ACT in Klinik und Tagesklinik. Группа авторов
& Hofmann 2018, Hofmann & Hayes 2019).
Therapeutische Prozesse sind die zugrundeliegenden Veränderungsmechanismen, die zur Erreichung eines angestrebten Behandlungsziels führen. Dabei handelt es sich um eine Reihe von theoretisch begründeten, dynamischen, fortschreitenden und mehrstufigen Veränderungen, die in vorhersehbaren, empirisch ermittelten Reihenfolgen ablaufen und auf die von den Klientinnen und Klienten festgelegten erwünschten Ergebnisse ausgerichtet sind. Diese Prozesse sind in Modelle integriert, die evidenzbasierte Verfahren oder Kernprozesse spezifizieren, welche diese Prozesse adressieren können. Wir sind der Ansicht, dass ein solcher prozessbasierter Ansatz der Schlüssel für die Zukunft der evidenzbasierten Versorgung ist. Konsensbasierte Diskussionsprozesse innerhalb der KVT sind zu ähnlichen Schlussfolgerungen gekommen (Klepac et al. 2012).
Dieses Ziel ist an sich nicht neu. Die Fokussierung auf Prozess, Funktionsanalyse und individuelle Ziele war schon charakteristisch für die Anfänge der Verhaltenstherapie. Was sich geändert hat, sind die inzwischen verfeinerten Analyseinstrumente und die umfangreichere Wissensbasis, auf die man bei der neu aufgeworfenen Grundsatzfrage der evidenzbasierten Therapie nun zurückgreifen kann. Wir vertreten die Auffassung, dass PBT sich schnell zum entscheidenden Kern von KVT und EBT selbst entwickelt (Hayes & Hofmann 2018, Hofmann & Hayes 2019).
1.2 Modelle der prozessbasierten Therapie
KVT und EBT bieten eine Vielzahl von wichtigen therapeutischen Methoden und Prozessen für Klientinnen und Klienten wie Kontingenzmanagement, Stimuluskontrolle, Verhaltensausformung (shaping), Senkung des Erregungsniveaus, Aufmerksamkeitsflexibilität, Bewältigungstrategien (coping) und Emotionsregulation, Problemlösung, Verhaltensaktivierung, kognitive Flexibilität und Neubewertung, Defusion/Distanzierung, Auseinandersetzung mit inneren Glaubenssätzen, psychische Akzeptanz, Werte, Achtsamkeit, Motivationsstrategien u. ä. (Hayes & Hofmann 2018; vgl. Klepac et al. 2012). Wenn wir keine Modelle für DSM-Störungen erstellen wollen, brauchen wir eine relativ kleine Auswahl von therapeutischen Prozessen, die kohärent organisiert sind. In der Forschungsliteratur wurde für ein- bis zweihundert Konzepte und Maßnahmen festgestellt, dass sie auf ein breites Spektrum von Problembereichen anwendbar sind. Für Praktikerinnen und Praktiker ist eine so umfangreiche Liste wenig hilfreich. Stattdessen braucht es Modelle und Theorien, die Therapeutinnen und Therapeuten ihre Aufgabe vereinfachen.
Die benötigten Modelle müssen mehrere wesentliche Merkmale aufweisen (Hofmann & Hayes 2019). Im Folgenden sind die dazugehörigen Schlüsselbegriffe fett hervorgehoben, damit wir im nächsten Abschnitt ihre Anwendbarkeit auf die ACT überprüfen können.
In einer Ära der PBT müssen Modelle auf einige klar definierte philosophische Annahmen zugeschnitten sein und sich durch breite Anwendbarkeit bei verschiedensten Problemen, Zielen, Settings, Anwendungsformaten und Kulturen auszeichnen. Die im Modell erfassten Prozesse müssen Schlüsseldimensionen menschlicher Erfahrung berücksichtigen, darunter Kognition, Emotion, Aufmerksamkeit, Selbst, Motivation und Verhalten. Im Idealfall konzentrieren sie sich nicht nur auf die Beseitigung von Problemen, sondern auch auf die Herstellung von Gesundheit.
Die Psychologie ist eingebettet in andere Analyseebenen – in Physiologie, Genetik, soziale Prozesse und Kultur –, und auf der psychologischen Analyseebene sollten die Modelle an keiner Stelle fundierten Forschungsergebnissen auf anderen Analyseebenen widersprechen. Da die Psychotherapieforschung zu den angewandten Wissenschaften zählt, müssen psychologische Konzepte veränderbar sein und so gut mit dem Kontext verknüpft, dass sie klinisch Tätigen eine Orientierungshilfe bieten, um die veränderlichen Merkmale von aktueller Situation und Vorgeschichte aufzudecken, die zur Erreichung von Fortschritten in der Therapie genutzt werden können. Für die in einem Modell festgelegten Prozesse muss regelmäßig ihre Wirkung als Mediatoren und Moderatoren der Therapieergebnisse in einem weiten Anwendungsbereich nachgewiesen werden. Die Relevanz dieser Prozesse für die Erreichung der Therapieziele der Klientinnen und Klienten sollte in naturalistischen Längsschnittstudien nachgewiesen werden, und nicht nur durch übliche Therapieforschung. Da die angewandte Wissenschaft im zeitlichen Verlauf keine Fortschritte macht, wenn sie nicht mit einer lebendigen Grundlagenwissenschaft verknüpft ist, müssen im Laufe der Zeit alle Schlüsselkonzepte mit empirischen Untersuchungen von hoher Präzision und großer Bandbreite im Versuchslabor verbunden werden.
Modelle müssen Prozesse ausreichend priorisieren, um klare Handlungsempfehlungen für den Einsatz evidenzbasierter therapeutischer Kernmethoden zu liefern – mit anderen Worten, sie müssen Richtlinien für die Fallkonzeption und Funktionsanalyse liefern. Das Testen der Therapiebausteine und Kernprozesse selbst sollte umfangreich sein und sich als theoretisch kohärent erweisen, wobei wir es befürworten würden, über die typischen (»Markenzeichen«-)Techniken hinaus auch andere einzusetzen, sofern sie zum Modell passen. Um ein Beispiel aus der ACT und der traditionellen KVT zu nennen: angenommen, die kognitive Defusion ist ein positives Prozessziel und es hat sich beispielsweise gezeigt, dass kognitive Neubewertung dazu beiträgt, die Fähigkeit zur Defusion zu entwickeln, dann sollte es für ACT-Anwenderinnen und -Anwender nicht »gegen die Regeln« verstoßen, diese Methode als Mittel zur Veränderung des kognitiven Aspekts psychischer Flexibilität einzusetzen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass ein Ansatz, der rein technisch definiert ist und keinen Bezug zu einer Reihe von überprüfbaren Veränderungsprozessen aufweist, keine Form von PBT sein kann. Wenn es jedoch bei bestimmten Vorgehensweisen Inkompatibilitäten aufgrund mangelnder Passung mit dem Modell gibt, sollten auch diese klar benannt sein – d. h. die Modelle sollten Regeln sowohl im Sinne von Empfehlungen als auch von Ausschlüssen (im Sinne von Do’s and Dont‘s) beinhalten.
Konzepte müssen nachweislich auf der Ebene des Einzelnen (Klientin/Klient) und nicht nur einer Gruppe anwendbar sein. Ebenso müssen sowohl Prozesse als auch Messsysteme idiografisch, d. h. auf Einzelfallniveau auf ihre Eignung geprüft worden sein. Dies bedeutet, dass es Belege für ihren Nutzen in der Behandlung geben sollte, also dafür, dass die kohärente Ausrichtung bestimmter Prozesse innerhalb des Modells zu besseren Ergebnissen führt als wenn eine solche Kohärenz nicht gegeben ist.
Modelle müssen verschiedene weitere Faktoren berücksichtigen: die Rolle der therapeutischen Beziehung, die Gestaltung des Settings, den kulturellen Hintergrund und die Wirkung bei verschiedenen Formaten des Behandlungsangebots (z. B. online). Schließlich haben wir noch die Argumentation eingeführt, dass die Dimensionen und Ebenen, mit denen sich das Modell befasst, in einer Weise zu berücksichtigen sind, die die Schlüsseldimensionen dessen, wie sich Systeme entwickeln – ausgiebige Variation, Auswahl und Bewahrung im Kontext – fördert. Oder in Begriffen ausgedrückt, die im therapeutischen Kontext geläufiger sind: In jedem Bereich ist es wichtig zu wissen, wie man Veränderungen herbeiführt, ihre Funktion bewertet und fördert, Gewohnheiten durch Übung und Integration größerer Handlungsmuster entwickelt und dabei sicherstellt, dass Veränderungen in das Leben der Klientinnen und Klienten passen und nachhaltig sind.
In dem Maße, in dem diese Merkmale vorliegen, ist ein Modell dafür geeignet, anzuzeigen, wie man PBT gestaltet. Ein solches Modell umfasst nicht nur die technischen Therapievorgaben an sich, sondern die Therapiebausteine müssen so eingesetzt und bewertet werden können, dass sie den Zielen, Stärken und der Kultur der Einzelnen oder des Einzelnen in seinem Leben, so wie es verläuft, jederzeit gerecht werden.
Wenn sich die klinische Wissenschaft in diese Richtung bewegt, dürfte es zu einem Rückgang von spezifischen Therapien kommen, die durch eine Reihe von Techniken definiert sind, zu einem Rückgang der breit angelegten Therapieschulen, zu einem Anstieg überprüfbarer Modelle, zu einem Anstieg der Untersuchungen zu mediierenden und moderierenden Faktoren, zur Entstehung neuer diagnostischer Verfahren auf Grundlage von Funktionsanalysen, zu einem Wechsel von nomothetischen zu idiographischen Ansätzen sowie zu einer Ausrichtung auf Prozesse, die modifizierbare Elemente spezifizieren. Diese Veränderungen könnten verschiedene Therapierichtungen, Settings und sogar Kulturen integrieren oder überbrücken.
1.3 Die Zukunft der ACT als einer Form von PBT
Wir haben sehr hohe Maßstäbe angelegt, welche Modelle von PBT erfüllen müssen. Wenn mehrere Modelle dies leisten können, ist es höchst sinnvoll, sie miteinander zu vergleichen und die