stühle beiseitegeschoben und Platz für eine ansehnlich große Zusammenkunft geschaffen worden. Im geziegelten Kamin prasselte ein Feuer, um die Luft zu wärmen, obwohl die Vitalität im Raum ihre eigene Hitze verbreitete. Zwei Geiger spielten, ein Akkordeon wurde gequetscht und ein Trommler klapperte in fröhlichem Tempo seine Knochen. Die imposante, grauhaarige Sally Almond hatte sich höchstpersönlich unter die Feiernden gesellt und klatschte im munteren Takt die Hände.

      Die


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