Dunkle Begierden einer Ehe! Verlust der ehelichen Unschuld | Erotische SM-Abenteuer. Martin Kandau
war. Seine komplette Fassade bestand aus eleganten Schaufenstern. Wenn es noch dunkel war, dann stand das Gebäude in Beleuchtung da und ich sah es gerne an. Es war dreistöckig und glänzend. Schön wie Marion. Wenn sie dann aus dem leuchtenden Portal kam, ging die Sonne für mich auf. Marions blonde Lockenmähne, ihr Lachen, mit dem sie auf mich zuschritt, in engen Bluejeans und hohen und hochhackigen Lederstiefeln in der Farbe eines warmbraunen Pferdes. Das war mein Anblick, mein alles. Das war das, wofür mein Leben sich lohnte.
Die schönen, gepflegten Hände mit den eleganten, den graziösen und empfindsamen Fingern und den in edlem Kirschrot lackierten Nägeln, die ich so erregend fand, locker in den Jackentaschen und mit vollen Lippen lachend in ihrem lässigen Pelzkragen - natürlich und schön. Das war für mich die vollkommene Frau. Ich hatte sie gefunden. Das Warten hatte sich gelohnt. Die langen Schritte in den Lederstiefeln ließen ihre langen, blonden Locken sinnlich wehen. Marion war ein Hingucker, aber sie sah nur mich. Sah mich tief lächelnd an mit dem fast tropischen Blau ihrer Augen und mit all der Liebe und Wärme, die ihre Stärke war und in der sie die vollkommene Frau war. Wir umarmten uns mit einem endlos verliebten Kuss.
In Marions natürlichem und zuversichtlichem Wesen sah der Winter viel sanfter aus, viel weniger negativ. Er mache sie bloß »ein bisschen müd«. Sie ruhte irgendwie in ihrer Wärme und zog mich mit sich. Ich begleitete sie, wenn sie in der Innenstadt noch Einkäufe machte, auch wenn sie nach Kleidung schaute oder sich für Kosmetik interessierte. Ich liebte es, ihr Begleiter zu sein, wenn sie sich im Drogeriemarkt all die Kleinigkeiten von Make-up ansah, Lidschatten und Lippenstifte in Augenschein nahm. Das Gefühl, zu dieser Frau zu gehören, war umso stärker und aufregender, wenn ich mich in die Vorstellung versetzte, es sei noch ganz neu und wir hätten uns gerade erst gefunden.
Da war diese materielle Lebendigkeit der Menschenmenge, die die großen Läden frequentierte. Das war Oberflächlichkeit. Aber es hatte keine Leere. Marion füllte sie. An ihrer Seite durch die gläserne Schlucht der Kaufhäuser zu gehen und hinein zu bummeln, mochte ich gern. Sich in den Fenstern des Lichts die Auslagen anzusehen und zu sehen, wie mitten im Winter die Mode schon im Frühling war. Ich mochte diese Atmosphäre von Alltäglichkeit und Nebensächlichkeit. Zu wissen, dass man alle Tage miteinander teilt und zueinander gehört. Die Freude war immer wieder wie neu, mit Marion zusammen zu sein und sich dessen bewusst zu werden.
»Ich will mal zu Karstadt und dort nach einem anderen Kopfkissen schauen. Eines mit mehr Daunen als Federn. Das ist bestimmt gut für den Schlaf, weißt du.«
Ich nickte gleichmütig. Die Dinge des realen Lebens waren nicht immer meine Sache. Frauen waren darin viel besser. Sie konnten sogar aus Daunen eine gewichtige Angelegenheit machen. Wenn Marion in die Kaufhäuser ging, dann folgte ich ihr brav und vertrauensselig wie ein angeleinter Hund. Sogar wenn sie dann vor den Deko-Regalen stand und schwärmte. Ich hielt Deko für eine weibliche Unart, die leider auch eine so sinnliche und natürliche Frau wie Marion ergriff. Diese sterile Leidenschaft, Muschelketten über die Klo-Schüssel zu hängen, Kerzengläser aufzustellen oder Wand-Tattoos anzubringen.
Marion entschuldigte diesen Kitsch stets lachend und mit einem Schulterzucken: »Wir sind Weibchen! Wir machen uns gerne ein schönes Nest!«
Es schien das zu sein, was Mann ertragen musste, wenn Mann eine Beziehung eingeht. Als ich Single war, hing ein einzelner, monochromer Picasso an der Wand - das war alles. Jetzt gab es Deko - diese Menge an kleinen Dingen in soften Farben, die einem überall in der Wohnung begegneten. Ich musste mich daran erst gewöhnen, doch ich war milder geworden. Marion hatte mich eingesponnen in ihre schöne Welt und ich genoss die Verschönerungen, die sie in unsere kleine, gemeinsame Welt zauberte.
Wir hatten uns gefunden, ruhten in uns und in unserer Beziehung und genossen die häusliche Geborgenheit. Wir waren uns selbst genug. Am liebsten schmiegten wir uns zu Hause aneinander. Wir gingen kaum unter Menschen und man musste uns für langweilig halten. So hatten wir keinen besonderen, konzessionierten Raum gebraucht, um einander zu finden. Wir waren uns nicht auf einer Party oder in einem Klub begegnet, sondern in einer natürlichen Situation, mitten im Alltag - es war in dem Schuhhaus geschehen, in dem Marion arbeitete. Marion und ich hatten nur wenig Kontakt zu anderen Menschen und mischten uns nicht gerne unter sie. Es war einfach nicht unsere Art. Es war keinerlei Trubel um uns, wir machten die Nacht nicht zum Tage, erlebten nicht viel Rausch, Alkohol zu trinken war wie eine fremde Sprache für uns.
»Wie kann ich dich bloß aus deiner Winterlethargie herausreißen?«, fragte Marion sich ratlos, nachdem sie mir schon Vitamin-Pillen in allen Farben mitgebracht hatte. »Du weißt, ich würde alles für dich tun, mein Engel. Aber im Moment fehlt mir einfach die Idee … Vielleicht sollten wir mal wieder nach Paris fahren. Du hast gesagt, wie schön die Stadt selbst im Regen sei. Es gibt noch so vieles, was du dir dort ansehen willst.«
Doch ich hatte keine Lust auf möglichen Regen. Und Marion zündete jeden Abend Kerzen an. Während sie es für Licht hielt, hielt ich es für glänzende Dunkelheit.
Wir gingen jetzt mehr ins Kino, ins Theater oder in die Oper, als in der übrigen Zeit des Jahres. Ich mochte das Ereignis an sich: Gut gekleidet auf den großen Tempel des Staatstheaters zuzuschreiten, sich in die bessere Gesellschaft zu mischen, die sich auf den Wandelgängen sammelte, bevor sie in die dämmrige heilige Halle eintrat. Marion war an solchen Abenden umwerfend. Aus gehobenem Hause stammend, war sie diese Abende gewöhnt. Und ich genoss die kostbare Schönheit, die sie an sich hatte. Marion trug schimmernde, dunkle Seide, aufwendigen Schmuck und ihr bestes Parfum, und sie strahlte dabei eine kunstsinnige und sinnliche Ernsthaftigkeit aus. In ihren samten schimmernden, hochhackigen Schuhen war sie sogar ein Stück größer als ich, aber das begeisterte mich umso mehr. Ich war stolz, dass ich an der Seite einer solchen Frau war. Ich liebte das Überragende, das Edle und Graziöse, das Frauen wie Marion an solchen Opern-Abenden hatten. Sie war ein Flaggschiff an Eleganz und Reiz, das unter den Kronleuchtern und ihrem Diamantlicht über die Gänge rauschte. Es war ein Fest männlicher Bewunderung, Frauen wie ihr an solchen Abenden zu begegnen, sie zu sehen, zu erleben.
Auch gingen wir über Winter einige Male ins Restaurant. Zum ersten Mal auch in dieses neue asiatische Restaurant, von dem man überall hörte. Es war unheimlich angesagt. Am Wochenende standen die Leute dort Schlange und warteten auf einen freien Tisch. Wenn man jedoch reserviert hatte, dann wurde man von einem Special Service Agent an ihnen vorbeigeschleust wie ein Promi. Das Ganze kam mir vor wie der letzte Schrei amerikanischer Gastronomie. Man fühlte sich wie in einem Lokal in Downtown L.A. Jeder Tisch bekam einen Tisch-Computer, der die Zeit von exakt zwei Stunden in großen Ziffern herunterzählte. Mit dem Gerät bestellte man dann einzelne Dinge wie drei Pilze oder zwei Stücke Brokkoli. Die kamen auf den Armen schwarz gewandeter Ninjas an den Tisch. Um davon satt zu werden, musste man ungefähr fünfundzwanzig Mal bestellen - und deshalb wurde es hier nie langweilig.
Einmal in diesen Tagen besuchten wir die städtische Kunstsammlung. »Das wird meinen Schriftsteller etwas aufmuntern«, wusste Marion. Die Farben von Purrmann, Slevogt und Liebermann taten gut. Und bei einigen Akt-Gemälden gab Marion sich wirklich Mühe und wollte mit mir erotisch diskutieren. Sie wollte mir fleischliche Rundungen schmackhaft machen, doch ich war nicht in der Stimmung. Nichts konnte mich in dieser Zeit begeistern oder inspirieren. Danach saßen wir in der Bar des Museums und tranken einen Cocktail in erquickenden Neonfarben. Die Bar hatte Schick in der Optik schwarzen, polierten Steins. Sie war glänzend und kalt und verlassen, mit dem Gefühl von Stille, Einsamkeit und Isolation. Das erinnerte durchaus an einige Bilder von Edward Hopper in seinem Subtil-Realismus …
Ich fasste Marions Hände und wir sahen uns an. Ich schaute in ihre schönen, klugen und warmherzigen Augen, tief in dieses Blau, das mich an das tropische Uferwasser eines weit entfernten Meeres erinnerte. Ein Blau wie ein Horizont, der mir unentwegt entgegenkam, wie der kommende Tag, eine Hemisphäre voller Licht und Wärme. Ich konnte Ewigkeiten in Marions Augen schauen und darin glücklich sein. Diese Augen, umspielt von blonden Wellen, waren mein Element. Ich tauchte tief in diesem Blau, wollte all das in ihrer Tiefe verstehen. Reichte bis dorthin, wo es leicht dunkelte und abglitt, und so etwas wie eine namenlose Melancholie begann, die sehr sinnlich und rätselhaft und abgründig war und wo ich vielleicht mich selbst wiedersah, die mir ebenso wie alles an ihr gefiel und die mich über die Maßen faszinierte.
»Was