Das Haus im Schatten. Paul Rosenhayn

Das Haus im Schatten - Paul Rosenhayn


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      Das Haus im Schatten

      Detektivgeschichten

      Paul Rosenhayn

      Das Haus im Schatten

      © 1930 Paul Rosenhayn

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711592687

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      Das Haus im Schatten

      „Endlich!‘‘

      Der Mann, der seit nahezu zwei Stunden vor der Tür des Hauses der Avenue Wagram gestanden hatte, atmete auf und trat auf den Herrn zu, der aus dem Dunkel der Nacht sich losgelöst und das Haus betreten hatte.

      „Ich habe wohl die Ehre, Mr. Jenkins vor mir zu sehen?“

      Der Angeredete drückte auf den Knopf einer Taschenlaterne, und ein greller Lichtschein flutete über die Erscheinung des Wartenden. Der Detektiv schien von der Prüfung befriedigt zu sein, denn er fragte: „Was steht zu Diensten?“

      „Etwas sehr Wichtiges, Mr. Jenkins! Wollen Sie mir gestatten, einen Augenblick mit in Ihre Wohnung zu kommen?“

      „Kommen Sie!“

      Der Detektiv öffnete den Lift, drückte auf den Knopf, und nach einer Minute betraten die beiden die Wohnung im zweiten Stock.

      „Ich bin glücklich, Sie noch getroffen zu haben, Mr. Jenkins“, begann der nächtliche Besucher. „Und wenn ich von zwei bis vier Uhr nachts vor Ihrer Tür gewartet habe, so wird Ihnen dies allein schon genug sagen. Es ist in der Tat ein rätselhafter Anlaß, der mich zu Ihnen führt; wenn ich daran denke, so zittern mir noch jetzt alle Glieder.“

      „Einen Augenblick“, unterbrach ihn der Detektiv. „Wie ich sehe, sind Sie seit heute nachmittag — richtiger gesagt, seit gestern nachmittag vier Uhr unterwegs. Sie haben seit dieser Zeit nur auf einen Augenblick Ihre Wohnung wieder aufgesucht, haben kein Licht gemacht und sind nach etwa fünf Minuten wieder fortgegangen.“

      Der Besucher sprang mit einem Satz auf die Füße und starrte den Detektiv an, der ihn mit ruhigem Lächeln betrachtete.

      „Keine Ursache sich aufzuregen“, fuhr dieser fort. „Die Sache ist höchst einfach. Die Spritzer, die Ihre Beinkleider bis zu den Knien hinauf bedecken, beweisen mir, daß Sie bei Regenwetter unterwegs waren. Nun, der Regen hat heute um vier Uhr aufgehört. Ihre Schuhe dagegen sind sauber, ein Zeichen, daß Sie inzwischen zu Hause waren und Ihr Fußzeug gewechselt haben. Auch sehe ich, daß an Ihrem linken Beinkleid die Flecke zum Teil abgebürstet sind, während das rechte Bein voller Spritzer ist. Ein Beweis, daß Sie in Ihrem Zimmer nicht erst Licht gemacht haben, sich in höchster Eile abgebürstet und die Wohnung sofort wieder verlassen haben.“

      „In der Tat, Mr. Jenkins“, antwortete der Besucher. „Es ist wörtlich so wie Sie sagen. Und da Sie, wie ich sehe, tiefer blicken als die meisten Menschen, so werden Sie mir vielleicht auch Aufschluß in der merkwürdigen Sache geben können, in der ich zu Ihnen komme.“

      Er setzte sich wieder in seinen Sessel und fuhr fort:

      „Ich bin der Besitzer des Hauses Rue Miramare 84. Es ist ein altes Haus, das sich seit etwa hundert Jahren in unserer Familie vererbt hat. Bis vor einem Jahre hatte ich es an einen Lumpenhändler vermietet, der das Parterre und die beiden Stockwerke als Bureau und Lager benutzte. Seitdem er fortgezogen ist, um sich zu vergrößern, habe ich das Haus nicht wieder vermieten können. Nun — ein Wunder ist es nicht, denn es ist ein baufälliger Kasten und es liegt in einer ziemlich verrufenen Straße. Und dann hat es noch einen Fehler: die Fenster liegen nach Norden und das Haus hat daher überhaupt keine Sonne. Es wird, wie mir zufällig zu Ohren kam, in der Nachbarschaft nicht anders genannt als: ‚Das Haus im Schatten‘, und man knüpft sogar allerhand sagenhafte Gerüchte aus alter Zeit an das Gebäude, die indessen unbegründet sind, wie ich als Besitzer wohl am besten wissen muß. Nun, wie ich Ihnen sagte, Mr. Jenkins: das Haus steht seit einem Jahre leer. Die Schilder an den Fenstern mit der Aufschrift: Zu vermieten oder zu verkaufen, sind allmählich verwittert und unleserlich geworden, und ich dachte schon darüber nach, ob es überhaupt noch Zweck hätte, sie durch neue zu ersetzen, als etwas Unerwartetes geschah. Eines Abends kam ein Mann zu mir und fragte mich, ob ich ihm das Haus vermieten wolle und was ich dafür haben wolle. Ich nannte ihm einen bescheidenen Preis: 3000 Franken pro Jahr, und er akzeptierte ohne weiteres. Er wolle vorläufig auf ein Jahr mieten, erklärte er mir, habe aber die Absicht, das Haus später zu kaufen. Daher müsse er zur Bedingung machen, daß ich mich von heute ab mit keinem andern auf eine Unterhandlung wegen meines Hauses einlasse und vor allem von heute ab niemandem das Haus zeigen werde. Nun, ich war zwar ein wenig erstaunt über diese Bedingungen, aber ich akzeptierte sie mit Freuden, denn das verflossene Jahr hatte mir gezeigt, wie wenig Aussicht vorhanden war, für das Haus überhaupt einen Interessenten zu finden. Der Mieter zahlte auf der Stelle für den ersten Monat 250 Franken an und erhielt die Schlüssel.“

      „Wann war dies?“ fragte Joe Jenkins.

      „Am 1. Februar. Also vor einem Monat und drei Tagen.“

      „Wie hieß der Mieter?“

      „Er nannte sich Aristide Granard. Ich erbot mich, das Haus von Grund auf reinigen zu lassen, was Herr Granard ablehnte. Er erklärte mir, dies sei überflüssig, denn er habe genügend Personal, um es selbst besorgen zu können. Nun, ich hatte keinen Grund, ihn von diesem Vorhaben abzubringen.“

      „Zu welchem Zweck mietete Herr Granard das Haus?“ fragte Jenkins. „Hat er sich darüber ausgesprochen?“

      „Ja. Er erklärte mir, er wolle eine galvanoplastische Anstalt errichten. Wie Sie sich denken können, war ich froh, das Haus vermietet zu haben. Ich ging in den nächsten Tagen ein paarmal durch die Rue Miramare an meinem Hause vorbei und sah einmal einen großen Wagen, aus dem verschiedene Gegenstände abgeladen und ins Haus gebracht wurden. Sie waren in Tücher eingehüllt und eingenäht, nach den Umrissen mochten es Maschinen sein. Ich konnte mich nicht enthalten, einen Augenblick in das Haus zu treten; auf mein Klingeln öffnete Herr Granard persönlich. Er schien über mein Kommen ziemlich erstaunt, ich möchte fast sagen bestürzt zu sein, denn er fragte mich mit hastigen Worten, was ich wünsche. ‚Nichts Besonderes.‘ erwiderte ich, ‚ich möchte nur fragen, wie Sie mit dem Hause zufrieden sind.‘ ‚Ganz gut, ganz gut‘, rief er und drängte mich fast zur Tür hinaus. Ich war über sein Verhalten ziemlich verwundert, wie Sie sich denken können. Aber schließlich konnte er in seinem Hause machen was er wollte.

      Es mochten etwa vierzehn Tage vergangen sein, als ich eines Nachts etwa um 1 2 3 an meinem Hause in der Rue Miramare vorüberkam. Ich hatte mit einem Freunde Karten gespielt und es war darüber ein wenig spät geworden. Gerade als ich an meinem Hause vorüberschritt, überholte mich ein Auto und hielt plötzlich vor Nummer 84. Neugierig blieb ich stehen und sah, daß aus dem Wagen zwei Herren stiegen, die die Tür des Hauses aufschlossen und eintraten. In dem Moment, als das Auto abfahren wollte, kam von der entgegengesetzten Seite ein anderes Auto, dem ebenfalls ein Herr entstieg; wie ich gleich darauf erkannte, war es Herr Granard. Er schloß eiligst auf und kam zu meinem Erstaunen nach etwa einer Minute mit einem der vorher angekommenen Herren zurück. Die beiden bestiegen das noch wartende Auto und fuhren in der Richtung nach dem Boulevard Montmartre wieder davon. Eben wollte ich fortgehen, als ein drittes Auto angefahren kam, aus dem wieder zwei Herren stiegen. Sie klopften in einer eigentümlichen Weise an die Tür, als diese mit einem Ruck aufflog, und zwar ohne daß jemand dastand, der sie geöffnet haben konnte.“

      „Woraus schließen Sie dies?“ fragte der Detektiv.

      „Die Tür drehte sich schnell um ihre Achse und stieß krachend gegen die Wand, ein Beweis, daß niemand dahinter stand. Aber auch davor stand niemand, denn sonst hätte ich ihn sehen müssen.“

      „Was geschah dann?“


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