Seewölfe - Piraten der Weltmeere 680. Sean Beaufort

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 680 - Sean Beaufort


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Seewolf blinzelte, öffnete die Augen und hob den Kopf.

      „Schlimme Nachrichten?“ murmelte er und reckte sich.

      Dan schüttelte den Kopf. „Das nicht gerade, Sir. Wir sind etwas südlich von Alleppey an der Schlickbank. Eineinhalb Seemeilen voraus liegt wieder diese regungslose Wasserfläche.“

      Hasard verstand und überlegte. Diese Stelle hatten sie bereits einmal passiert und nach seinem Geschmack viel zu dicht. Er dachte an den schwindenden Proviant und an die Gefahren, wenn er das Schiff auf Grund setzte – falls sie sich von den Schlickbänken nicht freihielten. Er stand auf.

      „Entweder geht es weiter nach Tiruvanaantapuram“, sagte er, „oder wir versuchen mit größter Vorsicht, Alleppey anzusteuern. Wir segeln auf die Schlickbänke zu?“

      Jeder an Bord wußte, daß sich solche Sandbänke ständig veränderten. Seegang, Strömungen und die Ablagerungen, die von hochgehenden Flüssen angeschwemmt wurden – dazu die Wirkungen der Tiden –, trugen die Massen von Sand und Schlick ab und häuften sie wieder an, an anderen Stellen und auf völlig unberechenbare Weise.

      „Nach allem, was ich sehen konnte“, erwiderte Dan O’Flynn, „segeln wir auf ihre nördliche Grenze zu. Wir sollten möglichst schnell den Kurs ändern.“

      Sie waren etwa elf Knoten schnell. Hasard rief Piet Straaten eine Kursänderung nach Süden zu.

      Sie schirmten ihre Augen vor dem Sonnenlicht ab. Das Tagesgestirn stand fast genau im Zenit. Die Segelwache trimmte die Segel neu, als Südkurs anlag. Dan atmete auf.

      „Für flachgehende Boote sind die Bänke nicht gefährlich“, sagte er. „Die Fischer von Alleppey jedenfalls fühlen sich wohl.“

      Sie waren inzwischen nahe genug am äußersten Rand der Wasserfläche. Sie war glatter als das Wasser einer Lagune – wie ein Teich bei Windstille, der sich hob und senkte. Mindestens zwei Dutzend größerer und kleinerer Fischerboote mit aufgemachten oder heruntergeholten Segeln verteilten sich über eine Fläche, die länger war als drei Seemeilen.

      „Wo Fischer sind, gibt’s viele Fische.“ Hasard winkte ab. „Und Fische fressen das Zeug, das die Flüsse heranschwemmen. Angeblich gibt es aber um Alleppey keine Flüsse.“

      „So weiß ich es“, beharrte Dan.

      Hasard schickte Clint, der mittlerweile den versäumten Schlaf nachgeholt hatte, in den Ausguck.

      Der Moses enterte auf und rief, auf verschiedene Stellen deutend: „Der Kurs ist richtig, Sir. Wir sind weit genug von der Stelle entfernt, an der sich das Wasser färbt.“

      Woher stammen die angeschwemmten Massen? Woher das merkwürdige Schillern auf den Wellen, wenn Sonnenlicht in einem bestimmten Winkel auf das Wasser fiel? Wenn sie es alle nicht für ein Unding gehalten hätten, wäre ihre Erklärung für dieses Phänomen gewesen, daß jeden Tag ein paar riesige Fässer Tran oder Öl an dieser Stelle ausgekippt würden.

      Der breite Krakenarm, ein Dreieck fast, verschmolz mit der ausgedehnten Fläche. Einer der Fischer winkte träge zur Schebecke hinüber, die das Boot in vier Kabellängen Entfernung passierte. Dann warf der braunhäutige Mann ein Netz mit mächtigem Schwung aus.

      „Da gibt es frische Fische in Hülle und Fülle, Donegal!“ rief Paddy Rogers gutmütig spottend und grinste breit.

      „Nur kurz vor dem Hungertod“, giftete Old Donegal zurück. „Kannst ja rüberschwimmen und ein paar holen.“

      Immer wieder sang Clint aus, was er sah. Hasards Unruhe legte sich. Die Schebecke näherte sich schnell dem nächsten Boot und hatte es bald querab an Backbord. Die Fischer schienen nicht die geringste Furcht vor dem fremden, Schiff zu haben, denn sie hoben nur die Hand zu einem flüchtigen Gruß. Die Arwenacks winkten zurück und beugten sich an Backbord weit über das Schanzkleid.

      „Höchst lebendig, die Fischersleute“, meinte Dan. „Keine Anzeichen von Schwarzem Tod.“

      „Wenn es Fischer aus dem unaussprechlichen Hafen wären“, sagte Batuti und entblößte sein Gebiß, „wäre mir wohler.“

      „Mir auch“, erwiderte Dan.

      Die Schebecke blieb in sicherem Abstand von jenen Stellen, an denen die Wellen in sich zusammensanken und in die glatte Fläche ausliefen. Philip junior dachte sich etwas und verholte mit Ben Brightons Spektiv zum Bug, wo er sich hinters Schanzkleid stellte. Recht voraus glaubte er, einen dieser Ausläufer sehen zu können, unter dem sich Sand und Schlick ausbreiteten. Wie wenig tief das Wasser über dem hellen Grund war, wollte er nicht so genau wissen.

      Einige Zeit später bemerkte er, daß sie auf die Mitte eines Streifens zuhielten, der zwei Kabellängen weit aus der großen Fläche an Backbord hervorwuchs und mit der Spitze nach Westen deutete.

      Fast gleichzeitig schrie Clinton aus der Ausgucktonne nach achtern: „Nach Steuerbord anluven! Untiefen voraus!“

      „Aye, Moses!“ schrie der Seewolf und gab den Befehl, zwei Striche nach Steuerbord höher an den Wind zu gehen. Der Rudergänger war versucht, das Ruder hart zu legen, aber er bewegte die Pinne in der gewohnten Weise.

      „Recht so!“ tönte es aus der Höhe des Großmastes.

      Die Arwenacks sahen an Backbord, daß die Warnung rechtzeitig erfolgt war. Die Schebecke schnitt fünfzehn Yards westlich der Spitze durch die Wellen, und man sah deutlich, wie sich das Wasser heller und heller färbte. Schließlich konnten die Männer sogar den Grund erkennen. Zweige, Pflanzenreste und Dinge, die wie winzige Tangfäden aussahen, lagen zwischen Kieseln und Sand.

      „Höchstens zwei Yards, dort drüben“, sagte Hasard. Gleichzeitig änderte sich die Färbung des Wassers wieder. Es wurde beruhigend dunkler und blauer.

      „Wir sollten nicht versuchen, die Sandbank zu überfahren“, meinte Dan.

      „Ich hab’s nicht vor“, erwiderte Hasard ernst. Er legte die Hände an den Mund und rief zum Moses hinauf: „Wie sieht es aus?“

      „Gut, Sir. Freie Fahrt bis zu dem Fischerboot.“

      „Weiter so.“

      Das Kielwasser der Schebecke beschrieb achteraus einen Bogen und erstreckte sich zwischen dem Ende des Bogens und der jetzigen Position schnurgerade. Zwischen der Bordwand und dem Rand der öligen Fläche, die sich jetzt langsam nach Osten zurückkrümmte, schäumten die Wellen, und das Fischerboot, das genau auf ihrem Kurs lag, würde nicht ausweichen.

      Hasard führte eine auffordernde Handbewegung aus.

      „Wir werden ruhig schlafen können, wenn wir wissen, was das Öl aufs Wasser bringt. Wir gehen in den Wind, und dann können die Meister der fremden Sprache, meine Söhne, den Fischer befragen. Klar?“

      „Klar, Sir.“

      „Aber“, rief der Seewolf, „wir wollen hier nicht eine Stunde lang vor Anker liegen! Beeilt euch!“

      „Aye, aye, Sir.“

      Die Kommandos ertönten über Deck. Eine halbe Seemeile weiter ging die Schebecke in den Wind, bis die Segel killten. Philip und Hasard standen auf dem Grätingsdeck und brüllten ihre Fragen zu einem weißhaarigen Fischer hinunter, der ein breites rotes Band um den Kopf geknotet hatte.

      „Die Stadt dort: Alleppey?“

      „Ja, Alleppey! Wollt ihr Fisch?“ rief der Alte mit dünner Stimme.

      „Keinen Fisch. Wie kommt das Öl ins Wasser? Weißt du das?“

      Der Fischer nickte, ließ einen Speer mit kurzem Blatt klappernd zwischen die Duchten fallen und erwiderte: „Wenn Regenzeit, Flüsse sehr hoch, ja?“

      „Klar“, antwortete Jung Hasard. „Regenzeit ist jetzt. Monsunregen.“

      „Jetzt Regenzeit. Wasser im Fluß, weit weg, viel höher als Meer, ja?“

      „Können wir verstehen. Aber – bei Alleppey kein Fluß?


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