Seewölfe Paket 35. Fred McMason

Seewölfe Paket 35 - Fred McMason


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Gefühl, Sir. Wir sollten uns nicht in Glaubensangelegenheiten einmischen.“

      „Kein gutes Gefühl, soso.“ Ein Lächeln umspielte die Mundwinkel des Seewolfs. „Wißt ihr, was ich glaube? Daß ihr beide eurem Großvater nachgeratet.“

      „Dad, Sir …!“

      „Schon gut.“ Hasard winkte ab. „Ich habe nicht vor, der Stadtwache die Arbeit abzunehmen. Aber ein bißchen guten Willen sollten wir zeigen. Ich will nicht, daß die Einwohner von Tuticorin uns Engländer in schlechter Erinnerung behalten.“

      „Du meinst, wir verlieren allmählich unser eigentliches Anliegen aus den Augen?“

      „Die gute Lissy würde sich sehr grämen, wenn wir nicht den Boden für Handelsbeziehungen mit Indien ebnen.“

      „Na dann“, sagte Hasard junior und stieß seinem Bruder den Ellenbogen zwischen die Rippen, „beackern wir das Feld. Auf was warten wir noch?“

      Eine halbe Stunde später, die Wachen auf der Schebecke waren längst verstärkt und Al Conroy klarierte einige Culverinen beider Batterien, legte die noch außenbords vertäute Jolle abermals ab. Philip Hasard Killigrew, die Zwillinge, Edwin Carberry und Batuti, der Gambiamann, ließen sich an Land pullen. Auf dem Umweg allerdings, den vor ihnen schon Malindi Rama eingeschlagen hatte. Die Wolfshündin Plymmie kauerte im Bug des Bootes und knurrte die Mondsichel an, die sich im leicht bewegten Wasser abspielte.

      Die Rudergasten mußten sich kräftiger ins Zeug legen als der Inder, da sie sich nicht mehr von der Strömung treiben lassen konnten. Inzwischen hatte die Ebbe eingesetzt, und das ablaufende Wasser zog das Boot in südliche Richtung.

      Der morsche Kahn, den der Singhalese nach seiner überstürzten Flucht entwendet hatte, lag noch an Ort und Stelle auf Grund. Durch die Lecks war Schlick eingedrungen, der wie Ballast wirkte, das Dollbord ragte gerade noch zwei Handbreiten aus dem Wasser.

      „Da ist fast nichts mehr, woran Plymmie Witterung aufnehmen könnte“, sagte Jung Hasard.

      „Unser guter Wille ist gefragt“, bemerkte Philip spitz. „Nicht mehr und nicht weniger.“

      Der Seewolf bedachte ihn dafür mit einem verweisenden Blick. Er kannte seinen Sohn gut genug, um die mitschwingende Kritik herauszuhören, selbst wenn sie den anderen Arwenacks verborgen blieb.

      Batuti führte die Bordhündin an die Riemenschäfte. Nach einer Weile zog Plymmie die Lefzen hoch und knurrte. Ihre Nackenhaare sträubten sich.

      „Such!“ befahl der Gambiamann. Er hielt die Hündin an einer nur wenige Yards langen Leine, hinter ihm folgten der Seewolf und die Zwillinge, und den Schluß bildete der Profos. Die Jolle, in der Luke Morgan, Sam Roskill, Bill und Stenmark an den Riemen saßen, glitt lautlos zur Schebecke zurück.

      Ölpalmen standen wie stumme Wächter entlang des Weges, der zur Stadt führte. Fahl schimmerte der Korallenkalk der Häuser durch die Nacht.

      Plymmie führte die Arwenacks zu einem Gebüsch. Jemand hatte Äste abgeschlagen.

      „Die Bruchstellen sind noch klebrig vom Harz“, stellte Batuti fest. „Das muß Malindi gewesen sein.“

      Keiner hatte eine Erklärung dafür, was der Singhalese bezweckt hatte. Nach einer Weile erreichten sie eine befestigte Straße. Hier versagte der Geruchssinn der Hündin jedoch, denn inzwischen hatten zu viele Menschen und Tiere den gleichen Weg genommen.

      „Der Bursche ist nach Tuticorin gelaufen“, behauptete Carberry.

      „Also weiter und immer der Nase nach“, sagte Jung Philip. Kaum jemand war noch auf den Straßen. Diejenigen, denen sie begegneten, warfen ihnen scheue, mißtrauische Blicke zu und wichen aus. Längst hatte sich herumgesprochen, daß die Fremden den heiligen Zahn Buddhas an Bord ihres Schiffes transportiert hatten.

      „Die Leute könnten trotz allem freundlicher sein“, maulte Hasard junior. „Am Ende erwarten sie, daß wir ihnen alle Probleme abnehmen.“

      Plymmie fand die Spur wieder. Sie zog wie wild an der Leine.

      Ein kleiner Pferch, zwischen zwei Stallungen errichtet, versperrte den Weg. Ziegen schreckten auf und begannen zu meckern, als sich die Arwenacks über das Gatter schwangen.

      Dies war eine der düsteren Gegenden des Hafenviertels. Eng duckten sich die Häuser aneinander, als müsse eins das andere stützen. Die verwinkelten Gassen, ohnehin nur aus gestampftem Erdreich bestehend, verströmten einen beißenden Gestank. Selbst zur Nachtzeit tummelten sich noch Schwärme von Schmeißfliegen auf dem überall anzutreffenden Unrat.

      Eine schmale Planke führte über eine Jauchegrube hinweg. Plymmie strebte geradewegs in die Richtung.

      Der Profos rümpfte die Nase. „Das Brettchen sieht nicht besonders vertrauenerweckend aus. Wer da hineinfällt, der stinkt tagelang.“

      „Drei Schritte Anlauf, Mister Carberry“, sagte Batuti. „Mehr brauchst du nicht.“

      Den wohlgemeinten Rat in die Tat umzusetzen, schaffte der Profos nicht mehr. Plymmie begann plötzlich zu bellen und zerrte an der Leine, und schon im nächsten Moment fielen Singhalesen über die Arwenacks her und knüppelten wahllos auf sie ein.

      Edwin Carberry empfing den ersten, der es auf, ihn abgesehen hatte, mit einer schallenden Maulschelle. Alle fünf Finger zeichneten sich im Gesicht des Mannes als breite Striemen ab. Trotzdem stürmte er weiter und verfehlte mit seiner knorrigen Keule den Profos nur um eine Handbreite, und das auch nur, weil der Schlag ihn taumeln ließ. Der Schwung riß ihn vorwärts und ließ ihn ins Leere laufen. Carberry trat ihm in den Hintern.

      Während Plymmie ihre Zähne in einen breiten Achtersteven schlug und sich die Zwillinge Rücken an Rücken verteidigten, sah sich der Profos gleich drei Angreifern gegenüber. Hasard und der Gambiamann befanden sich außerhalb seines Blickfelds, und ihm blieb nicht die Zeit, sich umzuwenden.

      Die Kerle nahmen ihn in die Zange. Carberry durchschaute ihre Absicht jedoch sofort. Sie wollten ihn rückwärts in die Jauchegrube treiben. Ausgerechnet! Dabei war ihm nichts so zuwider wie diese stinkende Brühe.

      Breitbeinig, den Oberkörper nach vorn gebeugt, empfing er die Angreifer. Der mittlere stach mit einem armdicken Ast nach ihm. Carberry konnte den Stoß zwar ablenken, dennoch schrammte der Ast unter seiner linken Achsel hindurch und hinterließ einen höllischen Schmerz.

      Instinktiv riß der Profos den anderen Arm hoch und wehrte zwei gegen seinen Kopf gezielte Fausthiebe ab.

      Was die Inder einander zuriefen, verstand er nicht. Jener, den Plymmie erwischt hatte, lag inzwischen auf dem Bauch und winselte. Zweifellos würde er wochenlang in dieser Stellung ausharren müssen, bis sein Sitzfleisch einigermaßen vernarbt war.

      Wieder sauste der Ast heran, doch diesmal war Carberry auf der Hut. Er packte rechtzeitig zu und nutzte den Schwung des Angreifers, verstärkt durch seine eigene blitzschnelle Drehung zur Seite. Der Kerl brachte seine Beine gar nicht so schnell hoch, wie er nach vorn gezerrt wurde. Die Folge war, daß er ins Stolpern geriet und Carberry hochschnellendem Knie nicht mehr ausweichen konnte.

      Ohne einen Laut von sich zu geben, nur plötzlich totenbleich im Gesicht, klatschte der Inder bäuchlings zu Boden. Dabei konnte er noch von Glück reden, daß lediglich sein strähniges Haar über den Rand der Grube in die schillernde Brühe hing.

      Einen Augenblick zu lange war Carberrys Aufmerksamkeit abgelenkt. Die beiden verbliebenen Angreifer nutzten die Gelegenheit. Sie beherrschten einen Kampfstil wie chinesische Krieger. Außer ihnen selbst mochte nur Schiwa wissen, woher sie ihre Kenntnisse bezogen.

      Die Füße des ersten trafen den Profos an der Hüfte und mit einer Wucht, die jeden anderen umgeworfen hätte. Carberry ließ jedoch nur ein unwilliges, gereiztes Knurren vernehmen. Waagerecht schlug er den erbeuteten Stock durch die Luft, doch der Kerl, der ihn getreten hatte, entging dem Hieb mit einem verblüffenden Überschlag rückwärts.

      „Mistkerl!“ sagte der Profos gereizt.

      Schon wurde er von der anderen Seite attackiert,


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