Der Traum von Mann und Frau. Osho
in dieses Nichts hineingehen. Zuerst ist das Nichts negativ, seine äußerste Schicht, seine Schale ist negativ. Wenn man ein wenig tiefer geht, wird man die positive Negativität finden. Diese positive Negativität ist es, was Buddha nirvana, Erleuchtung, shunya nennt. Wenn man tiefer hineingeht und über die äußere Schale, den harten, negativen Teil, den dunklen Teil, hinausgegangen ist, dann ist da plötzlich Licht, ist die Nacht vorüber. Und dann fühlt man eine völlig neue Art von Alleinsein, die man noch nie zuvor gefühlt hat, und dann kennt man den Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein. In der Einsamkeit suchte man den andern; im Alleinsein ist der andere verschwunden und damit ist auch das Ego verschwunden. Jetzt ist niemand im Innern da, und niemand im Äußeren da, und alles ist eins. Diese Einheit, dieses absolute Einssein bringt Segen. Dann gibt es keine Angst mehr, unmöglich, denn jetzt kann es keinen Tod mehr geben – wo sollte die Angst herkommen? Der Tod ist schon eingetreten; das, was sterben konnte, ist schon gestorben. Jetzt bist du in der Welt der Unsterblichkeit, hast du das Elixier gefunden.
Dies ist der Nektar, von dem wir in diesen Sutras vom Geheimnis der Goldenen Blüte immer wieder sprechen werden. Dies ist der Nektar, amrit. Dies ist das Elixier, der „Stein der Weisen.“ Wenn du einmal davon gekostet hast, ist aller Tod vergangen, ist alle Zeit vergangen, sind alle Unterschiede vergangen. Jetzt siehst du den Baum als eine Erweiterung von dir, die Wolke als eine Erweiterung von dir, oder dich als eine Erweiterung des Baumes. Jetzt ist das Zentrum überall und nirgends. Das „Ich“ gibt es nirgendwo mehr. Schon das Wort ist jetzt völlig unpassend.
Ein christlicher Missionar fragte einmal einen Zen-Meister: „Ist der Endpunkt der Reise des Menschen nicht die Vereinigung mit Gott?“
Der Zen-Meister antwortete: „Der Endpunkt der Reise des Menschen ist nicht die Vereinigung mit Gott, denn es hat niemals eine Trennung gegeben. Alles, was man braucht, ist die blitzartige Einsicht, die einen das erkennen lässt.“
Tao, Zen, Tantra – deren Einsicht ist viel tiefer als die sogenannten Religionen des Marktplatzes. Das Christentum denkt in Begriffen wie „zu Gott kommen“, „Einswerden mit Gott“. Aber die Einsicht des Zen-Meisters ist viel einschneidender und tiefer. Er sagt: „Aber wo hat es da denn eine Trennung gegeben? Und wann? Es hat sie nie gegeben, du hast geträumt, dass es da eine Trennung gegeben habe. Hör auf zu träumen! Es gibt keine Vereinigung, du bist schon immer eins mit der Existenz gewesen. Keinen einzigen Moment hat es eine Trennung gegeben, es besteht gar nicht die Möglichkeit einer Trennung.“
Du kommst gerade zu einer sehr, sehr wichtigen, bedeutsamen Einsicht. Wenn du keine Angst bekommst und nicht vor dieser Erfahrung davonläufst, kannst du zu der blitzartigen Einsicht gelangen, die einen sehen lässt, dass alles eins ist.
Aber die Angst kommt immer. Das ist nicht neu. Jeder Sucher muss da hindurch. Und sie ist wirklich so groß, dass du, bevor du darüber nachgedacht hast, schon davor weggelaufen bist. Sie ist so furchterregend, dass sie dir weder Raum noch Zeit lässt, darüber nachzudenken, was du tun sollst. Es ist, als stünde das Haus in Flammen. Du denkst nicht mehr: „Soll ich raus laufen oder nicht?“ Es gibt keine Wahl mehr; ohne zu denken, läufst du einfach aus dem Haus. Zum Denken hast du keine Zeit, später kannst du dann denken. Wenn du außerhalb des Hauses bist, unter einem Baum sitzt, kannst du darüber nachdenken und in aller Muße grübeln. Aber wie kannst du nachdenken, wenn das Haus in Flammen steht? Unmittelbares Handeln ist nötig, und Denken ist niemals unmittelbar. Das ist das Problem.
Wenn du in dein Alleinsein hineingehst, dann ist es zuerst sehr einsam, denn du hast immer mit der Vorstellung vom andern gelebt. Es war eine Traumvorstellung; es gibt keinen andern. „Ich“ und „Du“ – beides sind Täuschungen. Martin Buber sagt, die höchste Qualität des Betens sei ein Dialog zwischen dem „Ich“ und dem „Du“. An dieser Stelle ist der Judaismus stecken geblieben. Die höchste Form des Betens ist überhaupt kein Dialog, die höchste Form des Betens ist ein Monolog, denn es ist kein anderer da.
Ein Zen-Meister pflegte sich jeden Morgen bei seinem eigenen Namen zu rufen. Laut rief er seinen eigenen Namen und fragte: „Wie geht’s?“
Und dann antwortete er: „Danke, gut, mein Herr!“
Vielleicht kommt er euch verrückt vor – aber das heißt Beten. Es gibt kein „Ich“, es gibt kein „Du“, ihr müsst beide Rollen übernehmen. Es ist ein Spiel, ein Rollenspiel. Beten ist ein Rollenspiel: Du spielst mit deinem eigenen Selbst. Da gibt es keinen „andern“.
Aber der Judaismus ist genau da stecken geblieben – bei der Vorstellung von „Ich“ und „Du“. Deshalb waren sie so sehr gegen Jesus, denn Jesus erklärte – wenn auch nicht auf eine so drastische Art, wie das ein Zen-Meister tut … In seiner Situation hätte Jesus nicht drastischer sein können. Aber immerhin sagte er: „Ich und mein Vater sind eins.“ Aber das war genug, um die Leute gegen ihn aufzubringen. Die Leute ereiferten sich: „Was sagt er da? Er erklärt sich selber zu Gott?“
Und dabei sagt er gar nichts, erklärt er sich nicht zu Gott. Er sagt damit einfach nur, dass es keinen Gott und keinen Anbetenden gibt, dass es nur eines gibt. Dies „Eine“ kann man in einer bestimmten Situation „den Anbetenden“ nennen, in einer anderen Situation kann man es „Gott“ nennen. Deshalb sagt er: „Ich und mein Vater sind eins. Wenn ihr auf meinen Körper schaut, bin ich der Sohn, wenn ihr auf meine Seele schaut, bin ich der Vater. Wenn ihr auf meine Form schaut, bin ich ein Mensch, der Menschensohn, wenn ihr auf meine Essenz schaut, bin ich Gottessohn.“ Deshalb wiederholt er das immer und immer wieder. Manchmal sagt er: „Ich bin der Menschensohn“ und manchmal sagt er: „Ich bin der Gottessohn“. Es klingt widersprüchlich, ist es aber nicht.
Du sagst: Jedes Mal wenn ich mich wieder einmal vom Geheimnis des Lebens überwältigt fühle, spüre ich plötzlich, wie alles, was außerhalb von mir ist, bis ins Innere meiner Augen dringt.
Alles, was du siehst, ist eine Projektion deiner Augen. Die Welt, so wie sie ist, hast du noch nicht gesehen. Was du gesehen hast, ist nur eine Projektion. Wenn du also beginnst, nach innen zu gehen, so wird alles, was du auf die Welt projiziert hast, deinen Augen immer näher und näher und näherrücken und in deinen Augen verschwinden. Diese Welt ist eine Projektion deiner Augen. Du siehst nicht das, was ist, du projizierst einen Traum auf sie.
Da gibt es zum Beispiel einen großen Diamanten, den Kohinoor. Nun, er ist genau so ein Stein wie jeder andere Stein, aber was für einen großen Wert haben wir auf ihn projiziert! Viele Menschen sind schon wegen des Kohinoors gestorben, jeder, der ihn besaß, wurde getötet. Nun seht euch nur den ganzen Unsinn an: Aufgrund der Projektionen der Menschen hat sich ausgerechnet dieser Stein als tödlich erwiesen. Er ist einer der kostbarsten Gegenstände der Welt, der teuerste Gegenstand der Welt. Aber wenn der Mensch von dieser Erde verschwindet, wird er dann etwas Besseres sein als jeder beliebige Kieselstein? Dann wird er einfach mit all den andern Kieselsteinen herumliegen. Dann gibt es keine Unterscheidung, keinen Unterschied. Woher kommt der Unterschied? Unsere Augen projizieren, wir machen ihn zu etwas Besonderem. Wir überschütten ihn mit unseren Wünschen, unserer Habgier.
So wird er sehr wertvoll und zugleich sehr gefährlich. Wenn du über den Kohinoor meditierst, wenn du ihn schweigend anschaust, immerzu anschaust, dann kommt ein Augenblick, da du siehst, wie sich etwas von dem Kohinoor löst und deinen Augen immer näher und näherkommt und dann in deinen Augen verschwindet. Dann öffnest du die Augen – der Kohinoor ist verschwunden. Da ist zwar etwas, aber du kanntest es vorher nicht, und das, was du vorher gekannt hast, ist verschwunden. Eine wunderschöne Erfahrung, ungeheuer bedeutsam!
Geh tief hinein, immer tiefer und tiefer hinein. Lass die ganze Welt verschwinden. Auch ich werde darin verschwinden; denn das, was ich bin, hast du noch nicht gesehen, und das, was du siehst, ist deine Projektion. Deine Projektion wird verschwinden, und wenn alle deine Projektionen verschwunden sind, dann kommt die Welt in ihrer Nacktheit, so wie sie ist. Und dann, was für ein Erstaunen! Kleine Dinge sind dann so wunderbar. Gewöhnliche Kieselsteine sind dann so wundervoll. Wegen des Kohinoors können sie nicht wundervoll sein; ihr habt alles auf den Kohinoor projiziert. Da ist keine Liebe zu etwas anderem in euch übrig geblieben.
Wenn die Projektion einmal verschwunden ist und du die Augen öffnest – leere Augen, die überhaupt