Lachendes Asien!. Artur Hermann Landsberger

Lachendes Asien! - Artur Hermann Landsberger


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nicht mehr! — Wenn ich gewußt hätte, daß man auf einer Reise nach Asien so viel lacht.«

      »Wärst du dann zu Haus geblieben?« fragte ich.

      »Aber nein!« widersprach sie lebhaft. »Wenn die Portionen bei den Mahlzeiten dementsprechend sind, komme ich wie eine Lilie nach Hause.«

      Und als sie sich ein wenig beruhigt hatte, fragte sie noch immer lachend den Maestro:

      »Sagen Sie, wieviel Passagiere kann man in so eine Kiste verpacken, ohne daß sie ersticken?«

      »Das kommt auf die Temperatur an, die wir in den Tropen haben,« erwiderte der. »Gnädige Frau können Hitze gut vertragen?«

      »Was nennen Sie Hitze?«

      »Etwa 35—40 Grad.«

      »In der Sonne natürlich?«

      »In der Nacht.«

      »Wie denn ...? — Ja, womit messen Sie?«

      »Nach Celsius.«

      »Allmächtiger!«

      »Ziehst du es nicht doch vor, in Europa zu bleiben?« fragte ich.

      »Wo wir in Deutschland seit Jahren um den Sommer betrogen werden? Und ich Wäsche und Kleider habe, in denen man überhaupt nicht spürt, daß man etwas anhat.«

      Andernfalls tastete die Wände vergebens nach einem Schrank ab, in dem sie wenigstens die empfindlichsten Kleider unterzubringen gedachte, sie suchte für Schuhe und Wäsche vergebens nach einer Kommode, stellte fest, daß die Tür der Kabine zu schmal war, um den Schrankkoffer, der bei diesen Versuchen immer wieder von oben nach unten gekehrt wurde, hineinzuschaffen, und fragte schließlich den Maestro, ob es nicht möglich sei, bis zur Abfahrt am nächsten Abend noch bauliche Veränderungen auf dem Schiffe vorzunehmen.

      Der erste Offizier und der Commissario des Schiffes wurden hinzugezogen. Im Speisezimmer fanden gleich darauf Verhandlungen statt. Ein ausgezeichneter Chianti und Andernfalls’ gute Laune erzeugten bald eine Fröhlichkeit, in der Offizier, Commissario und Maestro wetteiferten, ihre Kabinen für Andernfalls’ Reisebedarf zur Verfügung zu stellen.

      Andernfalls akzeptierte sie sämtlich. Sie verteilte auch gleich die Rollen. Der erste Offizier wurde im Nebenamt Kleiderverweser, der Commissario hatte für die Unterbringung der Hüte und Wäsche, der Maestro für die tausendundein »petit riens« zu sorgen. Sie erhielten genaue Instruktionen, um während der Fahrt der Stewardesse die richtigen Gegenstände auszuhändigen.

      Meinen Einwand: »Wenn jeder weibliche Passagier soviel Umstände machte«, ergänzte Andernfalls:

      »So würde man sehr bald bessere Schiffe bauen,« während der Hut- und Wäscheverweser, der von nun ab nur noch im Nebenamte Commissario war, meinte: »Ich wünschte, wir hätten öfter Passagiere, für die wir so gern wie in diesem Falle ein kleines Opfer bringen.« — Und während der Maestro und die Stewardesse bis tief in die Nacht hinein Andernfalls’ Sachen unterbrachten, feierten wir mit dem Offizier und dem Commissario in der Stadt den Abschied von Europa.

      Vierundzwanzig Stunden später sticht das Schiff in See. An Bord außer uns ein Auslandsdeutscher aus China und ein junger Russe, der in Chemnitz mit einem Deutschen assoziiert ist und nun nach Ceylon und Bombay fährt, um — hört zu! — in Chemnitz fabrizierte seidene Schals an indische Handelshäuser zu verkaufen! Andernfalls ist entsetzt. Der indische Seidenschal, dem sie mit derselben Ungeduld entgegenzitterte wie ich der Bodhisattva, ist entthront.

      Der nächste Morgen Venedig! In Sonne getaucht. Wir halten einen Tag. Auf dem Markusplatz — in den Augen der südlichen Friedrichstadt Berlins »eine bessere Filmangelegenheit« — wimmelt’s von den vom Publikum heilig gehaltenen Tauben und den weniger heiligen Täubchen, die, auf der Hochzeitsreise, noch girren und nicht ahnen lassen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.

      Zweites Kapitel

      In Brindisi, das im Regen hingeklatscht wie ein großer Klecks dalag, füllte sich am übernächsten Tag das Schiff. Ein italienischer Hauptmann, der nach Massaua in Afrika versetzt ist — Neugier, die an Bord neben der Langeweile Triumphe feiert, sucht die Ursache zu ergründen —, sieben junge Nonnen aus Neapel, ein Franziskanerpater mit schwarzem Vollbart, ein belgischer Priester und Arzt, der schon fünfzehn Jahre als Missionar in China wirkt und Chinesisch wie seine Muttersprache spricht, ein Engländer und ein Amerikaner, die wir ebenfalls für Missionare halten, und außerdem ein paar indifferente Menschen, an denen einem höchstens auffällt, daß sie auffallen möchten. Sie sind auf ein falsches Schiff, in falsche Gesellschaft geraten. Was können sie hier erleben? Die Nonnen beten und lernen Chinesisch. Sie sind dabei lustig und überhören sich gegenseitig. Sie singen — nicht nur geistliche Lieder —, aber an Toiletten, auf die es den Indifferenten ankommt — ach, du lieber Gott — bieten sie nichts. Man hat ja wohl den Wunsch, diese feinen schmalen Gesichter auch einmal in anderer Umrahmung zu sehen. Aber zu Himmel und Meer paßt diese schlichte Natürlichkeit doch wohl besser als die raffinierten Dekolletées, mit denen die Indifferenten sich überbieten. Das empfindet auch Andernfalls. Obschon der erste Offizier ihr versichert, daß ihre Kleider nach Mitternacht Tänze in seiner Kabine aufführen und ihm unruhige Nächte bereiten — ich glaube das —, hält doch Scheu vor der Wucht, mit der Himmel und Meer sich ihr erschließen, und natürlicher Takt gegenüber den Schwestern sie zurück, sich zu putzen. Ja, ich stelle mit Vergnügen fest: die Dekolletees gehen ihr auf die Nerven. Begreiflich. Sie sprechen jetzt nicht nur über Mode und Margueritte, den sie »mondäner« als Maupassant finden (man sieht, auch das weibliche Gehirn der Sieger hat unter dem Kriege gelitten), sie machen — Allmächtiger! — auch in Politik und schwärmen — diese indifferenten Dekolletées aus New York, Chicago, Philadelphia, Budapest, Rom und Paris — für Lenin! — »Ein Mann endlich!« phantasieren sie. »Alle unsere Politiker sind ja nur Puppen.« — Und die perlenübersäte Amerikanerin fügt hinzu: »Und vor allem ein Herz für die Armen! Sehen Sie nur, wie entsetzlich!« — Während sie das sagt, beäugt sie durch die goldene Lorgnette ungeniert die armseligen Passagiere im Zwischendeck. Zusammengepfercht wie das Vieh Männer, Frauen, Kinder, die ohne ein Zelt über dem Kopf im Freien nächtigen. Ein unterhaltsames Schauspiel während des Desserts. Sie löst behutsam, um sich die gepflegten Finger nicht zu beschmutzen, von einer schweren blauen Traube Beere um Beere. Angestoßene oder nicht ganz reife wirft sie denen da unten zu und lacht hellauf, wenn Männer, Frauen und Kinder die Arme strecken, danach greifen, stürzen und sich wie ein zusammengeballtes Knäuel am Boden winden. Der Herr Gemahl, die schwarze Sumatra zwischen den Goldzähnen, überbietet die Gattin und wirft italienisches Kupfer. — Andernfalls steht abseits; mit geröteten Wangen; empört über diese Amerikaner, deren Beispiel Landsleute aus Chicago und Philadelphia folgen. Ich trete an Andernfalls heran und nehme ihre Hand.

      »Pack!« sagt sie, und ich habe Mühe, sie zurückzuhalten.

      Schon an diesem Abend scheiden sich die Welten. Die Schiffsoffiziere, Prachtkerls, die sich lieber den Seewind ins Gesicht schlagen lassen als Paquerettes und Coty, halten zu den Nonnen. Auch der China-Deutsche, der junge Russe und ein paar Holländer. Die Engländer sitzen im Salon und spielen Bridge. Die drei Missionare stehen am Vorderdeck und verständigen sich auf lateinisch. Sie streiten sich über die Methoden, auf die man aus den Chinesen Christen macht. Der Amerikaner meint, man müßte erst einmal Menschen aus ihnen machen und ihnen dann — dabei faltet er die Hände — die Segnungen der amerikanischen Kultur zuteil werden lassen. Der Engländer lächelt und fragt: »Worin besteht denn die?« — »Herr!« erwidert der Amerikaner, »in den Vereinigten Staaten ist mehr Geld als in allen Staaten Europas zusammen.« — »Macht man aus Geld Menschen?« fragt der Belgier. — »Es erleichtert die Arbeit,« erwidert der. — »Sie kaufen Seelen,« erklärt der Engländer und gibt damit zugleich dem Gefühl der Anderen Ausdruck. — Der Amerikaner erwidert: »Es kommt darauf an, Christen aus ihnen zu machen. Wie ist Nebensache.« — »Nicht aber Nebensache ist, was für Christen man aus ihnen macht,« erwidert der Belgier. — »Gibt es verschiedene?« fragt der Amerikaner mit verzücktem Augenaufschlag. — »Yes,« erwidert der Engländer. »Christen im Sinne der Bergpredigt und solche wie Sie!« — und kehrt ihm den Rücken.

      Andernfalls


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