Zen – Den Klang der Stille hören. Osho
nennen zu können. Fragt man „Wieso?“, schweigt sie still, fällt ihr nichts dazu ein. Wenn du spazieren gehst und eine Seerose siehst und sagst: „Herrlich!“ und dich jemand fragt: „Wieso?“, was machst du dann? Du wirst sagen: „Woher soll ich das wissen? Bin ich vielleicht Philosoph?“ Es ist eine bloße Feststellung, eine ganz simple Feststellung, rund in sich selbst, vollendet. Es gibt keinen Grund und es gibt auch kein Ergebnis: Du hast einfach eine Tatsache festgestellt.
Lest die Upanishaden – da stehen einfache Feststellungen. Da steht: „Das Göttliche ist.“ Frag nicht warum, sonst bekommst du zur Antwort: „Woher sollen wir das wissen? Sind wir vielleicht Philosophen?“
„Das Göttliche ist.“ Dort steht, dass das Göttliche schön ist und dir das Göttliche ganz nah ist, näher als dein Herz – aber fragt nicht warum, sie sind keine Philosophen.
Schaut in die Evangelien und lest, was Jesus gesagt hat – schlicht und einfach. Er sagt: „Mein Gott ist im Himmel. Ich bin sein Sohn, er ist mein Vater. Fragt nicht warum.“ Er könnte das nie vor Gericht beweisen, sondern nur sagen: „Ich weiß es.“ Wenn ihr ihn fragt, von wem er das hat, mit welcher Autorität er so etwas sagt, wird er erwidern: „Das sag ich aufgrund meiner eigenen Autorität. Ich erkenne keine andere Autorität an.“ Das ist das Problem, wenn einer wie Jesus auf Erden wandelt: Das rationale Denken kann ihm nicht folgen. Das war der einzige Grund seiner Kreuzigung – die linke Gehirnhälfte hat ihn gekreuzigt, weil er ein Mann der rechten Gehirnhälfte war. Nur wegen dieses inneren Konflikts wurde er gekreuzigt. Laotse sagt: „Die ganze Welt scheint schlau zu sein, nur ich bin wirr im Kopf. Die ganze Welt scheint Bescheid zu wissen, nur ich bin durcheinander und zögerlich.“ Er ist ein Mann der rechten Gehirnhälfte.
Die rechte Gehirnhälfte ist die Hälfte der Poesie und Liebe. Was wir brauchen, ist eine große Umwälzung … anders gesagt: eine innere Transformation. Yoga ist ein Versuch, diese Einswerdung durch die linke Gehirnhälfte zu bewirken, mithilfe von Logik, Mathematik, Wissenschaft die Transzendenz zu bewerkstelligen. Zen ist genau umgekehrt: Zwar ist das Ziel dasselbe, aber Zen benutzt für die Transzendenz die rechte Gehirnhälfte. Beides ist möglich, aber Yoga ist ein sehr, sehr langer Weg. Es ist geradezu ein überflüssiger Kampf, denn da will man vom Verstand aus zum Superverstand gelangen, was schwerer ist. Zen ist deshalb leichter, weil es man vom Nichtverstand zum Superverstand gelangt. Der Nichtverstand gleicht praktisch schon dem Superverstand – da gibt es keine Hürden. Yoga will praktisch mit dem Kopf durch die Wand, während man mit Zen nur eine Tür zu öffnen braucht – sie braucht nicht einmal verschlossen zu sein, man braucht sie nur etwas anzutippen, und schon geht sie auf.
Nun zu unserer Geschichte… sie ist eine der schönsten unter den Zen-Geschichten. Die Zen-Meister sprechen durch Geschichten. Sie können nicht anders, denn sie können keine Theorien und Lehrsätze aufstellen, sie können nur Geschichten erzählen. Sie sind große Geschichtenerzähler. Jesus spricht immerzu in Gleichnissen, Buddha spricht immerzu in Gleichnissen, die Sufi-Mystiker sprechen immerzu in Gleichnissen – das ist nicht zufällig so. Geschichten, Gleichnisse, Anekdoten sind typisch für die rechte Gehirnhälfte. Logik, Meinungsstreit, Beweisführung, Schlussfolgerungen sind typisch für die linke Gehirnhälfte.
Hört gut zu…
Gosa Hoyen hatte die Gewohnheit, allen, die ihn fragten, was Zen sei, folgendes zu antworten „Wenn ich nach Zen gefragt werde, erzähle ich gern diese Geschichte:
Diese Geschichte erzählt im Grunde, was es mit Zen auf sich hat – ohne zu definieren. Sie ist ein Fingerzeig. Eine Definition ist schon deshalb nicht möglich, weil Zen im Wesenskern undefinierbar ist. Man kann davon kosten, aber es nicht definieren; man kann es leben, aber Sprache vermag es nicht auszudrücken; man kann es zeigen, aber nicht in Worte fassen. Aber durch eine Geschichte lässt sich andeuten, was es ist. Und diese Geschichte gibt hervorragend zu erkennen, wie Zen beschaffen ist. Sie ist aber nur ein Fingerzeig, macht keine Definition daraus, fangt nicht an darüber zu philosophieren. Betrachtet sie wie einen Blitz – ein blitzartiges Erkennen. Sie wird nicht euer Wissen mehren, aber sie kann in euch eine Akzentverschiebung, einen Ruck, eine „Veränderung der Gestalt“ auslösen. Sie kann euch aus der einen Ecke eurer Vorstellungswelt in eine andere werfen – und nur dazu dient diese Geschichte überhaupt.
Nun, das Gewerbe eines Einbrechers ist keine Wissenschaft, sondern eine Kunst. Einbrecher werden ebenso geboren wie Dichter; man kann es nicht lernen, eine Lehre bringt nichts. Wer es erlernt, wird geschnappt – denn da weiß die Polizei mehr als du, sie haben seit Jahrhunderten Erfahrungen gesammelt. Ein Einbrecher wird als Einbrecher geboren: Er lebt aus der Intuition heraus – er hat den Dreh raus – er hat den richtigen Riecher. Ein Einbrecher ist weiblich; er ist kein Geschäftsmann, sondern ein Spieler. Er setzt alles auf eine Karte, für nahezu nichts; sein ganzes Gewerbe ist geprägt von Gefahren und Risiken. Es ist genau wie ein religiöser Mensch.
Die Zen-Leute sagen ebenfalls, dass religiöse Menschen Einbrechern ähneln: Auf der Suche nach der Wahrheit sind auch sie Einbrecher. Es ist nicht möglich, die Wahrheit auf dem Wege der Logik zu erreichen – oder der Vernunft oder der Werte der herrschenden Gesellschaft, Kultur, Zivilisation. Irgendwo schaffen sie zwar den Durchbruch, dringen sie durch die Hintertür ein. Wenn es tagsüber verboten ist, kommen sie nachts. Wenn es ausgeschlossen ist, der Masse der Autobahnfahrer zu folgen, dann schlagen sie sich eigenständig durch den Wald. Ja, es besteht zwar eine gewisse Ähnlichkeit. Du erreichst die Wahrheit nur, wenn du ein Einbrecher bist – ein Künstler im Diebstahl des Feuers, im Raub des Schatzes.
Der Vater will sich zur Ruhe setzen und der Sohn bittet ihn: Bevor du dich zur Ruhe setzt, lehre mich deine Kunst.“ Der Vater willigte ein und nahm ihn noch am selben Abend zu einem Einbruch mit. Kaum hatte er eine große Kleidertruhe geöffnet, forderte er seinen Sohn auf hineinzusteigen und die Gewänder an sich zu nehmen. Sobald der Junge drin war, verschloss der Vater die Truhe und begann so laut zu lärmen, dass das ganze Haus erwachte und machte sich leise aus dem Staub.
Offenbar war er ein echter Meister, kein gewöhnlicher Einbrecher.
Eingesperrt in der Truhe packte den Jungen der Zorn, und vor Schreck wusste er nicht aus noch ein…
Was Wunder – natürlich! Was für eine Lehre sollte das sein? Er hatte ihn in Lebensgefahr gebracht! Aber nur so kann man jemanden das Unbekannte lehren, nur so erschließt sich die rechte Gehirnhälfte. Die linke Gehirnhälfte kann man in Schulen belehren: dort kann man etwas lernen, diszipliniert werden, stufenweise aufsteigen. So werdet ihr nach und nach, Klasse auf Klasse, zu Meistern aller möglichen Künste und Wissenschaften. Aber für die rechte Gehirnhälfte gibt es keine Schulen – die ist intuitiv; die lernt nicht stufenweise, sondern plötzlich. Quasi wie ein Blitz in finsterer Nacht. Wenn’s passiert, dann passiert’s – wenn nicht, dann nicht. Da ist nichts zu machen. Du kannst dich nur einer Situation aussetzen, wo die Wahrscheinlichkeit dafür größer ist. Darum sage ich, dass der alte Mann offenbar ein echter Meister war.
Eingesperrt in der Truhe packte den Jungen der Zorn, und vor Schreck wusste er nicht aus noch ein…
Dies sind die drei Stadien, die eure Vernunft dann durchlaufen muss. In all meinen Meditionsformen widerfährt euch dasselbe. Eingesperrt in eine Truhe, deren Schlüssel weggeworfen wurde, werdet ihr zuerst wütend.
Viele Sannyasins kommen zu mir und sagen, wie wütend sie auf mich seien. Kann ich gut verstehen; das ist natürlich: Ich zwänge sie in Situationen, wo ihr alter Verstand aussetzt. Das ist der eigentliche Grund aller Wut. Sie fühlen sich einfach machtlos, ihr alter Verstand greift nicht mehr, sie stehen vor einem Rätsel: „Was ist nur los?!“ Und wenn ihr euch in einer Situation seht, wo euer Verstand nicht mehr funktioniert, richtet sich eure Wut auf mich; erst seid ihr wütend und dann erschreckt ihr. Dann versteht man die ganze Situation und dass einem alles Gelernte einfach nutzlos vorkommt – daher die Angst.
Nun gab es keine logische Möglichkeit, aus dieser Truhe herauszukommen: Sie war von außen abgeschlossen, der Vater hatte Lärm gemacht und das ganze Haus aufgeweckt, Leute liefen suchend herum und der Vater hatte das Weite gesucht. Wie soll es da einen logischen Weg geben, sich aus dieser Klemme zu befreien? Die Logik streikt einfach, der Verstand führt zu nichts. Was meint ihr wohl? Das Denken steht plötzlich still – und darauf hat der Vater