Bergretter und fesche Dirndl: Wildbach Bergroman Sammelband 6 Romane. Sandy Palmer

Bergretter und fesche Dirndl: Wildbach Bergroman Sammelband 6 Romane - Sandy Palmer


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»Hauptsache, du bist gekommen.«

      Die ganze Zeit über hatte er Raphael unverhohlen gemustert. Es schien, als müsse er in seiner Erinnerung wühlen, um das Gesicht einordnen zu können.

      »Bist net der Bub vom Harlander?«, fragte er schließlich. Sein Blick wechselte zu der jungen Frau und wieder zurück.

      »Der bin ich«, bestätigte Raphael. »Ich bin seit ein paar Tagen wieder im Tal und wollt’ die Johanne net allein gehen lassen. Nach so vielen Jahren in der Stadt gibt’s viel zu erzählen.«

      »Da hast du recht«, meinte der Fernauer und grinste breit. »Hockt euch nieder! Bestimmt habt ihr Hunger und Durst. Ich bin gleich wieder da.« Er verschwand in der Küche, die hinter dem Tresen lag.

      Die beiden Verliebten wählten einen Platz direkt am Fenster. Von hier aus hatte man bei guter Sicht einen herrlichen Blick auf die wilde Bergwelt zwischen »Sonnenberg« und »Steingau«.

      Das Unwetter raste heran. Dicke Tropfen prasselten gegen die Scheiben. Die Regenschleier hüllten alles in ein tristes Grau. Man konnte kaum zwanzig Meter weit sehen.

      »Was wird nur, wenn das Wetter net bis zum Abend aufhört?«, fragte Johanne. Sie hielt seine warmen Hände zwischen ihren und betrachtete den Mann an ihrer Seite mit einem glücklichen Lächeln.

      »Gefangen in der Einsamkeit der Berge«, philosophierte Raphael. »Wie romantisch.«

      Der Fernauer Bernd unterbrach ihr Liebesgeflüster. Er stellte einen Korb Brot, eine Schüssel mit frischem Rührei und eine Platte mit Käse und Schinken auf den Tisch.

      »So, jetzt zapf ich euch noch eine frische Maß, und dann lasst es euch schmecken«, verlangte er. »Entschuldigt mich danach bitte, denn ich muss mich noch um einige Sachen im Haus kümmern. Heut’ Abend kommen ein paar Bergsteiger, die die Nacht hierbleiben wollen.«

      »Kann ich dir zur Hand gehen?«, bot sich Johanne an..

      »Nix da«, winkte der Fernauer ab. »Bleib du ruhig bei deinem Raphael! Da bist besser aufgehoben.« Er runzelte fragend die Stirn, als seien ihm gerade Zweifel gekommen. »Oder seid ihr kein Paar?«

      Die junge Frau errötete. Sie fühlte sich ertappt. Raphael aber ließ sich nicht irritieren.

      »Doch, das sind wir. Allerdings erst seit heute Morgen.«

      Der alte Mann nickte zustimmend und murmelte sich etwas in den Bart, das keiner von ihnen verstand. Leicht vornübergebeugt verschwand er aus der Gaststube.

      Sie genossen ihre einsame Zweisamkeit. Während sie aßen, sprachen sie viel über Vergangenheit und Zukunft. Das Wetter, das draußen tobte, interessierte sie nicht. Es würden auch wieder sonnige Stunden folgen. Es konnte ihr Glück nicht stören.

      Das Unwetter würde bald abziehen, wie die helleren Streifen am Horizont schon andeuteten. Dafür aber zogen unsichtbar für das menschliche Auge andere düstere Wolken auf. Sie waren nicht natürlicher Art, sondern Vorboten des Schicksals.

      6

      »Schluss für heute«, schimpfte Peter Finkenthal. »Es hat keinen Sinn mehr, bei diesem Wetter weiterzuarbeiten.«

      Missgestimmt schlug er die Axt in den Stamm der Fichte, unter der sie zusammengekauert standen. Er wischte sich über das regennasse Gesicht und stieß einen Fluch aus.

      »Stimmt«, bestätigte sein Kollege Bruno Atztaler. »Ich bin nass wie ein Fisch. Ein Irrsinn ist’s, wenn ihr mich fragt. Heut’ wird nix mehr mit dem Wetter.«

      Auch der Dritte im Bund, Beppo Bergner, nickte zustimmend. Es war unmöglich, bei einer solchen Witterung die ganzen umgestürzten Bäume zu entästen und zu zersägen.

      Seit einer Viertelstunde goss es wie aus Kübeln. Eine Weile hatten sie den Regen einfach ignoriert, doch nun wurde er noch heftiger. Sie mussten sich unter eine mächtige Fichte stellen. Es dauerte jedoch nicht lange, bis auch die mächtige Krone die Tropfen nicht mehr zurückhalten konnte.

      »Los, lasst uns rauf zum Fernauer Bernd gehen«, schlug Peter Finkenthal vor. »Da können wir uns wenigstens ein bisserl aufwärmen. Und eine Maß oder ein Enzian wären bei diesem Sauwetter gewiss auch net schlecht.«

      Die beiden anderen Holzfäller nahmen den Gedanken gerne auf. Sie schulterten ihre Äxte und Sägen und machten sich an den anstrengenden Aufstieg zu dem einsamen Berggasthof. Sie benötigten eine knappe halbe Stunde. Völlig durchnässt und missmutig erreichten sie das Haus und traten ein. Peter Finkenthal war der Erste, die anderen folgten prustend und schüttelten den Regen von den Umhängen und Hüten.

      Der junge Holzfäller erstarrte, als er die beiden einzigen Gäste in der Gaststube entdeckte. Das Blut schoss ihm ins Gesicht, und sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, als er seinen Schrecken und Zorn in den Griff zu bekommen versuchte.

      Er hatte Johanne sofort erkannt.

      Während seine Begleiter den alten Wirt freundlich grüßten und über das Wetter schimpften, nickte er der jungen Frau knapp zu und steuerte den wuchtigen Tresen im hinteren Teil der Stube an.

      »Grüß dich, Fernauer«, sagte er schlecht gelaunt. »Schenk mir auch eine Maß und einen Enzian ein! Ich kann’s brauchen.«

      Als er sich auf einen der hohen Hocker setzte, warf er einen verstohlenen Blick zur Seite. Er zermarterte sich das Gehirn, wer der Mann an Johannes Seite sein mochte.

      Der Zorn in ihm wuchs. Niemand hatte das Recht, mit seiner Johanne herumzupoussieren. Sie gehörte ihm und niemand anderem.

      Die anderen Männer merkten, dass er nicht ganz bei der Sache war und entweder abwesend in sein Glas schaute oder zum Fenster hinüber schielte. Hin und wieder ließ Bruno Atztaler eine Bemerkung los, die ihn ärgerte. Noch aber hatte er sich in der Gewalt und antwortete entsprechend.

      »Hör mit dem Gerede auf, Bruno!«, warnte er, als sein Kollege die spitzfindigen Bemerkungen nicht unterließ. »Trink lieber deine Maß aus! Die nächste Runde geht auf dich.«

      Nach einer halben Stunde wurde die Stimmung in der Gaststube knisternd. Es war kein böses Wort gefallen, doch man konnte die Spannung fast spüren.

      Der Fernauer Bernd merkte es genauso wie Johanne und Raphael. Sie hatte ihn schnell über Peter Finkenthal und die Ansprüche, die er sich einbildete, aufgeklärt.

      Nach der dritten Maß und zahlreichen Schnäpsen erhob sich der Holzfäller und kam auf den Tisch beim Fenster zu. Er ignorierte die mahnenden Worte des Wirtes.

      »Jetzt weiß ich auch, wer du bist«, erklärte Finkenthal und fixierte Johannes Begleiter. »Du bist der Sohn vom Harlander, net wahr?«

      »Der bin ich«, bestätigte Raphael und streckte Finkenthal die Hand entgegen. »Komm, hock dich nieder, Peter! Lass uns auf alte Tage trinken! Deine Freunde sind natürlich auch eingeladen. Fernauer, schenk bitte noch vier Enzian aus!«

      Finkenthal brummte böse. Er kannte Raphael von Kindheit an, und er hatte schon früher seine Überlegenheit und Intelligenz nie gemocht.

      »Das kannst sein lassen, Fernauer«, lehnte er ab. »Ich wollt die Johanne nur etwas fragen.«

      »Und das wäre?« Die junge Frau kannte Peter sehr gut und wusste, dass er nur Streit suchte.

      »Draußen hat’s zu regnen aufgehört«, begann Finkenthal.. »Komm, ich bring dich heim! Allein ist’s an den Hängen nach so einem Regen net ungefährlich.«

      Er griff nach ihrem Unterarm, doch sie wich ihm aus.

      »Ich kann schon selbst auf mich aufpassen«, meinte sie ernst. »Warum lässt du mich net in Ruhe, Peter? Ich möcht’ mich hier in Ruhe unterhalten. Warum also störst du uns?«

      »Reden kannst du auch mit mir«, murrte Finkenthal. »Also, sput’ dich! Wir wollen gehen.«

      Erneut versuchte er sie zu zwingen, ihm zu folgen.


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