Seewölfe Paket 35. Fred McMason

Seewölfe Paket 35 - Fred McMason


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schweißgebadet schreckte ich hoch. Das dumpfe Wummern der Kanonen und das Ächzen und Stöhnen hämmerte mein Herz gegen die Rippen, in den Schläfen pochte das Blut, mein Atem ging kurz und keuchend.

      Der ersten Regung nachgebend, sprang ich auf, um mich über Bord zu stürzen, denn die See erschien mir in dem Moment weitaus freundlicher als die vom Feuer heimgesuchten Decks, doch eine eiserne Faust hielt mich zurück. Jemand redete beschwörend auf mich ein. Er sagte Dinge, die ich nicht verstand, aber immerhin begriff ich, daß die Wirklichkeit anders aussah.

      Ich hatte schlecht geträumt. Die Schreie, die ich zu hören glaubte und die mich aufgeschreckt hatten, waren meine eigenen gewesen.

      Wahrscheinlich würde ich nie vergessen können …

      „He, Clint, träumst du immer noch?“ Der Mann mit dem mächtigen grauen Bartgestrüpp, der sich über mich gebeugt hatte, umfaßte meine Schultern und schüttelte mich. Mein Versuch einer Gegenwehr fiel kläglich aus. Ich stammelte wirres Zeug von Feuer an Bord, Spaniern und schweren Breitseiten.

      „Wenn Clinton ein paar Jahre älter wäre und ich nicht genau wüßte, daß er keinen Tropfen Rum angefaßt hat, würde ich behaupten, er hat mächtig einen geladen.“ Ein zweiter Mann schob sich in mein Blickfeld, ein kräftiger blonder Riese, zweifellos ein harter Kämpfer, doch seine hellen Augen strahlten Ruhe und Gelassenheit aus.

      „Er segelt gegen die Spanier“, sagte der Bärtige und hörte endlich auf, mich durchzuwalken. „Dabei schreit er wie am Spieß.“

      „Das sind die üblichen Alpdrücke“, erwiderte der andere. „Irgendwann hatte die jeder von uns, der eine eher, der andere eben später.“

      Das Gespräch flutete an mir vorbei wie Brecher an einem Molenkopf. Erst allmählich wurden mir beide Gesichter vertrauter. Ich begriff, daß die letzte Fahrt der „Seawind“ vor eineinhalb Jahren im Feuer der Spanier geendet war und ich mittlerweile zu den Korsaren des Seewolfs gehörte, wenn auch als jüngstes Mitglied und damit Moses seiner Crew.

      Aber schon die Tatsache, unter dem Kommando von Philip Hasard Killigrew zu segeln, war eine unsagbare Ehre für mich. Den Tag, an dem ich auf der „Respectable“ einfach über Bord sprang und mich den Arwenacks anschloß, werde ich mein Leben lang nicht vergessen.

      „Alles wieder in Ordnung, Junge?“ fragte der Graubärtige, der frühere Schmied von Arwenack und darüber hinaus ein ausgezeichneter Langbogenschütze. Sein Blick drückte Besorgnis aus, und das hatte ich auf den Schiffen, auf denen ich zuvor gewesen war, nie erlebt. Dort war ein Schiffsjunge der letzte Dreck, gerade gut genug, um an ihm allen Ärger auszulassen.

      „Ich habe schlecht geträumt, Sir, Mister Shane“, erwiderte ich. „Nichts von Bedeutung.“

      „Geschrien hast du wie am Spieß“, sagte der Blonde. Er hieß Stenmark und war Schwede. „Blaß bist du außerdem, als wäre dir der leibhaftige Gottseibeiuns über den Weg gelaufen.“

      Ich atmete tief ein und hielt die Luft an, um wieder Farbe zu kriegen. Nach einer Weile atmete ich prustend aus.

      „Alles halb so schlimm, Mister Stenmark“, versicherte ich.

      Er grinste. „Jetzt bist du rot wie ein frisch gerupfter Puter, Clint. Schade, daß du dich nicht sehen kannst.“

      „Der Junge braucht frische Luft und Bewegung“, sagte Big Old Shane. „Kein Wunder, daß er bei dem Mief unter Deck schwermütig wird.“

      So schlecht fand ich die Luft im Vorschiff der Schebecke zwar nicht, und verglichen mit dem Gestank auf der „Respectable“ waren selbst die Ausdünstungen in der Büge noch der reinste Wohlgeruch, aber Mister Shane verfolgte wohl eine Absicht, wenn er so redete. Prompt nahm er mich am Arm und führte mich nach oben.

      „Der Morgen graut bereits“, sagte er, „und eine Mütze voll Schlaf hast du ohnehin erwischt, Mister Wingfield.“

      Wahrscheinlich um mich aufzumuntern, nannte er mich „Mister“. Vor ihm hatte das noch niemand getan. Wozu auch? Ein zwölfjähriges Bürschchen, blond, mit Haarwirbeln, Stupsnase und grauen Augen verdiente keinen Respekt. In dem Alter war man gerade gut genug für das Prügeldasein eines Pulveraffen und Läufers.

      Aber irgendwann, das hatte ich mir während der Zeit auf der „Respectable“ geschworen, würde ich aller Welt beweisen, daß ein Clinton Wingfield mehr konnte – „Kapitän Wingfield“ klang gut, „Admiral Wingfield“ noch besser, und ein „Sir“ vor dem Namen war sicher erstrebenswert. Wer ohne Adelstitel geboren wurde, mußte ihn sich eben erkämpfen.

      „Hörst du überhaupt zu?“ fragte Shane plötzlich. Ich hatte ihn zwar reden hören, konnte seine Worte aber nicht wiedergeben. Selbst wenn er mir zwanzig Stockhiebe versetzt hätte, ich wußte es nicht.

      „Natürlich, Mister Shane“, log ich.

      Er schaute mich an und schüttelte den Kopf. „Den Eindruck hatte ich nicht, mein Junge. Aber dann los, auf was wartest du noch?“

      „Äh, Sir, ich …“

      Nimm deinen Mut zusammen! dachte ich. Den Kopf wird er dir schon nicht abreißen.

      In dem Moment sagte der graubärtige Riese: „Genügend Farbe findest du in der Vorpiek, den Bootsmannsstuhl kannst du allein abfieren. Und wo die Achterdecksverschanzung ist, weißt du.“

      „Aye, aye, Sir!“ Ich war ihm dankbar für die Hilfestellung, und dementsprechend beeilte ich mich, meine Verpflichtungen zu erfüllen.

      Sir Hasard Killigrew und seine Crew waren eine verschworene Gemeinschaft, in deren Nähe ich mich wohl fühlte. Seit rund sechs Wochen befand ich mich auf der Schebecke und hatte mich – soweit ich das selbst beurteilen konnte – gut eingelebt.

      Die Strahlen der aufgehenden Sonne färbten die östliche Kimm, als ich mich, mit Farbkübel und Pinsel bewaffnet, beim Wachgänger auf dem Achterdeck meldete. Mit Roger Brighton, dem Takelmeister, verband mich von Anfang an ein besonderes Verhältnis – wie auch mit den vier anderen Arwenacks, die ebenfalls zum Dienst auf die „Respectable“ gepreßt worden waren.

      Unwillkürlich versteifte sich meine Haltung.

      „Clint Wingfield meldet sich für Arbeit außenbords!“

      Erst als der Takelmeister belustigt die Brauen hochzog, entsann ich mich, daß derlei militärisches Gehabe auf der Schebecke verpönt war. Aber so ist das eben. Wenn man alles besonders gut hinkriegen will, dann zäumt man das Pferd beim Schwanz auf.

      „Ein neuer Anstrich schadet bestimmt nicht“, sagte der Takelmeister. „Das Schanzkleid ist an gut einem Dutzend Stellen ausgebessert.“

      Er half mir, das Brett des Bootsmannsstuhls in die beiden Stroppen einzuhängen und abzufieren. Bei ruhiger See war die Arbeit ein Kinderspiel, und ich hatte schon Schlimmeres erlebt.

      Vor einer mäßigen Brise aus leicht wechselnden südlichen Richtungen segelte die Schebecke unter Vollzeug auf Nordkurs. Der Himmel war von tiefem Blau, das Meer ebenfalls, eine sanfte Dünung strebte dem Festland entgegen.

      Gestern hatten wir die Palkstraße hinter uns gelassen. Zur Zeit befanden wir uns ungefähr auf der Höhe von Nagapattinam, jedoch außer Sichtweite der Küste. Ich schätzte die Entfernung auf etwa fünfzehn bis zwanzig Seemeilen.

      Zufällig hatte ich aufgeschnappt, daß die Hafenstadt Karikal, nur wenig nördlich von Nagapattinam gelegen, unter portugiesischer Herrschaft stand. Dan O’Flynn schien das aus den Karten herausgelesen zu haben. Es wunderte mich nicht, daß der Seewolf jede neuerliche Feindberührung vermeiden und statt dessen möglichst schnell Madras anlaufen wollte, um unsere wertvolle Ladung zu löschen. In Mannar auf Ceylon hatten wir wieder mal erfahren, daß wir nicht umsichtig genug sein konnten. Dabei scheuten die Arwenacks gewiß keine Auseinandersetzungen, gleichgültig, ob sie mit Fäusten oder mit Schiffsgeschützen ausgetragen wurden.

      Soviel ich inzwischen wußte, hatte Philip Hasard Killigrew dem Maharadscha von Bombay sein Wort gegeben, eine Fracht von insgesamt elf Tonnen Gold und Silber sicher dem indischen Mogulkaiser


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