Unzucht. Jan Off
Frage nach der Couch verkneife ich mir. (Irgendwann muss jede Scharade ein Ende haben.) Stattdessen entkorke ich die letzte Flasche und fülle uns beiden noch einmal die Gläser.
Zu reden gibt es jetzt nichts mehr. Es bleibt dem Plattenspieler überlassen, der Stille die Stirn zu bieten. Während ein Chanson den nächsten ablöst, mustern wir uns, und zu meiner Überraschung ist da keinerlei Befangenheit in ihrem Blick. Ich stelle mir vor, was gleich geschehen wird, male mir aus, wie sich die Wölbung ihres Bauches anfühlen könnte, als mir mit einem Mal einfällt, dass ich es trotz zahlloser Gelegenheiten immer noch nicht geschafft habe, sie nach ihrem Namen zu fragen.
»Sag mal, wie heißt du eigentlich?«
»Das ist jetzt nicht wahr, oder?« Ungläubiges Lachen.
Ich breite übertrieben reumütig die Arme aus und ernte einen verzeihenden Blick.
»Tanja.«
Da es darauf nichts wirklich Sinniges zu entgegnen gibt, leere ich mein Glas. Als ich es absetze, steht sie neben mir.
»Na, dann komm.« Sie nimmt meine Hand und führt mich ins Schlafzimmer.
Erste Küsse im Stehen, Hände, die sich ungelenk den Weg Richtung Haut bahnen, hastiges, zum Teil gegenseitiges Entkleiden. Als wir schließlich auf dem Bett landen, verschwindet auch die Unterwäsche. Kleine, feste Brüste, fleischige Schenkel, ausladender Hintern. Ich nehme das alles mit den Fingern wahr, während unsere Zungen die Mundhöhle des anderen erkunden. In mir keimt der Wunsch auf, ihrem drallen Arsch ein paar Schläge mit der flachen Hand zu versetzen. Am besten, während ich sie von hinten nehme. Aber soweit sind wir noch nicht. Fürs erste bestimmen konventionelle Zärtlichkeiten das Geschehen. Dass sie sich ihr Schamhaar noch nicht mal ansatzweise rasiert, überrascht mich zwar, noch größer allerdings ist meine Verwunderung darüber, dass mich dieses Versäumnis kein bisschen stört. Sie ist so feucht, dass ich ihr sogar behaarte Achseln durchgehen lassen würde. Ich koste die Nässe weidlich aus, lasse meine Finger an der Beschleunigung ihres Atems arbeiten. Fehlt nur noch eins, um den Moment perfekt zu machen: »Fass meinen Schwanz an!«
Ihr Griff ist fest, ihre Technik routiniert. Keine Scheu, keine Unsicherheit. Ich hätte keine Probleme zu kommen – auch wenn das alles wäre, was sie mir anbieten würde. Aber ich will sie unbedingt ficken. Ich will hören, wie sie aufstöhnt, wenn ich in sie eindringe. Also entwinde ich mich ihr und bringe meinen Körper in eine Position, die es mir erlaubt, meinen Steifen fordernd über ihre Schamlippen gleiten zu lassen.
Ihr zurückgeworfener Kopf, ihr gespannter Bauch signalisieren nichts als Bereitschaft. Aber sie besitzt noch genügend Vernunft, um das vorgeschriebene Protokoll einzuhalten.
»Hast du ’nen Gummi dabei?«
Ich kenne den Inhalt meiner Klamotten, muss also nicht lange überlegen.
»Nein.«
»Warte, ich glaub, ich hab noch einen in meiner Tasche.« Sie klettert aus dem Bett und läuft auf den Flur.
Als sie zurückkommt, muss sie lachen.
»Tut mir leid, keinen gefunden.«
»Nicht so schlimm«, entgegne ich und lache ebenfalls.
Und dann ist ihr nackter Leib wieder neben dem meinen und wir beginnen, uns erneut zu küssen. Dieses Mal greift sie mir gleich an den Schwanz und als sie ein paar Minuten später ihre Zunge zur Hilfe nimmt, geschieht das ebenfalls ohne Anweisung. Während sie mir die Eichel leckt, verstärken sich der Druck ihrer Hand und die Geschwindigkeit, mit der sie den Arm auf und ab bewegt. Anscheinend will sie mir einen Abgang verschaffen, ohne dabei an sich selbst zu denken. Denn obwohl meine Finger nichts unversucht lassen, ist sie von einem Höhepunkt noch weit entfernt. Aber gerade beim ersten Mal ist es absolut inakzeptabel, dass ich vor ihr komme.
»Warte, ich will heute nicht abspritzen.«
Sie hält inne, sieht mich überrascht an. Offenbar ist sie eine derartige Programmunterbrechung nicht gewohnt.
Ich ignoriere ihre Verblüffung, bringe mein Gesicht ganz nah an das ihre heran und lasse die Kuppen von Daumen und Zeigefinger ein letztes Mal ihren Kitzler massieren.
»Komm morgen Abend zu mir.«
Ihr okay klingt zögerlich, und da ist immer noch ein leichter Ausdruck des Befremdens in ihren Augen. Aber als ich mich – nachdem ich mich angezogen habe – zu ihr herabbeuge, um ihr einen letzten Kuss zu geben, schenkt sie mir die Andeutung eines Lächelns.
Zu Hause gelingt es mir nur mit Mühe, mich davon abzuhalten, es mir selbst zu machen. Die Bilder, die mir im Hirn herumschwappen, sind einfach zu stark, lösen zu viele Phantasien aus, um mich nicht in Versuchung zu bringen. Dennoch gelingt es mir, dem Drang die Stirn zu bieten. Wenn Tanja bei mir einläuft, will ich so geil sein, dass es einer körperlichen Qual gleichkommt.
IV
Unmotiviert räume ich eine Weile in meiner Wohnung herum. Abwaschen und Staubsaugen wären angebracht. Aber dazu kann ich mich nicht aufraffen. Zum Schreiben ebenfalls nicht. Dabei halten sich die Folgen des gestrigen Alkoholkonsums einigermaßen in Grenzen. Es ist eher die Unlust am Alltäglichen, die mich lähmt.
Für heute wird natürlich auch wieder Wein benötigt. Also stiefle ich kurz vor sechs zum nächsten Discounter, fülle dabei gleich meine Lebensmittelvorräte auf. Danach fällt mir nichts Besseres ein, als mich aufs Bett zu legen und darauf zu warten, dass die Türklingel anschlägt. Für neun sind wir verabredet – anderthalb Stunden, die in einem seltsamen Wechsel von Unruhe und Schläfrigkeit vergehen. Ich lasse die letzte Nacht Revue passieren, grüble darüber nach, wie mögliche Drehbücher für die heutige aussehen könnten, drifte aber zwischendurch immer mal wieder weg, in diesen Vorhof der Traumproduktion, der nichts als Prototypen bereithält. Kurz vor neun schrecke ich plötzlich hoch (offenbar bin ich doch noch eingeschlafen). Und während ich im Halbdunkel nach meinen Zigaretten taste, weiß ich plötzlich, was ich tun muss: Ich werde Tanja fesseln und ihr die Augen verbinden. Zugegebenermaßen ziemlich abgeschmackt; nicht zuletzt, weil es ausreichend im Kino strapaziert worden ist. Aber irgendwie muss ich herausfinden, ob meine Einschätzung ihrer Persönlichkeit der Wirklichkeit standhält. Und das am besten auf eine Weise, die so geringfügig von der Norm abweicht, dass sie eine Abfuhr nicht zu schwer wiegen lässt. Wenn Tanja das, was ich vorhabe, peinlich findet (wenn sie also mich peinlich findet), können wir immer noch zur Tagesordnung übergehen, sprich: den Wein trinken, Konversation machen und später einen Standardfick hinlegen.
Ich durchwühle mein Klamotten-Regal nach etwas, das sich für meine Zwecke eignet, und finde einen langen, dunkelblauen Schal, der gerade noch breit genug ist, um die Augenpartie zu bedecken. Wenn ich nicht völlig danebenliege, hat Nadine den hier irgendwann vergessen. Während ich überprüfe, ob das Stück Stoff auch blickdicht ist, komme ich um ein Lächeln nicht herum. Sollte sich sein Einsatz bezahlt machen, wäre das wenigstens eine positive Folgeerscheinung unserer närrischen Bekanntschaft.
Die Leuchtanzeige des Weckers lässt mich die Suche fortsetzen. Fünf nach. Ich muss voranmachen, brauche noch einen zweiten Schal oder etwas in der Richtung.
Bevor ich allerdings fündig werde, stoppt mich die Klingel. Für einen kurzen Moment bin ich verärgert, finde es mindestens unverschämt, dass meine Besucherin meine Vorbereitungen stört. Dann wird mir bewusst, dass es ohne Besucherin gar keine Vorbereitungen bräuchte, und ich entspanne mich wieder. Ich werde mit dem auskommen müssen, was ich habe.
Während ich durch den Flur gehe, stopfe ich mir den Schal in die Hosentasche. Dann drücke ich den Summer für die Haustür. Die Wohnungstür öffne ich erst, als ich Tanjas Schritte auf der Treppe höre.
»Hey.« Sie ist ein wenig außer Atem, aber sie strahlt mich an. Mit ihrer knallengen Jeans, ihrem bauchfreien Shirt und Absätzen, die ich ihr gar nicht zugetraut hätte, sieht sie fast schon verwegen aus – zumindest für ihre Verhältnisse.
Ich nehme ihr den Wein aus der Hand und stelle die Flasche, ohne einen Blick aufs Etikett zu werfen,