Das Ende des Wachstums. Richard Heinberg

Das Ende des Wachstums - Richard Heinberg


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Ein externer Effekt tritt auf, wenn Produktion oder Konsum einer Partei direkt das Wohlergehen einer anderen Partei beeinflussen, wobei »direkt« meint, daß der Effekt keinen Preis hat (er ist extern vom Markt). Der Schaden, den Abholzung und Bergbau an Ökosystemen anrichten, ist ein externer Effekt, weil er nicht in den Preis für Nutzholz und Kohle einfließt. Es gibt auch positive externe Effekte (wenn manche Menschen organischen Landbau betreiben, werden auch andere, die organische Nahrungsmittel weder anbauen noch essen, vom generellen Rückgang der Pestizidbelastung der Umwelt profitieren). Leider sind negative externe Effekte sehr viel häufiger, weil Unternehmen sie als wirtschaftliche Schlupflöcher nutzen, durch die sie jede denkbare Art von Verschmutzung und mißbräuchlicher Nutzung loswerden können. Die Unternehmen behalten die Gewinne und überlassen es der Gesellschaft, den Dreck zusammenzukehren.

      •Mainstream-Ökonomen behandeln das Aufbrauchen von Ressourcen als Einkommen und ignorieren den Eigenwert der Ressourcen. Wenn der Besitzer eines alten Waldbestandes die Bäume fällt und das Holz verkauft, registriert der Markt vielleicht, daß der Wert des betreffenden Stückes Land sinkt, aber der sonstige ökologische Schaden gilt als externer Effekt. In diesem Fall wurden unersetzliche biologische Vermögenswerte liquidiert, das heißt, daß diese Werte für künftige Generationen verloren sind. Aus der Perspektive des Ökosystems verhält sich eine Volkswirtschaft, die die Ausbeutung nichterneuerbarer Ressourcen nicht massiv besteuert, wie ein Arbeitsloser, der eine Erbschaft verpulvert.

      •Mainstream-Ökonomen betrachten die Menschen als Produzenten und Konsumenten – und sonst nichts. Das theoretische Einheit Wesen Homo oeconomicus handelt rational, um soviel Reichtum wie möglich zu erwerben und so viele Dinge wie möglich zu konsumieren. Großzügigkeit und Selbstbeschränkung sind (nach dieser Theorie) irrational. Anthropologische Belege für nichtökonomische Motive bei Menschen werden einfach beiseite gewischt. Leider tendieren die Menschen dazu (mindestens bis zu einem gewissen Grad), so zu handeln, wie man es von ihnen erwartet und wie sie konditioniert sind, und so wird der Homo oeconomicus zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.

      Konjunkturzyklen, Zinssätze und Zentralbanken

      Wir haben sehr kurz eine Geschichte der Wirtschaftssysteme präsentiert und der ökonomischen Theorien, die erfunden wurden, um sie zu erklären und zu lenken. Aber nun fehlen noch viele Details, damit wir verstehen, was heute in der Weltwirtschaft passiert. Und von diesen Details haben viele mit dem dramatischen – offensichtlichen und weniger offensichtlichen – Anwachsen der Schulden in den letzten Jahrzehnten zu tun. Die moderne Verschuldung muß im Licht wiederkehrender Konjunkturzyklen gesehen werden, die die wirtschaftliche Tätigkeit in modernen Industriegesellschaften prägen, und im Zusammenhang mit den Zentralbanken, die errichtet wurden, um die Zyklen zu steuern.

      Wir haben bereits gesagt, daß die Länder gelernt haben, das von fossilen Brennstoffen getriebene Wachstum ihrer Realwirtschaften zu unterstützen, indem sie durch das Mindestreserve-Bankwesen die Geldversorgung steigerten. Als das Geld zunehmend aus der Bindung an einen physischen Wert (zum Beispiel Edelmetalle) herausgelöst wurde, fand Geldschöpfung durch die Kreditvergabe von Geschäftsbanken statt. Damit war die Versorgung mit Geld vollkommen flexibel – es konnte so viel geschaffen werden, wie gebraucht wurde, und die in Umlauf befindliche Geldmenge konnte schrumpfen oder expandieren. Das Geldwachstum war an das Wachstum von Schulden geknüpft.

      Dieses System ist dynamisch und instabil. Die Instabilität schlägt sich in Konjunkturzyklen nieder, die – etwas vereinfacht dargestellt – so aussehen:12 In der Expansionsphase erscheint die Zukunft den Unternehmen rosig, sie nehmen Kredite auf, um ihre Produktionskapazitäten zu erweitern und neue Arbeitskräfte einzustellen. Weil viele Unternehmen gleichzeitig so handeln, geht das Angebot an Arbeitskräften zurück; um die besten Arbeitskräfte zu bekommen und zu halten, müssen die Unternehmen deshalb die Löhne erhöhen. Dank steigender Löhne haben die Arbeitskräfte/Konsumenten mehr Geld in der Tasche, und das geben sie für die Produkte aus, die die Unternehmen herstellen. Das steigert die Nachfrage, die Unternehmen blicken noch optimistischer in die Zukunft, nehmen noch mehr Kredite auf, bauen ihre Produktionskapazitäten noch weiter aus und stellen noch mehr Arbeitskräfte ein … und so geht es weiter. In der allgemeinen Euphorie verschulden sich Arbeitnehmer in der Erwartung, daß ihre Löhne weiter steigen werden, so daß sie ohne weiteres ihre Kredite zurückzahlen können. Die Immobilienpreise klettern, weil die Nachfrage zunimmt (Mieter entscheiden für sich, daß sie nun eine Wohnung kaufen können), und das bedeutet, daß die Häuser als Sicherheit für die Kredite mehr wert sind. Das ganze Leihen und Ausgeben erhöht sowohl die Geldmenge wie die »Umschlagsgeschwindigkeit« des Geldes – das Tempo, in dem es immer wieder ausgegeben wird.

      An einem bestimmten Punkt ändert sich jedoch die Stimmung im Land. Die Unternehmen haben so viel Produktionskapazität geschaffen, wie sie in absehbarer Zeit brauchen werden. Sie haben so viel Schulden, wie sie noch bewältigen zu können glauben, und neue Arbeitskräfte brauchen sie nicht mehr. Der Druck in Richtung Lohnerhöhungen hört auf, was dazu beiträgt, den allgemeinen Optimismus im Hinblick auf die Wirtschaft zu dämpfen. Die Arbeitnehmer zögern, sich noch mehr zu verschulden, und konzentrieren sich stattdessen darauf, vorhandene Schulden zurückzuzahlen. Oder sie können im schlimmsten Fall, wenn sie ihre Arbeitsplätze verloren haben, womöglich ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen oder erklären sich gar bankrott. Weil weniger Kredite vergeben werden, wird weniger Geld geschöpft; weil frühere Kredite entweder zurückgezahlt werden oder ausfallen, verschwindet Geld aus dem System. Die Geldmenge schrumpft in einer sich selbst verstärkenden Spirale.

      Aber wenn die Menschen in der Abwärtsbewegung des Zyklus ihre Sparquote erhöhen, werden sie sich irgendwann sicherer fühlen und wieder bereit sein, Geld auszugeben. Außerdem haben die Unternehmen ihre überschüssigen Kapazitäten aufgelöst und ihre Schuldenlast abgebaut. Damit ist die Bühne für die nächste Expansionsphase bereitet.

      Konjunkturzyklen können sanft verlaufen oder rauh, ihr Timing ist zufällig und weitgehend unvorhersehbar.13 Außerdem sind sie umstritten: Die Ökonomen der Österreichischen und der Chicagoer Schule glauben, daß Konjunkturzyklen sich selbst regulieren, wenn sich Regierung und Zentralbanken (über die wir weiter unten sprechen werden) nicht einmischen. Keynesianer glauben, daß sie sich nur teilweise selbst regulieren und gesteuert werden müssen.

      Im schlimmsten Fall bildet sich auf dem Höhepunkt eines Konjunkturzyklus eine Blase, und der Abschwung endet in einer Rezession oder gar Wirtschaftskrise. Eine Rezession ist ein Rückgang auf breiter Front beim BIP, bei der Beschäftigung und beim Handel über einen Zeitraum von einem halben bis zu einem Jahr. Eine Wirtschaftskrise ist ein hartnäckiger Schrumpfungsprozeß der wirtschaftlichen Aktivität über Jahre hinweg. Eine Blase im engen Sinn besteht aus Handel mit hohen Volumina und hohen Preisen, die in einem erheblichen Mißverhältnis zum eigentlichen Wert der gehandelten Dinge stehen, aber der Begriff wird auch allgemeiner verwendet als Bezeichnung für jede rasche Ausweitung von Geld oder Kredit, die langfristig nicht nachhaltig ist. Blasen enden immer mit einem Crash: einem raschen, massiven Wertverlust der entsprechenden Anlagen.

      Zinsen können eine wichtige Rolle bei Konjunkturzyklen spielen. Wenn die Zinssätze niedrig sind, werden sowohl Unternehmen wie Privatleute dazu neigen, mehr Kredite aufzunehmen; sind die Zinsen hoch, ist es teuer, neue Schulden zu bedienen. Wenn das System mit Geld geflutet wird, geht der Preis des Geldes (der Zinssatz) natürlich tendenziell zurück, und wenn Geld knapp ist, steigt sein Preis – beide Effekte verstärken den jeweiligen Trend noch.14

      Im 19. Jahrhundert gab eine Reihe von Finanzkrisen, weil die Banken weitgehend unbehindert von Aufsicht Geld schöpfen konnten, das Konjunkturzyklen antrieb und Blasen entstehen ließ. Als Reaktion darauf schlossen sich die Banker in vielen Ländern zu Interessengruppen zusammen und übten Druck auf die Regierungen aus, damit Zentralbanken erlaubt werden sollte, die nationale Geldversorgung zu steuern. In den Vereinigten Staaten wurde die Federal Reserve (die »Fed«) 1913 vom Kongreß autorisiert, als Zentralbank des Landes zu agieren.

      Die wesentliche Rolle von Zentralbanken wie der Fed ist es, die Geldpolitik eines Landes zu steuern, die Stabilität des Finanzsystems zu erhalten und finanzielle Dienstleistungen


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