Das Mädchen mit der Muschelkette. Peter Seeberg

Das Mädchen mit der Muschelkette - Peter Seeberg


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des Onkels an, sie wirkte traurig. Er sagte zu dem Onkel: »Onkel, sag deiner Frau, falls man ihr einmal ein Wolfsfell bringen sollte, so stammt es von ihres Mannes Brudersohn Arga-ir.«

      Er nickte bei seinen Worten und neigte den Kopf.

      Arga-ir folgte dem Steuermann und spürte ihre Blicke im Rücken. Sie kamen auf den breiten Weg vor dem Haustor, das durch das Gewicht eines großen, an einem Seil hängenden Steines von selbst zufiel.

      Männer, Frauen und Kinder waren unterwegs, es wimmelte wie in einem Fischschwarm. Da zogen Tiere hoch beladene Karren, wie sie es nannten, und wirbelten Staub auf. Die, die ihnen entgegenkamen, trugen Körbe mit verschiedenem Gemüse und mit Fleischstükken. Die, die mit ihnen gingen, hatten leere Körbe, stellte er fest.

      Als sie über die Brücke schritten, sah er, daß dort Netze an langen Stangen in den Fluß getaucht und mit Fischen gefüllt wieder herausgehoben wurden, mit kleinen Fischen, die er nie essen würde. Noch einen Winter und einen Sommer, und sie wären fett und gut.

      Von der Brücke aus erblickte er flußaufwärts in der Ferne den Wald, Wald bis dicht an den Fluß, und er fühlte eine Freude in sich aufsteigen, wie er sie lange nicht gespürt hatte. Dort war der Weg zurück.

      Auf der anderen Seite der Brücke wurde das Gewimmel noch dichter, und hier waren große steinerne Gebäude, die verschlossen aussahen. An den Eingangstüren standen Männer und öffneten bei allen, die hineinwollten, die Gewänder, warfen neugierige Blicke hinein.

      »Der Palast des Präfekten«, sagte der Steuermann, der sonst nichts sagte, sondern nur lächelnd voranging und ihnen einen Weg bahnte.

      Sie kamen über die nächste Brücke, die schmaler war. Von beiden Seiten drängten die Leute, und der Geruch, der von den Körben aufstieg, erstickte ihn schier.

      Auf der anderen Flußseite befand sich ein großer Platz, und die Menschenmenge dort war unheimlich. Er hätte nie gedacht, daß es so viele Menschen gäbe.

      In großer Zahl waren Marktstände aufgereiht, einer neben dem andern, mit Gemüse, Fleisch und Fisch im Überfluß. Da war ein Rufen, ein Schreien und Johlen, offenbar alles wegen der Waren. Seine Nase nahm den Geruch von Austern und Muscheln wahr, das Fleisch aber stammte von zahmen Bauerntieren, nirgends ein Hase, kein Hirsch, weder Ente noch Gans, obwohl sie jetzt fett genug sein mußten.

      »Nun sind wir bald am Ziel«, sagte der Steuermann und deutete den breiten, mit Holzbohlen belegten Weg hinunter. Am Ende des Weges war ein Gebäude mit einem Tor, das offenstand.

      Auf der einen Seite des Torhauses befand sich ein hoher Bretterzaun, und dahinter stieg an vielen Stellen Rauch auf, nicht von Holzfeuern, es war der saure Rauch der Holzkohle. Er vernahm den hellen Klang von Hammerschlägen, wie damals bei der Anlegestelle. Bei einem Blick durch den Zaun sah er von Asche verdreckte Männer in Gruben sitzen und mit großen und kleinen Hämmern schlagen, wobei sie mit der anderen Hand etwas Unsichtbares festhielten, und einer umklammerte mit zwei Stangen etwas Glühendes und hielt es dem, der hämmerte, hin. Ab und zu machten sie eine Pause, um in die Grube zu spucken, in der sie standen, oder um sich einen Schweißtropfen von Wange oder Schläfe zu wischen, und manchmal redeten sie während des Hämmerns sehr aufgebracht mit ihrem Gehilfen, als müßte es besser gemacht werden.

      Zwischendurch hoben sie das, woran sie arbeiteten, hoch, das eine Ding glich einem Speer, ein anderes einer Axt, und manche Gegenstände waren so klein, daß sie kaum für etwas brauchbar schienen. Aber dann beobachtete er, wie sich einer so einen kleinen Gegenstand auf die Brust hielt und laut lachend zu beiden Seiten Brüste andeutete, und er begriff, daß es sich um einen Schmuck für eine Frau handelte. Er dachte, daß er gerne der Bauerntochter so etwas mitbringen würde, vergaß es aber gleich wieder.

      Er hatte gar nicht gemerkt, daß er nur dastand und zuschaute, während der Steuermann ihn lächelnd beobachtete.

      »Das sind unsere besten Schmiede«, sagte der Steuermann. »Sie sind so gut wie die Schmiede von Damaskus.«

      »Ja«, erwiderte Arga-ir, »das sind Schmiede.«

      Sie gingen weiter zu dem Stadttor, obwohl Arga-ir noch länger hätte stehenbleiben und den Schmieden zuschauen können. Er überlegte, ob er wohl woanders wieder Schmieden begegnen würde und ob er dann vorbeigehen oder sich ihre Arbeit ansehen sollte.

      Sie waren am Tor angelangt, und der Steuermann wandte sich an einen Mann, der hier stand, und zeigte auf Arga-ir und redete über ihn. Der Mann am Tor nickte bloß, und der Steuermann winkte und sagte lächelnd zu ihm: »Du kannst gehen.«

      Er trat durch das Dunkel des Tores, ohne sich umzudrehen, aber der Steuermann rief hinter ihm her, und er mußte sich, gerade als er hinauskam ins Licht, umdrehen, und der Steuermann folgte ihm ins Licht und sagte: »Ich werde dir erklären, wie du gehen mußt.«

      Der Steuermann streckte den Arm aus und erklärte ihm, daß er viele Tage dem Fluß entlang gehen sollte, bis fast zu dessen Ursprung, und er sollte sich in acht nehmen und nicht die Bauern in ihren Dörfern erzürnen. Dann sollte er über einen Berg steigen, um dann erneut auf einen großen Fluß zu stoßen, dem er viele, viele Tage folgen sollte. An einer Stelle müßte er ihn überqueren, vielleicht mit einem Fischer, und dann sollte er – immer in Richtung Großer Bär – durch endlose Wälder und über Berge, wo es im Winter sehr kalt werden würde, gehen. Danach würden große Flüsse kommen und dann eine weite Ebene, wieder ein Fluß und wieder ebenes Land, das schmal war, und von da an wäre er auf dem Weg nach Hause.

      Arga-ir schwieg, er versuchte sich alles vorzustellen, aber es würde anders werden als beschrieben, Tag für Tag anders.

      Der Steuermann fügte lächelnd hinzu: »So verhält es sich.«

      Er drehte sich um und ging durch das Tor. Arga-ir schaute ihm einen Augenblick nach, dann wandte er sich dem Weg zu, dem er folgen sollte.

      3

      Der breite Weg, den er einschlug, führte durch abgeerntete Felder, auf denen Herden von Ziegen und Schafen grasten. Auf den Steinmäuerchen oder bei den Hecken hockten junge Burschen oder alte Männer, die die Tiere hüteten und dabei mit einem Stock spielten und laut riefen, wenn sich eines der Tiere zu weit von der Herde entfernte. Es war fast derselbe Ruf wie der, den er von den Bauern in seinem Land kannte. Ein Stück entfernt auf dem breiten Weg erhob sich eine Staubwolke, davor waren Ochsen zu erkennen, die einen Karren zogen, hoch beladen, und obendrauf saß ein Mann. Da sah er, wie ein Junge in der Staubwolke auftauchte, er schrie laut und schlug auf die Ochsen ein, erst auf den einen, dann auf den anderen, aber das machte ihnen nichts, sie hoben nur die Köpfe, rissen die Mäuler auf und zogen ein wenig mehr an.

      Arga-ir ging hinaus auf ein Stoppelfeld, die Stoppeln stachen ihn durch die verschlissenen Sohlen. Er ließ die Stadt hinter sich und wich der nächsten Herde aus, ging auf den Fluß und den fernen Wald zu.

      Er merkte, wie ihn die Hirten beobachteten, und einer jagte einen Hund auf ihn, doch als das Tier näher kam, machte es sich klein, und als er vorbeigegangen war, kehrte es zu seinem Herrn zurück, als sei nichts geschehen.

      Bei der ersten Hecke, durch die er kriechen mußte, wucherten Brombeerranken voller großer saftiger Früchte, die er unterwegs abzupfte; sie waren süß und stillten seinen Durst. Bei der nächsten Hecke war es genauso. Er blieb einen Augenblick stehen und pflückte, aß und behielt die grasenden Tiere und die Hirten im Auge.

      Endlich erreichte er den Waldrand, der überquoll von Brombeeren und großen Nüssen, größer als die, die er kannte. Ihre Schalen waren bereits braun, und sie waren kurz vor dem Herunterfallen. Hier unter den Bäumen schmauste er, knackte und knusperte er in einer Seligkeit.

      »Die beste Jahreszeit«, hatte Mutter immer gesagt und gelacht, während sie die nächsten beiden Nüsse nahm und knackte.

      Hier war Schatten, niemand konnte ihn sehen, er aber sah weit hinein in den Wald, in den das Licht hereinbrach und helle Flecken auf den Waldboden machte, der vom Laub, das von den hohen Bäumen gefallen war, glänzte. Vielleicht gab es große Vögel und Hirsche, die er bitten konnte, gut zu ihm zu sein.

      Er wanderte


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