Asiaten! Ein Liebesroman aus zwei Welten. Artur Hermann Landsberger

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gesetzt, zögerte aber noch, zu unterschreiben.

      Hana ging auf sie zu und sagte:

      „Liebe Omasan, die Menschen sind so gut zu mir.“

      „Sie wollen, daß ich dich in ihre Obhut gebe.“

      „Ich weiß. Sie wollen, daß ich reich und glücklich werde.“

      „Das sagen sie. Und ich glaube es auch.“

      „Dann sage ich ‚ja‘!“

      Omasan fügte in das Schriftstück die Worte ein „mit Hana Tatsumis Willen“, setzte ihren Namen darunter und ließ Hana mit unterzeichnen. Dann erhob sie sich und rief Shima Mataumoto.

      Die kam, rot vor Erwartung, und las in Omasans Gesicht sofort, wie die Entscheidung gefallen war. Hana wurde noch einmal hinausgeschickt.

      „Hier,“ sagte Omasan, als Hana draußen war, und hob das Schriftstück hoch, „Sie hat eingewilligt.“

      „Sie wird es nicht zu bereuen haben.“

      „Was den Kaufpreis anbelangt, so sind 500 Yen natürlich eine viel zu geringe Summe.“

      „Ich bin bereit, sechshundert zu zahlen.“

      „Fünfzehnhundert — und nicht einen Yen darunter!“

      Shima Mataumoto wurde rot vor Zorn, den sie nur mühsam unterdrückte.

      „Sie wollen mich ruinieren!“

      Ich sage mir, je höher der Preis ist, um so größer wird die Sorgfalt sein, die Sie auf das Kind verwenden.“

      „Ich schwöre Ihnen, daß ich für tausend Yen dieselbe Sorgfalt ....“

      „Die fünfzehnhundert sind mir eine bessere Gewähr.“

      „Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht einmal solch hohen Preis bezahlt!“

      „Sie haben auch in Ihrem ganzen Leben noch nie so ein Geschöpf in Ihre Hand bekommen!“

      „Teilen wir uns die Differenz.“

      „Ich handle nicht.“

      Shima Mataumoto gab nach.

      „Sie verstehen Ihr Geschäft,“ sagte sie bösartig und füllte einen Scheck aus.

      „Ich hoffe sehr, daß ich sie nicht zu billig weggegeben habe,“ erwiderte Omasan und erhob sich.

      Die Trennung von Hana vollzog sich dank der Kühle, die Omasan vortäuschte, in aller Ruhe.

      „Laß oft von dir hören,“ sagte Omasan. „Du wirst vermutlich eine Bindung auf längere Zeit eingehen. Vor dem Schlimmsten bist du bewahrt. Ich errichte dir morgen auf der Hokkaido Colonization Bank ein Konto in Höhe von ...“ — sie rechnete die von Yamakana erhaltenen fünfhundert Yen dazu — „von zweitausend Yen, über die du jederzeit verfügen kannst.“

      „Wo kommt das Geld her?“ fragte Hana.

      „Du hast dich bei niemandem dafür zu bedanken — am allerwenigsten bei mir!“

      Omasan, sonst so beherrscht, fühlte, wie schwer ihr die Trennung wurde.

      „Leb’ wohl, mein Kind!“ sagte sie schluchzend. „Sei glücklich, hörst du? — und vergiß mich nicht.“

      Sie wankte hinaus.

      Hana stand und sah ihr nach. — Sie war längst aus dem Hause, da rief Hana — und es klang wie ein Hilferuf, der nicht mehr zu ihr drang: „Omasan!“

      5

      Shima Mataumoto gehörte, wie sich erst jetzt herausstellte, das Haus, in dem die alte Masu Shuto wohnte. Sie besaß mehrere solcher Häuser in Tokio und Yokohama. Sie vermietete sie an reiche Japaner oder deren Geishas für jede beliebige Zeit. Sie ließ sie von Frauen verwalten, die selbst früher Oirans oder Geishas gewesen waren. Sie selbst ging im Shin-Bashi und Yanagy, neuerdings auch in den wieder errichteten Häusern Yokohamas ihrem Berufe nach. Die Häuser, die sie besaß und bediente, wahrten nach außen den Charakter eines Teehauses, waren in Wirklichkeit aber bessere Yoroyas, und die darin untergebrachten Mädchen waren Oirans, die der Bildung und dem Aeußern nach aber für Geishas gelten konnten. Auch den Gästen gegenüber gab sie sie dafür aus. Sie hatte ein kleines Autocar, das sie trotz ihrer fünfzig Jahre selbst lenkte, und genoß das Vertrauen aller Geishas, denen sie die Freundin, oft sogar die Mutter ersetzte. Ueberall half sie, und so entwickelt ihr Geschäftsgeist war, immer hatte sie außer guten Ratschlägen auch Geld, wenn eine ihrer jungen Freundinnen krank oder in Not war. Bei Unzufriedenheiten und Streitigkeiten war sie den Mädchen und den Besitzern der Häuser als Vermittlerin willkommen. Sie war unbestechlich und hatte einen Verstand, der so lang war wie das schöne Haar der berühmten Doirin Fukuka, wegen der sich schon zwei Japaner das Leben genommen hatten. Nie ging ihr die Zigarette aus, und trotz Beschwerden in den Nieren, einer Folge ihres zum Stehen nötigenden Berufes, gab es keine Frisur, bei der sie nicht ihr Kännchen Sake leerte. Trotzdem blieb sie schlank und flink wie die jüngste Geisha, mit denen sie scherzte und um die Wette tanzte.

      Sie faßte den Beruf ihrer Mädchen als den natürlichen Weg zum sozialen Aufstieg der Frau mittleren und niederen Standes auf. Sie kannte das Leben von hunderttausend Japanerinnen, die Leben und Gesundheit in den Fabriken opferten und, wenn sie müde, alt und langsam wurden, als Bettlerinnen auf die Straße flogen. Sie stand oft stundenlang an den Ausgängen der Fabriken und nahm sich schwacher Mädchen an. Gewiß, mit der Absicht, sie ins Freie — so nannte sie das Leben der Geishas und Kurtisanen — zu führen. Oft aber aus Menschenliebe. Und sie half ihnen auch, wenn ihr Versuch an der Moral der Mädchen oder dem Widerstande der Eltern scheiterte.

      Im Verkehr mit Frauen, die den Verkauf von Mädchen lediglich als Gewerbe betrieben, war sie schlau und zurückhaltend. Sie mochte sie nicht. Auch in Omasan sah sie lediglich die Kupplerin. Bedenken, die Omasan bei dem Verkauf Hana Tatsumis geäußert hatte, nahm sie nicht für ernst, die Hemmungen für Heuchelei. Ja, sie fürchtete, daß Omasans Einfluß durch die Trennung noch nicht gebrochen war. Ihr erstes Bemühen war, Hana ihrer bisherigen Beschützerin zu entfremden.

      Noch am selben Abend setzte sie Hana in ihr Auto, wickelte sie in Decken und fuhr mit ihr nach Tokio. Sie rasten eine Strecke lang neben der elektrisch betriebenen Eisenbahn her, die von Yokohama nach Tokio fuhr. Hana zitterte anfangs. Aber die Ruhe, mit der Shima, die brennende Zigarette im Mund, am Steuer saß, nahm ihr schnell jede Furcht. Sie schrie zwar auf, wenn in einiger Entfernung vor dem Wagen Menschen den Fahrweg kreuzten oder ein paar Hühner erschrocken in die Höhe flatterten. Aber es bereitete ihr diebische Freude, wenn sie den Eisenbahnzug, der ihnen eben entwischt war, an den Stationen überholten, um schließlich vor ihm die ersten Häuser der Riesenstadt zu erreichen.

      Das Haus, in dem Shima Mataumoto in Tokio wohnte, glich dem in Yokohama, wenngleich es stabiler war und weniger den Eindruck machte, für den Augenblick erbaut zu sein. Auch sah es innen wohnlicher aus. — Zwei junge Mädchen kamen, als das Auto hielt, aus dem Hause gelaufen, hübsch gepflegt und etwa in Hanas Alter. Sie begrüßten Shima freudig und stutzten, als sie in Decken gehüllt Hana in dem Wagen sahen.

      „Ratet einmal, Kinder, was ich heute mitgebracht habe?“ rief Shima Mataumoto, deren Stimme jetzt weicher und wärmer klang, und zog den Plaid so hoch, daß von Hana überhaupt nichts mehr zu sehen war.

      „Ein Kätzchen mit vielen, vielen Jungen!“ riet die eine der Mädchen belustigt, während die andere in die Hände klatschte und rief:

      „Eine Puppe, die laufen und sprechen kann.“

      „Stimmt!“ erwiderte Shima und zog den Plaid zurück — vorsichtig, wie zuvor, um Hanas Frisur nicht zu verderben. „Die schönste Puppe aus ganz Japan! — Steh auf, mein Kind,“ sagte sie zu Hana. „Deine Schwestern wollen dich betrachten.“

      Die beiden Mädchen traten nahe heran und beschauten Hana wie ein Wunder. Dann nahmen sie sie bei der Hand und zogen sie in das Haus. Helles Lachen drang zu Shima, die noch am Wagen stand. Deutlich unterschied sie das Lachen und erkannte freudig


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