Das Geheimnis von Fuensanta - Krimi. Rudolf Stratz
diesen Kampf mit ihr bis zum bitteren Ende zu führen!“
„Darf ich bitten, jetzt die Privatgespräche beiseite zu stellen!“ sagte herantretend, durch das Kollern der Erdbrocken, der Richter. „Herr Vohwinkel, da Sie nun schon einmal da sind, wollen wir die Zeit bis zur Beendigung der Ausgrabung nutzen und den Herrn Medizinalrat, für seine Untersuchung nachher, ein wenig über den Fall orientieren! Also Sie befanden sich, jetzt gerade vor ungefähr einem Jahr, mit Ihrer Gattin in Spanien?“
„Ja. In einem kleinen Dorf, eigentlich einer Palmenoase aus der Maurenzeit, in der südspanischen Provinz Murcia!“
„War es denn da, im Sommer, nicht blödsinnig heiss?“
„Es herrschte eine afrikanische Temperatur! Man nennt diese Gegenden im Spanischen die Bratpfanne!“
„Und in diese Bratpfanne mussten Sie hinein?“
„Auf Drängen meiner Frau. Eigentlich wollte sie nach Afrika. Das war im Juni ganz unmöglich. So bot ich ihr Südspanien als Ersatz!“
„Warum gingen Sie denn nicht lieber mit Ihrer Gattin irgendwohin, wo es nett war — nach Heringsdorf — oder Norderney — oder meinetwegen an den Lido?“
„Sie haben meine Frau nicht gekannt!“ sagte der Architekt Vohwinkel langsam. „Sie war äusserlich der verhätschelte Liebling ihrer ganzen Umgebung, innerlich ein zerrissener, ewig suchender, ewig sich nach irgend etwas sehnender Mensch. Sie hatte alle Möglichkeiten, glücklich zu sein, und fand das Glück nie und schob die Schuld daran allen anderen Dingen und Menschen, nur nicht sich selber zu. So war ihr, jetzt vor einem Jahr, auf einmal alles um sie herum, hier im gewohnten Geleise des Lebens, verhasst. Sie war in einer krankhaften, nervösen Stimmung. Nur fort! Fort! Aus Berlin! Aus Deutschland! Womöglich aus Europa! An irgend einen ganz entlegenen Ort am Ende der Welt . . .“
„. . . aber mit Ihnen zusammen?“
„Das eben war ja der Zweck dieser . . . dieser Flucht in die Wüste — möchte ich sagen . . .“
„Herr Vohwinkel, ich verstehe nicht ganz! Sie und Ihre Gattin lebten doch auch in Berlin beieinander . . .“
Der Architekt Vohwinkwl schwieg eine Weile. Auf seinem schönen, etwas verächtlichen Gesicht kämpfte ein Entschluss.
„Es war die Eifersucht!“ sagte er dann. „Es ist ja kein Geheimnis: ich gelte — natürlich masslos übertrieben — für einen Mann, der viele Erfolge beim andern Geschlecht hat — sogar dann, wenn er sie nicht sucht! Das bildete, wie alle Welt, auch meine Frau sich ein, weil es ihr von allen Seiten eingeredet wurde. Das war ihr Kummer — das war ihre fixe Idee. Ihre Hoffnung: sie wollte mich einmal ganz für sich haben — ohne irgend einen Dritten! Oder vielmehr eine Dritte! Wochenlang! Dann würde alles gut. Ich tat ihr den Willen. So gerieten wir in dieses Stück Spanien, das unbekannter ist, als manches Land in Afrika.“
„Wie lange waren Sie im ganzen verheiratet, Herr Vohwinkel?“
„Zwei Jahre.“
„Nun — und in diesem Dorf — ich kann mir den Namen nicht merken . . .?“
„In Fuensanta wohnten wir einige Wochen in der einzigen vorhandenen Fonda Parador de San Joaquin. In dieser Maultiertreiber-Herberge muss meine Frau etwas gegessen haben, was ihr bei der glühenden Hitze nicht bekam. Sie erkrankte schwer. Der Arzt dieses Distriktes, Doktor Francesco-Javier Muñoz y Macha, konnte sie nicht retten. Sie starb innerhalb von achtundvierzig Stunden. Der von dem Doktor ausgestellte amtliche Totenschein befindet sich bei Ihren Akten. Ich erfüllte in Spanien alle Formalitäten. Ich machte dem Alkalden und dem Pfarrer, Don Luis Jesus Maria Bustillo, Anzeige. Die Einsegnung der Leiche musste bei der grossen Hitze rasch erfolgen. Ich erwirkte von den spanischen Behörden die Erlaubnis zur Überführung des Sarges nach Deutschland und bestattete ihn, nach Erfüllung aller hiesigen gesetzlichen Vorschriften, hier an Ort und Stelle. Man kann nicht umsichtiger, korrekter und pietätvoller verfahren, als ich es tat. Mich trifft wahrlich nicht der Schatten eines Vorwurfs.“
„Und — damit wir uns ganz richtig verstehen — dieser Sarg hier unten in der Tiefe ist der, den Sie selbst aus Spanien überführten . . .?“
„. . . und den ich vor meinen Augen hier in der Erde versinken sah!“
„Gut — dann müssen wir diesen Sarg jetzt noch einmal auf kurze Zeit aus der Erde ans Tageslicht bringen!“
2
Zwischen dem lockeren Erdgeröll in der Tiefe blinkten jetzt schon an einzelnen Stellen die verrosteten Flächen eines Zinksarges. Die Arbeiter knieten in Hemdärmeln und bastelten mit Stahltrossen, die sich wie dünne Schlangen in ihren Fäusten wanden, und knüpften sie um den noch halb unsichtbaren, schweren Metallkasten da unten. Der Medizinalrat hatte sich steifbeinig rücklings in die Grube rutschen lassen, sammelte dort Sand- und Lehmproben und stopfte sie in ein verschraubbares Aluminiumgefäss. Der Untersuchungsrichter und der Gerichtsschreiber sahen ihm zerstreut zu. Der Architekt Vohwinkel stand neben ihm so ruhig, als ginge ihn die ganze Sache nichts an. Der Rechtsanwalt Burhem lief ungeduldig mit kleinen, schnellen Schritten auf und ab. Plötzlich machte er jäh halt und schnalzte ärgerlich mit der Zunge.
„Das hat gerade noch gefehlt!“ murmelte er nervös. Er schob mit einem flüchtigen „Pardon!“ den Protokollführer beiseite und eilte den Kiesweg entlang. Von der Hauptallee her näherte sich da, flüchtigen und energischen Schrittes, eine junge Dame im weissen Sommerkleid und Strohhut mit weissem Band auf dem kurzen, dunkelblonden Haar. Sie war mittelgross, von sportschlanker, aber kräftiger Gestalt, nicht hungerdünn, sondern mit den Umrissen ihres Geschlechts. Ihr hübsches Gesicht war von festem Schnitt, mit dem sachlichen kühlen Ausdruck des modernen Mädchens. Sie hatte den Mund atemlos halb offen. Sie richtete ihre hellbraunen Augen zornig auf den Rechtsanwalt. Sie rief schon von weitem mit heller erregter Stimme: „Das ist ja wirklich reizend von Ihnen, Herr Doktor!“
„Sind Sie denn verrückt geworden, Fräulein Matteis?“
„Sie geben mir mit keinem Wort Nachricht, dass heute die Exhumierung stattfindet! Zufällig habe ich es vorhin erfahren! Ihr Chauffeur hat es gestern abend unserm erzählt und der wieder meinem Mächen! Und die entschloss sich schliesslich, mich heute bei Sonnenaufgang zu wecken und mir’s ins Ohr zu schreien . . .“
„Und da sind Sie hier heraus . . .?“
„Da bin ich!“
„Sie werden doch nicht die wahnsinnige Idee haben, sich . . . sich mit dahin stellen zu wollen . . .?“
„Nein. Das natürlich nicht!“ Male Matteis wurde etwas blass. Sie war noch immer ausser Atem. „Aber irgendwo in der Nähe muss ich bleiben und erfahren, was vorgeht . . .“
„Sie hätten zu Hause bleiben sollen . . .“
„Ich halte es zu Hause nicht aus! Ich bin viel zu aufgeregt!“
Die Hitze auf Male Matteis Wangen kehrte wieder. „Da . . . da haben wir’s ja . . . Na also . . .“ Ihre braunen Augen leuchteten feindselig auf. Sie deutete mit der Hand den Weg hinab. „Ich wusst’ es ja . . . da steht er!“
„Es war unmöglich, Ihren Schwager zum Weggehen zu bewegen . . .“
„Wenn er nicht da wäre, würde ich auch wieder weggehen! Aber ich hab’ es mir ja gedacht! . . . Deswegen hat’s mich ja hier hinaus getrieben! Solange er da ist, halte ich mich auch hier irgendwo in der Nachbarschaft! Ich räume ihm nicht das Feld! Gott weiss, was er angibt, wenn er freies Spiel, ohne mich, hat . . .“
„Er wird ja gar nicht gefragt! Es handelt sich jetzt nur um den Sarg . . .“
„Ach — er mischt sich doch ein . . . er redet . . . er gibt Erklärungen ab. Er streut dem Gericht Sand in die Augen. Das tut er bei allen Menschen. Das hat er auch bei meiner armen Schwester getan. Mir macht er nichts vor! . . . Ich kenn’ ihn! Sehen Sie nur, wie er sich bei meinem Anblick achselzuckend abwendet! Ich komme ihm hier sehr ungelegen! Das weiss ich!“
„Wie sind Sie