Seewölfe Paket 35. Fred McMason

Seewölfe Paket 35 - Fred McMason


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ihr Busen unter heftigen Atemzügen hob und senkte. Zögernd löste er ihre Hände von seinem Nacken.

      „Besser, Sie gehen unter Deck, Senhorita. Wahrscheinlich zieht Sturm auf, dann wird es hier oben ungemütlich.“

      „Du hilfst mir?“

      Dan schüttelte den Kopf. „Meine Wache beginnt gleich. Und morgen trennen sich unsere Wege ohnehin.“

      Während er Jakobsstab, Spektiv, Zeichenkohle und das inzwischen durchnäßte Papier, auf dem er seine Beobachtungen eingetragen hatte, in einem bereitstehenden Kasten verstaute, blickte er der Inderin doch ein wenig bedauernd hinterher.

      Luke Morgan war der einzige, der nicht schweigend zusah.

      „He, Dan!“ rief er. „Was hast du ihr erzählt?“

      „Nichts“, erwiderte Dan O’Flynn, ohne sich in seiner Arbeit unterbrechen zu lassen. „Wieso?“

      „Die Frau sah nicht gerade sehr glücklich aus.“

      „Ist das mein Bier?“ Dan reagierte schroffer als beabsichtigt.

      Morgan wußte natürlich, warum. „Sie gefällt dir, was? Aber du willst es nicht zeigen. Dann laß dir gesagt sein, daß jeder von uns sie gern an Bord behalten würde …“ Was er außerdem noch sagte, verhallte ungehört in ohrenbetäubendem Donner. Das Gewitter stand inzwischen fast über den Schiffen.

      Es begann wie aus Kübeln zu schütten.

      Der Gewittersturm peitschte die Wellen höher. Stampfend und manchmal mit großer Krängung, lief die Schebecke durch eine aufgewühlte See. Die Sicht reicht nicht mal mehr eine Meile weit, und die Singhalesen in den verfolgenden Booten hatten plötzlich alle Hände voll zu tun, denn mancher Kahn drohte vollzuschlagen oder zu kentern.

      Auf dem Dreimaster gab es solche Probleme nicht. Die Segelwachen waren lediglich damit beschäftigt, ständig neu zu trimmen, da der Wind unruhig wie ein junges Fohlen hin und her sprang.

      Zum Backen und Banken erschienen nur zwei der fünfzehn Passagiere: Dina und Tipu, ein Mann mit Hasenscharte, struppigem, schwarzem Haar und stets gerötetem Gesicht. Da ihm oben und unten je zwei Schneidezähne fehlten, wirkte die Mundpartie seltsam eingefallen. Zum Essen brachte er kaum den Mund auf.

      Viel geredet wurde nicht. Die Arwenacks fühlten sich lediglich von Dinas Blicken taxiert, und der eine oder andere erwiderte die Blicke auch.

      Das Gewitter hielt unvermindert an. Nur der Regen ebbte ab. Die Donnerschläge klangen daraufhin wie das Dröhnen schwerer Geschütze.

      Alokeranjan war inzwischen das Beten zu Buddha vergangen. Kalkweiß und zitternd lag er in seiner Koje und jammerte und stöhnte, als sei sein Ende unwiderruflich nahe. Das Essen, das ihm Clinton Wingfield brachte, verschmähte er. Aber wahrscheinlich war das auch besser so, denn nach einer Weile verfärbte er sich grün und begann zu keuchen, als sei er dem Ersticken nahe.

      Nachdrücklich bedeutete ihm Wingfield, daß er essen müsse, um die Übelkeit zu überwinden. Da der Singhalese darauf aber höchst ärgerlich reagierte, räumte Clint die Speisen kurzerhand wieder ab. Nicht im mindesten störte er sich daran, daß Alokeranjan einige Gegenstände, die nicht niet- und nagelfest waren, nach ihm warf.

      Derlei Wutausbrüche hatte er während seiner Zeit als Schiffsjunge nicht erst auf der „Respectable“ kennengelernt, sondern schon auf den Schiffen, auf denen er vorher zur See gefahren war.

      Erst eine Stunde vor Mitternacht ebbte das Gewitter ab. Die See blieb jedoch bewegt. Nur die Schaumkronen verschwanden.

      Der Wind drehte leicht um West und ließ die Schiffe gute Fahrt laufen.

      Zwei oder drei der kleinen Boote waren verschwunden. Entweder waren ihre Besatzungen gezwungen gewesen, die Segel einzuholen, oder sie hatten den Sturm nicht heil überstanden. Vielleicht waren sie auch von den anderen aufgefischt worden.

      Um Mitternacht begann Edwin Carberrys Wache auf dem Achterdeck. Er löste Sven Nyberg ab, der sichtlich froh war, endlich in die Koje verholen zu können. Besonders gemütlich war es während der letzten Stunden wirklich nicht gewesen.

      Die Segel standen prall vor dem achterlichen Wind. Über Backbordbug und mit schäumender Bugsee lief die Schebecke wieder gute Fahrt. Die Sambuke und mehrere Pattamars lagen dichtauf. Dahinter, im kaum vorhandenen Sternenschein nur fahl zu erkennen, folgten die kleineren Fischerboote.

      „Und das alles wegen eines lausigen Zahnes“, murmelte der Profos kopfschüttelnd vor sich hin.

      „Was sagst du?“ fragte Piet Straaten, der am Ruder stand.

      „Ich denke nur laut“, erwiderte Carberry.

      „Du denkst nach?“

      „Hm.“

      „Über Buddha und seinen Weisheitszahn?“

      „Wenn du mich ohnehin verstanden hast, warum fragst du dann noch?“

      Eine jäh einfallende Bö ließ die Segel killen. Gleich darauf, und ohne daß jemand eingreifen mußte, war jedoch alles wieder wie zuvor.

      „Der Bluff mit dem falschen Zahn ist gründlich nach hinten losgegangen“, sagte Piet Straaten. Als Carberry lediglich die Brauen hochzog, fuhr er fort: „Ich kann nur hoffen, daß uns das dicke Ende nicht noch bevorsteht.“

      „Morgen Mittag liegt Mannar schon wieder hinter uns.“ Carberry drehte seine Runde auf dem Achterdeck. Der Himmel riß zusehends weiter auf. Immer noch war es so warm, daß vom Land Dunst aufstieg. Bis zum Morgengrauen würde der Nebel überall zu sehen sein.

      Edwin Carberry lauschte dem Knarren der Blöcke und dem Singen der Takelage. Aber der Wind trug auch andere Geräusche mit sich – Stimmengemurmel von den nachfolgenden Schiffen.

      Piet Straaten wurde ebenfalls aufmerksam.

      „Klingt so, als würden die Burschen beten“, sagte er. „Wann schlafen die eigentlich?“

      „Das haben die doch nicht nötig. Wenn sie wenigstens hinter unserem Gold her wären, würde ich das ja noch verstehen. Aber soviel Aufwand wegen eines Zahnes …“ Kopfschüttelnd blickte Carberry wieder achteraus.

      Eine Pattamar hatte sich von den anderen gelöst und schloß Sichtlich auf. Es war ein kleineres Boot ohne durchgehendes Deck, ein Anderthalbmaster mit den typischen trapezförmigen Dhausegeln, die an langen Schrägrahen gefahren wurden. Daß dieser Typ über hervorragende Segeleigenschaften verfügte, wurde dem Profos deutlich demonstriert.

      Die Pattamar war sehr schnell heran. Sie blieb an Steuerbord.

      Carberry zählte eine zwölfköpfige Mannschaft. Glaubten die Inder tatsächlich, es mit den Arwenacks aufnehmen zu können? Bis zum letzten Moment zweifelte er daran, bis sich ein Enterhaken in den Besanwanten verfing und zu den Püttings abrutschte, weil keine Webeleinen vorhanden waren.

      Piet Straaten hatte nichts bemerkt. Er sah lediglich, daß der Profos hinter dem Schanzkleid in Deckung ging, und wollte ihm etwas zurufen, doch Carberry legte bedeutungsvoll einen Finger an die Lippen. Mit der anderen Hand deutete er außenbords.

      Straaten verstand, wenngleich ihm ein Versuch, die Schebecke zu entern, ebenso irrsinnig erschien. Aber durfte man von Fanatikern überhaupt Vernunft erwarten?

      Ein zweiter Haken wickelte sich um das vorderste Want des Besanmasts. Carberry sah keine Notwendigkeit, die Wachen auf Kuhl und Back zu warnen, zumal die Singhalesen das sicherlich spitzgekriegt hätten. Die wirkungsvollste Abschreckung war seit eh und je, dem Angreifer zuvorzukommen und ihn zu überraschen.

      Die Rechte zur Faust geballt, dem berüchtigten Profoshammer, kauerte Carberry eng am Schanzkleid und blickte starr nach oben, wo jeden Moment ein turbangekröntes Haupt auftauchen mußte. Doch seine Geduld wurde auf eine lange Probe gestellt.

      Als er schon glaubte, die Männer in der Pattamar hatten es sich zu guter Letzt noch anders überlegt, griff endlich eine Hand über die Reling. Die nachfolgende Visage war wie geschaffen für eine kräftige


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