G.F. Barner Box 1 – Western. G.F. Barner
Bald danach kommt das Girl zu Bill, die Augen voller Tränen.
»Bill, wie konnten die ihm das antun? Er ist so ein guter Mensch. Und wie haben sie ihn zugerichtet. Bill, wie gemein sie gewesen sind, über ihn herzufallen, obwohl sie doch wußten, daß er nicht sehr viel Kraft hat.«
»Ja«, sagt er bitter. »Vergreifen sich an einem Krüppel, die Schurken.«
»Er ist kein Kruppel«, antwortet Mona Dawes heftig. »Warum nennt ihr Cliff immer einen Krüppel? Das ist gemein von euch allen. Er hat einen steifen Arm und ein gebrochenes und schlecht verheiltes Knie, aber er muß ja glauben, daß er kein vollwertiger Mann ist, wenn ihr alle so von ihm redet. Er ist ein viel zu guter und stiller Mensch. Und er ist viel klüger als ihr alle, und viel bescheidener. Die Tiere mag er, und Blumen, und jetzt haben sie ihn fertiggemacht, diese Teufel.«
Der alte Dawes hebt ganz langsam den Kopf. Seine Söhne sehen sich verstört an. Selbst Missis Dawes bleibt bestürzt im Gang zur Küche stehen.
Natürlich wissen sie, daß Mona oft von Cliff Thayer gesprochen hat. Manchmal, wenn sie drüben einen Besuch machten oder zusammen in der Stadt zur Kirche gingen, hat sie mit Cliff geredet. Und wenn er mal alle halbe Jahre hier auf die Dawes-Ranch kam, dann hat sie ihn so freundlich begrüßt wie keinen anderen Besucher.
So ist das, denkt Old Bill Cooley, das hätte ich nicht gedacht. War immer so still, der Junge, wenn er mit dem Girl redete. Manchmal sprach er dann zwei Tage kein Wort. Und wenn er dann was sagte, dann fragte er oft, ob es wohl schlimm sei, daß es mit seinem Bein und dem Arm nie besser würde. So ist das, jetzt verstehe ich. Der Junge hat Mona Dawes immer gemocht, aber er hat gedacht, er sei ein Krüppel und hätte kein Recht, sich irgendwelche Hoffnungen zu machen.
»Tochter«, sagt der alte Dawes, »Cliff ist sicher ein guter Mann, das wissen wir alle, aber…«
»Sagt nie wieder, daß er ein Krüppel ist. Ich will’s nie wieder von euch hören«, unterbricht sie ihn und preßt ihr Taschentuch vor die Augen. »Er ist ja zu still, um jemals etwas zu fragen oder ein Mädchen anzusehen. Cliff würde es nie wagen, den Mund aufzutun und einem Mädchen zu sagen, daß er es mag. Als wir Old Nat begruben, sah er mich an, und er war allein, ganz allein, das wußte ich. Ich wollte es ihm schon sagen, doch es war nicht der Platz und die Zeit dafür. Aber er soll es erfahren, wenn er wieder gesund ist. Er soll wissen, daß ich ihn mag und daß ich keinen anderen Mann haben will. Verstehst du jetzt?«
»Tochter!«
»Was denn?« fragt sie erregt und steht auf. »Er muß es gespürt haben, daß ich ihn mag. Und vielleicht hat er gedacht, ich hätte nur Mitleid mit ihm. Doch es war nie Mitleid und wird nie welches sein. Für mich ist er der beste Mann, den ich mir wünschen kann. Ich liebe ihn, damit ihr es wißt. Und jetzt laßt mich in Ruhe. Laßt mich, sage ich, sonst gehe ich hin, nehme mein Gewehr mit, Dad, und schieße Howard Vance, diesen Halunken, über den Haufen.«
Sie bleiben alle wie erstarrt sitzen und sehen, wie sie aufspringt und nach oben läuft.
»Mann, Mann«, stammelt Misses Dawes und kommt schluckend in die Küche. »Vater, hast du das geahnt?«
»Nein, nein, wahrhaftig nicht. Unsere Tochter, Mutter – wie sie mit uns redet? Das sitzt wohl mächtig tief, glaube ich. Habt ihr denn nichts gemerkt? Joe, du Esel – Abe, du Träumer?«
»Nun«, sagt Abe, der nur ein Jahr älter als Mona ist und mit ihr oft zusammensteckt, »ich hab’s gewußt, Dad. Sie hat es mir schon vor einem Jahr gesagt. Geheult hat sie, weil Joe über Cliff redete und ihn dabei einen verdammt armes Luder nannte.«
»Und du sagst mir nicht mal was?« fragt Joe Dawes vorwurfsvoll. »Du bist der richtige Bruder, Mensch. Hätte ich doch bloß mein Maul gehalten. He, ich gehe zu ihr. Was soll ich ihr sagen, Dad?«
»Mutter, was meinst du?«
Dawes sieht seine Frau an. Die lächelt plötzlich, tritt ans Fenster und wischt sich über die Augen.
»Ist ein feiner Bursche, der Cliff. Einen besseren Mann kann unsere Tochter nie bekommen, Vater.«
»Na ja, dann geht schon… Nein, ich gehe. So, und jetzt gebt Bill was zu trinken. Ihr bringt ihn nachher zur Thayer-Ranch hinüber und bleibt gleich da. Und wollen sie noch was, dann sagt ihnen, sie bekämen es mit uns und unseren Freunden zu tun. Laßt sie nur die Südweide besetzen, wir warten ab. Bill, bist du sicher, daß Ray bald kommen müßte?«
»Der kommt«, antwortet Bill. »Und wenn er da ist, werden sie es sehr bald merken. Es wird das letzte sein, was sie auf dieser Welt spüren, wette ich. Wir haben ausgerechnet, er könnte in vier Wochen hier sein, wenn er die Bahn nimmt und auf der restlichen Strecke reitet, ohne groß zu rasten. Es könnte zwei Tage früher oder später sein, aber so um die Zeit müßte er kommen. Es wäre gut, wenn sie nichts davon ahnten.«
»Ja«, stimmt der alte Dawes zu. »Wir reden nicht und wissen nichts. Verstanden, Jungs? Möchte wissen, was aus Ray geworden ist. Kommt er auf Nat heraus, dann haben sie einen wilden Tiger im Nacken.«
Was, denkt Old Bill Cooley, nur einen Tiger? Ich kenne doch Ray, ich kenne ihn besser als sie alle. Wenn er kommt und seinen kleinen Bruder so liegen sieht, dann gebe ich keinen Cent mehr für Howard Vance. Ray zerreißt ihn in der Luft und wirft die einzelnen Stücke unter die Geier. Mein lieber Mann, laß den Jungen sich nur den Jähzorn abgewöhnt haben, sonst bringt er sie alle um, ehe sie begreifen, daß das große Sterben angefangen hat. In einer Woche müßte er etwa hier sein. Es wäre gut, ich ritte ihm entgegen. So schlimm ist das mit dem Loch in meiner Schulter nicht. Die Kugel ist glatt durchgegangen. Bis dahin kann ich reiten, Ray müßte über Del Rio kommen. Bis Albuquerque geht die Bahn. Dann reitet er todsicher nach El Paso und von dort aus steil herunter, was? Ich reite nach Del Rio und fange ihn ab, damit ich ihn vorbereiten kann. Kommt der ahnungslos her und hört, was passiert ist, dann garantiere ich für nichts mehr.
*
Dean, der Schmied, hat tagsüber aufgepaßt und keinen gesehen, auf den die Beschreibung passen könnte. Zwar kennt er Ray, doch er kann sich verändert haben. Bill hat ihm ein Bild in die Hand gedrückt und gesagt, so sähe er aus. Sicher käme er mit der Stagecoach oder auf einem Pferd. Bis jetzt ist aber niemand nach Del Rio gekommen. Drei Tage sitzt der Alte nun hier. Er geht nur nachts aus dem Haus. Sonst hockt er oben in Deans Schuppen und kann den Weg fast zum Devils River einsehen. Vom Schuppen aus hat er auch den Blick frei auf die Main Street von Del Rio und die Postkutschen-Station.
Manchmal friert er, der alte Bill Cooley. Die Wunde brennt, und der Schmerz meldet sich oft. Aber er ist zäh und hat einen eisernen Willen. Für sein Alter ist er ungeheuer hart, er schont sich auch nicht.
Mitternacht ist längst vorbei. Bill Cooley befürchtet schon, Ray verpaßt zu haben. Wenn der Junge nun einen anderen Weg genommen hat? Dann wird er nach Hause kommen und die Ranch nur von den beiden Dawes besetzt finden. Er wird erfahren, was mit Cliff passiert ist und losziehen.
Sie schicken mir eine Nachricht, wenn er auftaucht, denkt Old Bill Cooley voller Verzweiflung, doch sie wird zu spät hier ankommen. Ein Tagesritt ist es von Del Rio nach Uvalde, ein ganzer Tag für einen schnellen Mann. Ich käme zwei Tage zu spät zu Ray. Wer weiß, was er in der Zwischenzeit alles anstellt, der Junge. In Del Rio ist alles ruhig, nur ein paar Wagen fahren noch die Straße hoch zur Grenze. Sonst rührt sich nichts. In einem der Saloons brennt noch Licht. Das ist alles.
Der Alte ist allein, gähnt verhalten. Bei jedem Hufschlag schrickt er zusammen, späht aus der Dachluke des Schuppens.
Ein Reiter kommt, treibt sein Pferd an den Laternen am Woodstone House vorbei, ist für Sekunden im hellen Lichtschein. Der Mann ist nur mittelgroß.
Bill Cooley sinkt zurück, stützt den Kopf auf, lehnt sich an die Wand.
Er ist schon in Uvalde, denkt er besorgt, sicher ist er schon dort. Einen anderen Weg genommen, wie? In der Mitternachtskutsche saß nur eine Frau. Und jetzt…
Er hebt den Kopf, hört den Hufschlag durch das Geklimpere eines Greasers, der auf einem Wagen mit zur Grenze fährt.
Der