Gesammelte Werke. Ricarda Huch

Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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ihren Gegnern, die ihre Kraft noch nicht gesammelt, noch keinen Plan gefaßt hatten, überlegen. Allein der Geist der Ordnung und Billigkeit siegte, namentlich durch Ulrich Schmid und Christoph Schappeler, so daß man sich einig wurde, mit den Herren in Liebe und Freundschaft zu verhandeln. In Memmingen, der wohlhabenden oberschwäbischen Stadt, kamen fünfzig Bauernführer, mit einem Ehrentrunk empfangen, zusammen, um sich über Gewalt oder Vertrag und über ein Programm, das ihre Forderungen enthielte, zu einigen. Sie bildeten das Parlament, das die sogenannte Christliche Vereinigung, mehrere Haufen, die sich untereinander verständigt hatten, vertrat. Wahrscheinlich entstanden um die Mitte März 1525 in Memmingen die berühmt gewordenen 12 Artikel, die von den meisten Bauernhaufen angenommen wurden. Für ihren Verfasser wird Christoph Schappeler von St. Gallen gehalten, der in Memmingen Prediger war und sich der Bauern warm und aufrichtig annahm. Die 12 Artikel sollten, das war die Meinung, in ganz Deutschland Gesetz werden, wenn die vierzehn gelehrten und frommen Männer, die man wählen wollte, sie der Heiligen Schrift gemäß gefunden hätten. In einer Vorrede wurde der Vorwurf zurückgewiesen, daß das Evangelium schuld am Aufruhr der Bauern sei. Das Evangelium, das eitel Liebe predige, könne keinen Aufruhr verursachen, überhaupt aber seien die Bauern keine Aufrührer, da sie nur beanspruchten, gemäß dem Evangelium zu leben. Folgendes ist in Kürze der Inhalt der 12 Artikel: Die Gemeinde wählt den Pfarrer selbst. Der große Zehnter soll gezahlt werden, soll aber zum Unterhalt des Pfarrers dienen; was übrig ist, soll an Bedürftige ausgeliehen werden. Der kleine Zehnter soll nicht mehr gegeben werden. Die Leibeigenschaft wird aufgehoben. Mehrere Artikel betreffen das Jagdrecht, die Verhütung des Wildschadens, die Nutzung des Waldes, das Abtun des Todfalls, die schweren Strafen, die Vermehrung der Dienste. Die Allmenden, die der Gemeinde gehörigen Wiesen und Äcker, die zum Teil die Fürsten sich angeeignet hatten, sollen, wenn sie nicht rechtlich erkauft sind, zurückgegeben werden. Schließlich soll alles nach der Heiligen Schrift geordnet werden.

      Die Mäßigung, die die Bauern in den 12 Artikeln sich auferlegten, ist bewundernswert. Wie die Humanisten und die Lutheraner wollten auch sie zu den Quellen zurückkehren. Beim alten Recht wollten sie bleiben, die unbilligen, ungerechtfertigten Neuerungen lehnten sie ab. Wenn der Rat von Venedig auf die Nachricht hin, daß die lutherischen Bauern im Reich ihren Herrn die schuldigen Abgaben nicht mehr leisten wollten, bemerkte, sie täten wie ihre Herren, die dem Papst auch nicht zahlen wollten, was sie ihm schuldeten, so hatte er mit dieser witzigen Wendung recht, ja, die lutherischen Fürsten entzogen der Kirche weit mehr, als die Bauern ihren Herren entziehen wollten. Auch der Papst hatte seine Ansprüche vermehrt, hatte höhere Annaten und Palliengelder verlangt als ihm zustanden, wie die Betroffenen meinten: bald zahlten sie ihm überhaupt keine mehr. Allgemein war die Forderung, daß kein Geld mehr nach Rom fließe, obwohl diese Leistungen seit Jahrhunderten zu Recht bestanden. Luther wie Hutten entrüsteten sich über die Sklaverei, in der die Deutschen vom Papst gehalten würden, nicht nur erlaubt, sondern rühmlich fanden sie es, sie abzuschütteln. Zu den Verhältnissen der Urkirche zurückzukehren war nach Luther eine Umkehr, deren Berechtigung gar nicht in Frage stand; auch die Bauern wollten zu der Freiheit zurückkehren, die der deutsche Bauer in der Frühzeit des Mittelalters besessen und die sich in einzelnen Gegenden, in Tirol, der Schweiz, in Niederdeutschland erhalten hatte. Indessen was half es ihnen, daß sie ebensoviel Recht hatten wie andere? Einzig darauf kam es an, ob sie die Kraft hätten, das, was sie für ihr Recht hielten, zu erobern.

      Zum eigentlichen Mittelpunkt der Bewegung wurde aber doch nicht Oberschwaben, sondern Franken, das Gebiet, wo im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts der Pfeifer von Niklashausen mit seiner Botschaft von der Gleichheit und Brüderlichkeit die Menge bezaubert und sein junges Leben hatte lassen müssen. Hier, wo an der Spitze des sogenannten schwarzen Haufens der Ritter Florian Geyer, ein militärisch kundiger und charaktervoller Mann stand, mußte sich das ganze Land, Adel und Städte, den Bauern unterwerfen, nur die Burg hoch über der Stadt Würzburg behielt eine bischöfliche Besatzung; der Bischof selbst entfloh. Von Franken aus wurde in Heilbronn, das sich gleichfalls hatte anschließen müssen, ein Bauernrat eingesetzt, der die Revolution leiten und ihr ein Ziel setzen sollte. Sämtliche Haufen sollten in ihm vertreten sein. Durch ihn wurde die Bauernbewegung, die mit vereinzelten Aufständen, fast zufällig, begonnen hatte, zu einer einheitlichen, planvollen Macht, der es nicht nur darauf ankam, der Bauernschaft Erleichterungen zu verschaffen und sie von der Hörigkeit zu befreien, sondern die es unternahm, die langersehnte Reichsreform durchzuführen, in die die Reformation des Bauernstandes eingegliedert werden sollte. Der bedeutendste Kopf des Bauernrates war Wendel Hipler, früher hohenlohischer Kanzler, der sich mit seinem Grafen entzweit hatte; beratend stand ihm der kurmainzische Amtmann von Miltenberg, Friedrich Weigand, zur Seite. Die von ihnen ausgearbeitete Reformation nahm den Grundgedanken des einstigen Cusanischen Vorschlags auf: Stärkung der kaiserlichen Gewalt und Begründung von Landgerichten, übrigens erinnerte sie an die sogenannte Reformation des Kaisers Siegmund aus dem Jahre 1476 und ähnliche seitdem entstandene, zugunsten des armen Mannes verfaßte Reformschriften. Es versteht sich, daß die sozialen Forderungen der 12 Artikel auch hier erschienen, dazu Wegfall der Zölle, Gleichheit von Münze, Maß und Gewicht, Aufhebung der großen Handelsgesellschaften. Nur dem Kaiser sollte gesteuert werden. Die Einziehung der geistlichen Güter sollte das Geld zur Besoldung der Geistlichen und zur Armenversorgung liefern. Weder Geistliche noch Juristen sollten fürstliche Räte werden können, Juristen auch nicht in den Gerichten sitzen. Dagegen, und das war besonders wichtig, sollten die Bauern sowohl im Reichsregiment wie im Kammergericht und in unteren Gerichten, in den städtischen und ländlichen Räten vertreten sein. Nur durch Anteil an der politischen Macht könnten die Bauern, glaubte man, ihren sozialen Gewinn befestigen. Das Verbot der Bündnisse von Fürsten, die bisher einzig das Bündnisrecht besessen und dadurch einen so gewaltigen Vorteil vor den übrigen Ständen gehabt hatten, sollte der Stärkung der kaiserlichen Gewalt und dem Landfrieden dienen.

      Der Reformationsentwurf bedeutete zwar eine Umwälzung der bestehenden Verhältnisse, aber er war nicht eigentlich radikal und ging nicht darauf aus, wie Leonhard von Eck sagte und wie wohl das Gerücht verbreitete, den gesamten Adel bis auf den Kaiser auszurotten. Als Ausrottung mochten immerhin den Fürsten die starke Beschränkung ihrer Souveränität und dem Adel die Aufhebung der Leibeigenschaft erscheinen.

      Wie berechtigt uns die Wünsche der Bauern und wie gemäßigt ihre Forderungen vorkommen mögen, die Herrschenden von damals standen der Schicht, von deren Arbeit sie lebten, ebenso grundsätzlich taub und verhärtet gegenüber wie später die Bourgeoisie den Arbeitern. Der bayrische Kanzler Leonhard von Eck hielt die Bauern kaum für Menschen, jedenfalls für Menschen niederer Art, denen gegenüber alle Regeln in bezug auf den Nächsten keine Geltung haben. Eine Regung der Menschlichkeit gegenüber den Bauern wäre ihm nie gekommen und ärgerte ihn, wenn er sie bei andern wahrnahm; daß Erzherzog Ferdinand einen Vertrag mit ihnen abschließen wollte, fand er empörend. Wer den Bauern vertraut, zieht sich einen Feind, war seine Regel. »Sind elende Bauern, wenn man ihnen einmal nachgibt, so hört das Geläuf nicht auf, wollen alle gern frei sein.« Die so sehr berechtigte Klage der Bauern über die Wildschäden gab ihm und dem Herzog Wilhelm zu Scherzen Anlaß. Der Herzog nämlich war ein Liebhaber der Jagd, Eck des Angelns. Er wolle den Bauern, sagte der Herzog, wohl das Wasser zum Fischen freigeben, aber nicht die Wälder zum Jagen, worauf Eck erwiderte, das könne er nicht leiden, die Gewässer müßten gebannt bleiben, aber das Wildpret, das möge seinetwegen frei werden. Er ließ sich nicht ausreden, daß der Bauern eigentliche Absicht sei, alles gemein zu machen. »Ich habe mit meinen natürlichen und leiblichen Geschwistern nicht gern geteilt, ich geschweige der Fremden und Bauern« oder »Ich möchte auch leiden, daß die Fugger die brüderliche Lieb mit mir hielten und teilten«, scherzte er. Es machte ihn zornig, daß nicht sofort mit den Bauern aufgeräumt wurde. Mit den Bauern müsse man handeln, als wäre der Türke im Lande, war seine Meinung. Am besten bekämpfe man sie mit fremden Leuten, Stradioten oder Böhmen; es war zu fürchten, daß die Landsknechte, die ja selbst Bauernsöhne waren, sich weigern würden, mit der erforderten Grausamkeit gegen die Bauern zu wüten. Wenn die Bauern verhandeln wollten, sollte man so tun, als wolle man darauf eingehen, bis das Kriegsvolk beieinander sei, und dann sie überfallen. Herzog Wilhelm war mit seinem Kanzler einer Meinung; aber als die Salzburger Bauern sich gegen ihren Erzbischof erhoben und überhaupt die geistliche Herrschaft, da sie Lutheraner waren, ablehnten, wollte er die Gelegenheit nützen, Bayern durch die Erwerbung Salzburgs abzurunden und die aufständischen Bauern fragen, ob


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