Guardiola. Dietrich Schulze-Marmeling

Guardiola - Dietrich Schulze-Marmeling


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Meister FC Barcelona. In dieser Saison kann Guardiola immerhin 22 Meisterschaftsspiele bestreiten. Die Konkurrenz im Kader ist gewachsen. Unter van Gaal verpflichtet der FC Barcelona ausländische Akteure in einem nie gekannten Ausmaß, vornehmlich Niederländer, von denen van Gaal einige bereits aus seiner Zeit als Ajax-Trainer kennt. In der Saison 1999/2000 besteht die Hälfte des 28-köpfigen Kaders aus Ausländern. Acht von ihnen – der Torwart Ruud Hesp, die Abwehrspieler Vincent Bogarde, Frank de Boer und Michael Reizinger, die Mittelfeldspieler Philipp Cocu und Ronald de Boer und die Stürmer Patrick Kluivert und Jari Litmanen – sind Landsleute van Gaals.

      Van Gaals Teambuilding unterscheidet sich fundamental von dem Johan Cruyffs, der in der Presse schimpft: „Die Kabine mit acht Holländern zu füllen, ist gleichbedeutend damit, eine Zeitbombe zu legen. Ich glaube, dass ein Ajax-Fan sich mehr mit dem heutigen FC Barcelona verbunden fühlt als die Socios“ – also die Barça-Mitglieder.

      Was die Fans des Klubs wollen, tun sie im März 1999 kund. Im Jahr des 100-jährigen Klubjubiläums tritt das aktuelle Barça gegen das einstige Dream-Team an. Van Gaals Elf schlägt die Veteranen mit 2:0, aber die fast 100.000 Zuschauer im Camp Nou feiern die Champions von 1992 und Johan Cruyff.

      Schließlich will van Gaal auch das Urgestein Guardiola wegschicken, die letzte personelle Verbindung im Team zur Ära Cruyff. Dennoch kommt Pep in der Saison 1999/2000 auf 25 Einsätze in der Primera División, wo der FC Barcelona hinter Deportivo La Coruña nur Zweiter wird. In der Champions League ist Guardiola zwölfmal dabei, so häufig wie nie zuvor – allerdings dank eines um eine weitere Gruppenphase aufgeblähten Champions-League-Betriebs, in dem die Finalisten nun auf 17 Spiele kommen.

      Für den FC Barcelona allerdings ist nach 16 Spielen Schluss. In der ersten Gruppenphase der Champions League lässt Barça den AC Florenz, Arsenal London und AIK Solna hinter sich. Auch die zweite Gruppenphase beenden die Katalanen als Erste – vor dem FC Porto, Sparta Prag und Hertha BSC Berlin. Im Viertelfinale wird Chelsea London ausgeschaltet (1:3, 5:1), aber im Halbfinale scheitert man an einem Team aus der heimischen Liga. Der FC Valencia gewinnt zu Hause mit 4:1 und kann sich im Camp Nou eine 1:2-Niederlage leisten. Guardiola ist in beiden Spielen dabei.

      „Einer der größten Spieler seiner Generation“

      Als Guardiola-Nachfolger will van Gaal den 20-jährigen Xavi Hernández aufbauen. Xavi wurde im Alter von elf Jahren in La Masia aufgenommen und gehört seit der Saison 1998/99 fest zum Kader der 1. Mannschaft. Er ist ein Spieler wie Guardiola. Sein Vater Joaquim, der eine von Xavi besuchte Fußballschule eröffnete: „Alle Jungs wollten nur nach vorne stürmen und selber ein Tor schießen – mit der Ausnahme von Xavi. Der hat Zuspiele aus der zweiten Reihe geliefert und Gegenangriffe schon weit vorne gestoppt.“ In puncto Spielintelligenz, Ballsicherheit und Passgenauigkeit wird Xavi noch besser werden als Guardiola.

      Seinen ersten Einsatz in der 1. Mannschaft hatte Xavi Mourinho zu verdanken, der ihn im März 1998 in der Copa Catalunya gegen das unterklassige Team aus Lleida auflaufen ließ. In der Saison 1999/2000 bestreitet Xavi bereits 24 Meisterschaftsspiele, nur eines weniger als Guardiola. In der Champions League darf er dreimal mitwirken. Guardiola und Xavi spielen häufig nebeneinander – der Kapitän unverändert mit der Nummer 4, der Youngster mit der 26, aus der eine Spielzeit später die 16 wird und mit der Saison 2005/06 schließlich die 6.

      Xavi leidet zunächst unter der Bürde der hohen Erwartungen, obwohl ihn Guardiola wie einen Freund behandelt und seinen Konkurrenten und Nachfolger mit Ratschlägen unterstützt. Xavi: „Für die Zuschauer war es schwierig. Obwohl ich aus La Masia kam, wurde ich als Außenseiter und als jemand betrachtet, der Pep hinausdrängen will.“ Dass er die Nachfolge Guardiolas antreten soll, bedrückt ihn so sehr, dass er sogar über einen Wechsel nachdenkt, u.a. liegt ihm eine Anfrage von Manchester United vor. Ironie der Geschichte: Erst unter dem Trainer Guardiola wird Xavi sein komplettes Potenzial entfalten.

      United-Coach Alex Ferguson war zunächst an Guardiola interessiert. Für den Schotten ist Guardiola „einer der größten Spieler seiner Generation“. Der Manager der Red Devils sucht nach einem Anführer für sein Team – einen technisch versierten Spielmacher, der das Tempo eines Spiels diktieren kann. Ferguson: „Er war der Typ von Spieler, der dann Paul Scholes wurde.“ Aber Guardiola bleibt in Barcelona – wohl auch in der Annahme, er habe noch eine Zukunft bei „seinem“ Verein.

      Im Sommer 2000 geht es zur Europameisterschaft nach Belgien und in die Niederlande. Spaniens Selección wird von José Antonio Camacho trainiert, der viele Jahre in der Abwehr von Real Madrid gespielt hat. Camacho bevorzugt einen „gearbeiteten“ Fußball. Trotzdem kann der nun 29-jährige Guardiola zum ersten und einzigen Mal bei einem großen Turnier im Trikot Spaniens glänzen. Das Auftaktspiel endet allerdings mit einer Blamage. Spanien unterliegt Norwegen mit 0:1, und daheim höhnt „Marca“: „Ein zweitklassiges Spanien.“ Die Madrider Presse, allen voran die konservative Zeitung „AS“, identifiziert Guardiola als Sündenbock für die schwache Vorstellung. Der englische „Daily Telegraph“ vermutet, die Kampagne der Hauptstadtblätter gegen Guardiola und andere Barça-Akteure habe mehr politische als sportliche Motive. Camacho verteidigt den Angegriffenen.

      Gegen Slowenien behält Spanien mit 2:1 die Oberhand. Dennoch droht im letzten Gruppenspiel gegen Rest-Jugoslawien nach 90 Minuten eine vorzeitige Heimreise. Nach Ablauf der regulären Spielzeit liegt Spanien mit 2:3 hinten, schlägt aber in der Nachspielzeit noch zweimal zu und erreicht mit einem 4:3-Sieg das Viertelfinale. Dort trifft Spanien auf Frankreich und unterliegt dem späteren Europameister nach einem offenen Schlagabtausch mit 1:2. In diesen letzten beiden Spielen, gegen Jugoslawien und Frankreich, trägt Guardiola für den verletzten Fernando Hierro die Kapitänsbinde.

      Guardiola darf sich nach dem Turnier mit einem Platz in der All-Star-Elf trösten, in die außer ihm noch drei Franzosen (Blanc, Henry, Zidane), drei Italiener (Toldo, Cannavaro, Nesta), zwei Niederländer (Frank de Boer, Kluivert) und zwei Portugiesen (Figo, Nunu Gomes) berufen werden. Er ist somit der einzige Spanier, der bei der EURO 2000 diese Ehrung erhält.

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