Die bekanntesten Novellen, Dramen und Erzählungen von Anton Pawlowitsch Tschechow. Anton Pawlowitsch Tschechow
und anhänglicher . . . Nun, da Sie sich einmal vor dem weiblichen Geschlecht so fürchten, gut, so nehmen Sie den Hund für fünfundzwanzig.«
»Nein, Verehrtester . . . Nicht einen Kopeken gebe ich. Erstens brauche ich den Hund nicht und zweitens habe ich kein Geld.«
Der Bursche brachte eine Pfanne Rührei. Die Freunde machten sich daran und verzehrten schweigend das Gericht.
»Sie sind ein guter, braver Junge, Knaps . . .« sagte der Leutnant, sich den Mund wischend. »Ich möchte Sie so nicht fortlassen, hol's der Teufel! Wissen Sie was? Nehmen Sie den Hund umsonst.«
»Aber, mein Bester, wohin soll ich ihn denn thun?« sagte Knaps mit einem Seufzer. »Und wer wird ihn denn bei mir pflegen?«
»Gut, ist nicht nötig, nicht nötig . . . Hol Sie der Teufel! Wenn Sie es nicht wollen, dann lassen Sie es . . . Wohin wollen Sie denn? Bleiben Sie doch sitzen!«
Knaps reckte sich, stand auf und griff nach der Mütze.
»Es ist schon Zeit. Adieu . . .« sagte er gähnend.
»Warten Sie dann, ich will Sie begleiten.«
Dubow und Knaps zogen sich an und gingen hinaus. Die ersten hundert Schritte gingen sie ohne zu sprechen.
»Kennen Sie nicht jemand, an den ich den Hund weggeben könnte? Haben Sie nicht irgend so einen Bekannten? Der Hund ist, Sie sahen es ja, ein guter Racehund, aber . . . ich kann ihn durchaus nicht brauchen!«
»Ich weiß nicht, mein Bester . . . Was habe ich denn hier für Bekannte?«
Bis zu Knaps Wohnung sprachen die Freunde kein Wort mehr. Erst nachdem Knaps dem Leutnant die Hand gedrückt und seine Thür geöffnet hatte, räusperte Dubow sich und fragte mit einem sonderbaren Zögern:
»Wissen Sie nicht, nehmen die hiesigen Abdecker auch Hunde an, oder nicht?«
»Wahrscheinlich wohl . . . Genau kann ich es Ihnen nicht sagen.«
»Werd' ihn morgen mit Wachramejew hinschicken . . . Hol' ihn der Teufel, mögen sie ihm das Fell über die Ohren ziehen . . . Ein abscheulicher Hund! Ein widerwärtiges Tier! Nicht nur, daß er die Zimmer verunreinigt, nein, gestern hat er noch in der Küche das ganze Fleisch aufgefressen, so'n Luder . . . Und wenn es noch eine gute Race wäre, aber so – weiß der Teufel was, eine Kreuzung von Straßenköter und Sau. Gute Nacht!«
»Adieu!« sagte Knaps.
Die Thür schlug zu und der Leutnant blieb allein.
Plappertasche
Natalja Michajlowna, eine junge Frau, die am Morgen aus Jalta heimgekehrt war, aß zu Mittag und erzählte ihrem Mann, ohne ihr Zünglein auch nur eine Sekunde stillstehen zu lassen, von den Herrlichkeiten der Krim. Der Mann blickte ihr begeistertes Gesicht voll Entzücken und Freude an und stellte nur ab und zu ein paar Fragen . . .
»Aber man sagt, das Leben soll dort furchtbar teuer sein?«
»Ja, wie soll ich Dir sagen, Papachen? Meiner Ansicht nach wird darin stark übertrieben. Der Teufel ist nicht so schlimm, wie man ihn an die Wand malt. Ich, zum Beispiel, hatte mit Julija Petrowna ein sehr bequemes und anständiges Logis für zwanzig Rubel täglich. Alles, mein Schatz, hängt von der Kunst ab, sein Leben einzurichten. Natürlich, wenn man Ausflüge in die Berge macht . . . zum Beispiel aus den Aj-Petri . . . sich ein Pferd, einen Führer nimmt – ja, dann natürlich wird es teuer. Schrecklich teuer! Aber Wassitschka, was sind dort für Be–erge! Stell Dir vor, so hohe, hohe Berge, tausendmal höher als die Kirche . . . Oben ist nur Nebel, Nebel und Nebel . . . Unten riesige Felsen, Felsen und Felsen . . . Und die Pinien . . . Ach, ich mag nicht daran denken!«
»Aber was ich sagen wollte . . . Unter anderem las ich hier in einer Zeitschrift von den dortigen Führern, den Tataren . . . So eine Schweinerei! Ist an ihnen denn wirklich was Besonderes d'ran?«
Natalja Michajlowna rümpfte verächtlich das Näschen und schüttelte mit dem Kopf.
»Gewöhnliche Tataren, nichts Besonderes . . .« sagte sie. »Übrigens habe ich sie nur flüchtig, von weitem gesehen . . . Man zeigte sie mir, aber ich gab nicht acht darauf. Ich habe, Papachen, immer ein Vorurteil gegen alle diese Tscherkessen, Griechen . . . Mauren gehabt! . . .«
»Man sagt, daß sie furchtbare Don Juans sein sollen.«
»Vielleicht! Es giebt ja Frauenzimmer, die . . .«
Natalja Michajlowna sprang plötzlich auf, als wäre ihr etwas Schreckliches eingefallen, blickte eine halbe Minute lang den Mann mit erschrockenen Augen an und sagte, indem sie jedes Wort dehnte.
»Wassitschka, ich will Dir nur sagen, was es für un–mo–ra–lische Frauen giebt! Ach, was für unmoralische! Und nicht etwa, weißt Du, aus den unteren oder mittleren Ständen, nein, Aristokratinnen, diese anfgeblasenen bonton
-Damen! Geradezu fürchterlich, ich traute meinen Augen nicht! So lang ich lebe, vergesse ich es nicht! Wie ist es nur möglich, sich so zu vergessen, daß . . . Ach, Wassitschka, ich will davon gar nicht sprechen. Nehmen wir zum Beispiel meine Reisegefährtin, Julija Petrowna . . . So einen guten Mann hat sie, zwei Kinder . . . gehört zur guten Gesellschaft, spielt sich immer als Heilige auf, und plötzlich, kannst Du Dir denken . . .? Aber, Papachen, das bleibt natürlich entre nous
. – Giebst Du Dein Ehrenwort, daß Du es niemandem erzählen wirst?«
»Na, so etwas! Natürlich erzähle ich das niemandem.«
»Ehrenwort? Hörst Du! Ich glaube Dir . . .«
Die junge Frau legte die Gabel hin, machte ein geheimnisvolles Gesicht und begann im Flüsterton.
»Stell Dir so etwas vor . . . Einmal reitet diese Julija Petrowna in die Berge . . . Es war ein wundervolles Wetter! Sie ritt mit ihrem Führer voraus, etwas weiter zurück folgte ich. Wir waren vielleicht so drei, vier Werst geritten, als plötzlich, verstehst Du, Wassitschka, Julija aufschreit und sich nach der Brust faßt. Ihr Tatare greift sie um die Taille, sonst wäre sie aus dem Sattel gefallen . . . Ich reite mit meinem Führer zu ihr heran . . . Was ist? Was ist passiert? ›Ach‹, schreit sie, ›ich sterbe! Es wird mir schlecht! Ich kann nicht weiter!‹ Stell Dir meinen Schreck vor! – Dann reiten wir zurück, sage ich. ›Nein‹, sagt sie, ›Natalie, ich kann nicht zurückreiten! Wenn ich noch einen Schritt mache, so sterbe ich vor Schmerzen! Ich habe Krämpfe!‹ Und sie bittet und fleht mich und meinen Sulejman um Gotteswillen an, daß wir in die Stadt zurückreiten und ihr Hoffmann-Tropfen holen, die ihr helfen.«
»Wart 'mal . . . Ich verstehe Dich nicht ganz . . .« murmelte der Mann, sich die Stirn reibend. »Du sagtest doch zuerst, daß Du diese Tataren nur von weitem gesehen hättest, und jetzt erzählst Du mir von irgend einem Sulejman?«
»Du fängst wieder mit Deinen Wortklaubereien an!« sagte die Frau mit einer Grimasse, ohne auch nur im geringsten verlegen zu werden. »Ich kann so ein mißtrauisches Wesen nicht vertragen! Nein, das kann ich nicht leiden.«
»Ich sage ja nichts, aber . . . wozu die Unwahrheit reden? Bist Du mit dem Tataren geritten, so bist Du geritten, und damit basta. Aber . . . wozu solche Ausflüchte?«
»Hm! . . . So komisch zu sein!« empörte sich die junge Frau. »Auf Sulejman eifersüchtig! Ich möchte doch wissen, wie Du ohne Führer in die Berge geritten wärst! Ich kann es mir vorstellen! Wenn Du die dortigen Verhältnisse nicht kennst und das nicht begreifst, so schweig lieber. Sei still und schweig! Ohne Führer kann man dort nicht einen Schritt machen.«
»Natürlich!«
»Bitte dieses dumme Lächeln zu unterlassen. Ich bin nicht etwa irgend eine Julija . . . Ich verteidige sie auch nicht, aber ich . . . hm! Wenn ich mich auch nicht als Heilige aufspiele, so habe ich mich doch noch nicht so weit vergessen. Mein Sulejman durfte die Grenze nicht überschreiten . . . Ne–ein! Julijas Mametkul pflegte bei ihr die ganze Zeit zu sitzen, bei mir aber hieß es, wenn