Jung und verliebt im Landschulscheim. Marie Louise Fischer

Jung und verliebt im Landschulscheim - Marie Louise Fischer


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war eine selbständige Unternehmerin, eine hochintelligente, energische und willensstarke Frau, die ihre Tochter zur Schnecke machen konnte wie sonst niemand.

      „Ist gar nicht mit rausgefahren!“ erwiderte Ilse vergnügt. „Unser Chauffeur hat mich gebracht!“

      „Euer Chauffeur!“ rief Kurt beeindruckt. „Dunnerlüttchen! Setz mich auf die Liste deiner Heiratskandidaten!“

      Ilse verzog die Mundwinkel. „Ich fürchte, du würdest dem Röntgenblick meiner Mutter nicht standhalten. Aber sagt mir mal: Wo soll ich mit den verdammten Skiern hin?“

      „Das weißt du nicht?“

      „Im vorigen Jahr hatte ich sie immer im Schuppen beim Sessellift. Aber da hat es ja auch nicht gleich nach Weihnachten so viel Schnee gegeben.“

      Kurt stellte Leonas Koffer ab. „Gib her!“ Er nahm Ilse die Skier ab und legte sie gekonnt über die Schulter. „Die von Leona auch!“ sagte er zu Ute. „Für die Skier haben wir im Keller einen Extra-Abstellraum. Die Stöcke nehmt ihr, bitte, mit auf euer Zimmer. Alte Skifahrerregel: Trennt euch nie von euren Stöcken, dann werden euch die Bretter nicht geklaut.“

      „Scheint mir ziemlich sinnlos“, entgegnete Ute, „man kann doch die Skier …“

      „Mädchen, Mädchen, hier ist weder Ort noch Zeit für eine Diskussion. Es ist ’ne alte Regel, ich sag’s ja. Ich habe sie nicht erfunden.“

      Kurt schulterte auch Leonas Skier.

      „Wartet auf mich. Es dauert nur ein paar Minuten. Dann helfe ich euch mit den Koffern weiter.“

      „Absolut nicht nötig!“ wehrte Ute ab. „Das schaffen wir schon allein. Was meinst du, Leona?“

      „Aber sicher!“

      Mit vereinten Kräften schleiften sie den Koffer durch den langen Gang, an dessen Ende linker Hand der Speisesaal, und rechter Hand der Aufstieg zu den Zimmern der Mädchen lagen. An der einen Seite des Ganges gab es einfache, braun gestrichene Türen, die in verschiedene Schulzimmer und in das Sekretariat führten, auf der anderen Seite Spitzbogenfenster, die den Ausblick auf den Hang hinter der Burg freigaben; er war jetzt dick mit leuchend weißem, pulvrigem Schnee bedeckt.

      „So was von Schnee!“ rief Leona begeistert. „Wo findet man den sonst noch!? In der Stadt bestimmt nicht!“

      Ute, die sich mit ihr um den Transport des Koffers bemühte, und Ilse Moll, die neben ihnen herstolzierte, stimmten ihr darin unumwunden zu.

      „Nirgends!“ sagten sie mit einer Gleichzeitigkeit, über die alle drei in helles Gelächter ausbrachen.

      Sie hatten das Ende des Ganges noch nicht erreicht, als Kurt sie wieder einholte.

      Energisch nahm er Leona und Ute den Koffer aus der Hand. „Laßt das den guten Onkel Kurt machen!“

      „Ja, wenn wir dich nicht hätten!“ Leona war froh, sich nicht länger abplagen zu müssen, aber sie hatte auch gelernt, daß Jungen für Komplimente genauso empfänglich sind wie Mädchen – vielleicht sogar noch empfänglicher, weil sie Schmeicheleien gegenüber weniger mißtrauisch sind.

      Ute blies in das gleiche Horn, wobei sie Leona hinter Kurts Rücken ein Äuglein kniff. „Man sieht dir auf den ersten Blick an, wie stark du bist, Kuddel!“

      „Was heißt hier erster Blick?“ fragte Kurt. „Du solltest inzwischen doch Gelegenheit genug gehabt haben, dich von meinen Bärenkräften zu überzeugen!“

      Ute ließ sich nicht verwirren. „Zugegeben!“ erklärte sie. „Aber sie beeindrucken mich eben immer wieder!“

      Ilse Moll beteiligte sich an dem Geplänkel nicht. Sie hatte keinen Koffer zu schleppen, und außerdem war ihr der gleichaltrige Kurt Büsing herzlich gleichgültig; sie interessierte sich nur für erwachsene oder zumindest halberwachsene Männer.

      Durch eine Tür erreichten sie eine zweite Halle, ziemlich kahl und auch im gotischen Stil, von der die Treppe zu den Mädchenzimmern hinaufführte.

      Kurt stellte den Koffer ab. „Tut mir leid, meine Damen … bis hierher und nicht weiter!“

      So freizügig das Leben auf Burg Rabenstein war: das Betreten des Mädchentrakts, der am Fuße dieser Treppe begann, war für Jungen streng verboten.

      „Na klar, Kuddel“, sagte Leona, „niemand hat erwartet, daß du dich für uns in Ungelegenheiten bringst.“

      „Wieso, denn nicht?“ fragte Ilse Moll. „Nur dadurch kann ein Mann beweisen, daß ihm wirklich was an seinem Mädchen liegt.“

      „Ich mag Kurt“, erklärte Leona hitzig, „aber das heißt noch lange nicht, daß ich ,sein Mädchen’ bin, wie du es zu nennen beliebst. Ich gehöre immer noch mir selber, und nichts wäre mir mehr zuwider, als ihn in Schwierigkeiten zu bringen.“

      „Versteht sich am Rande“, stimmte Ute ihr zu, „hör doch gar nicht auf Ilse.“

      So unauffällig wie möglich tupfte Kurt sich indessen den Schweiß von der Stirn. „Wenn ihr wirklich wollt, daß ich …“

      „Spar dir den Unsinn!“ fuhr Leona ihm über den Mund. „Natürlich wollen wir nicht! Komm, pack bitte mit an, Ute!“

      Gemeinsam hievten sie das schwere Gepäckstück mit Leonas Wintersachen von Stufe zu Stufe, während Ilse sehr lässig die Skistöcke trug.

      Als sie oben angekommen waren, rief Leona dem immer noch schwitzenden Kurt über die Schulter zu: „So sei bedankt, mein lieber Schwan!“

      „Wie bitte?“ fragte Kurt verdutzt zurück.

      Leona, die in den Weihnachtsferien mit ihren Eltern die Oper „Lohengrin“ gesehen hatte, in der ein Schwan dem Helden als Transportmittel dient, lachte. Ute wußte als Tochter einer Schauspielerin auch Bescheid und lachte mit.

      Nur Ilse blieb ernst und äußerte leicht pikiert: „Ich verstehe immer nur Bahnhof!“

      Spaß muß sein

      Leona und Ute hielten sich nicht lange auf, sondern schoben nur den Koffer in ihr gemeinsames Zimmer und rannten dann gleich wieder hinunter, um Alma und Sabine zu helfen. Ilse Moll hielt das nicht für nötig, sondern zog sich in ihre eigene Kemenate zurück. Sie gehörte zu den wenigen Jüngeren auf Burg Rabenstein, die ein Zimmer für sich allein hatten. Aber niemand beneidete sie darum, denn erstens fanden es die meisten lustiger, mit einer Freundin zusammen zu hausen, und zweitens verstand es Ilse durchaus nicht, es sich gemütlich zu machen. Bei ihr sah es immer aus, wie die junge, fesche Erzieherin von Leonas Gruppe ziemlich grob, aber treffend zu sagen pflegte, „wie in einem Schweinestall“. Das war um so erstaunlicher, als Ilse Moll für ihre eigene Schönheit mehr Zeit verwendete als irgendeine andere Rabensteinerin.

      Doch Leona und Ute verschwendeten keinen weiteren Gedanken an Ilse Moll, sondern sausten, so schnell sie konnten, die Treppe wieder hinunter, den Gang entlang und stießen in der Eingangshalle auf die Freundinnen, die ziemlich hilflos zwischen Taschen, Koffern und Skiern standen.

      „Gut, daß ihr kommt!“ sagte Sabine ganz erleichtert.

      „Ehrensache!“ rief Leona. „Wir hatten es doch versprochen.“

      „Wartet auf mich“, bat Alma, „ich bringe jetzt erst einmal die Skier weg. Hier, Sabine, halt du die Stöcke!“ Sie schulterte die beiden Skierpaare und verschwand in Richtung Kellertür.

      „Du siehst fabelhaft aus, Bine!“ sagte Leona.

      „Ja, wirklich“, stimmte Ute ihr zu, „wo hast du dir diese Farbe geholt?“

      Tatsächlich war die von Natur aus weiße Haut der blonden, grünäugigen Sabine leicht gebräunt, wie es um diese Jahreszeit kaum zu erwarten war.

      Unter den bewundernden Blicken der Freundinnen errötete sie. „Ich war Weihnachten in der Karibik.“

      Leona und Ute


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