Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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glücklich nach Landshut und am Tage darauf nach Freising; aber von dort an nahm die Unwegsamkeit der Straße so zu, daß der Diener, welcher die Zügel führte, in große Sorge geriet und endlich anhielt mit den Worten, daß er sich nicht weiter traue oder wenigstens der Verantwortung enthoben sein wolle. Der Bader Thomason stieg aus, um die Gelegenheit zu betrachten, und sagte nach einer Weile, zu Fuße würden sie vollends steckenbleiben, da sie keine hohen Stiefel hätten, und weil sie doch nach München wollten, sei sein Vorschlag, daß sie es mit Gott versuchten, hindurchzufahren. Martinitz warf nur obenhin einen Blick auf die Straße und sagte, freilich müßten sie weiter, nachdem ihn die Himmelskönigin eben erst beim Sturze von der Burg so tapfer behütet habe, wolle er sich jetzt nicht durch Zweifel beflecken. Auch hätten sie ja vier Pferde vor dem Wagen, man solle nur in Gottes Namen daraufschlagen. Unter Peitschenknallen, Stolpern und Ziehen wurde die Reise langsam fortgesetzt; indessen als die Dämmerung hereinbrach, kam es doch dahin, daß der Wagen umschlug, wobei zwar die Insassen mit einigen Quetschungen und Schrammen davonkamen, aber die Deichsel zerbrach. Martinitz half den Wagen aufrichten, was nach schweren Bemühungen glückte, und setzte sich dann auf einen Stein am Wege und betete, während die anderen mit den wenigen Werkzeugen, die sie bei sich hatten, das Fahrzeug leidlich zusammenflickten. Über den Saatfeldern und fernen sammetschwarzen Wäldern schwebte der Himmel wie ein ungeheurer Adler, von dessen Sturmfluge ein leiser, stetiger Luftzug über die tiefe Erde strich. Von München aus habe er die Absicht, nach Altötting zu pilgern, sagte Martinitz, sein Gebet unterbrechend, es komme ihm unglaublich vor, daß Gott fromme katholische Reisende im Stiche lassen sollte. Er möchte sich fast verbürgen, daß sie noch vor Mitternacht vor den Toren Münchens ankämen.

      Dies bewahrheitete sich, und der Exulant fand eine ziemliche Unterkunft im Wirtshause zum Güldenen Hirschen, wo er schon am folgenden Morgen vom Generalleutnant von Tilly, den er aus früherer Zeit gut kannte, und von des Herzogs Kämmerer Max Kurtz besucht wurde. Als dieser ausrichtete, der Herzog wolle Martinitz seine besten Leibärzte und Chirurgen schicken, um ihn zu behandeln, lachte er überlaut und sagte, er habe den allerbesten Arzt, das sei die Jungfrau Maria, die habe ihn bereits so gut kuriert, daß nur noch ein paar blaue Flecken als Spuren des greulichen Sturzes übrig wären. Tilly sah dem Geretteten andächtig zu, wie er in die Luft sprang und mit den Armen um sich hieb, um zu beweisen, daß ihm nichts fehle, und sagte, er hoffe, Gott möge sich seiner, Tillys, bedienen, um die Ketzerei in Böhmen auszurotten und die notleidende Kirche wieder aufzurichten. Ob Gott ihn eines Märtyrertums, wie Martinitz und Slawata erlitten hätten, würdig halte, wisse er nicht, aber sein Eifer dazu sei stark und mächtig, und nichts wünsche er mehr, als daß Gott das Opfer seines Lebens annähme. Wenn Martinitz ihm die Ehre antun wolle, in seinem Hause zu wohnen, so wolle er ihm dafür als für eine Gnade danken, und er zweifle nicht, daß sein Herr, der Herzog, damit einverstanden wäre.

      Bei Tilly blieb Martinitz einige Wochen, bis seine Familie sich mit ihm vereinigte, mit der er dann ein Bürgerhaus am Viehmarkte bezog. Da in Prag zunächst kein Umschwung eintrat, vielmehr ein Regiment unkatholischer Direktoren eingesetzt, endlich sogar der Kurfürst von der Pfalz zum Könige gewählt wurde, dachte Martinitz nicht an Heimkehr, sondern siedelte von München auf den Befehl des nunmehrigen Kaisers Ferdinand nach Passau über, wohin sich auch Slawata mit den Seinigen flüchtete. Unter dem Schutze des Erzherzog-Bischofs Leopold, mit dem sie zur Zeit Kaiser Rudolfs und des Passauer Einfalls in gutem Einvernehmen gestanden, dem sie sogar die Nachfolge hatten zuwenden wollen, erwarteten sie in behaglichem Frieden, doch nicht ohne Ungeduld die Gelegenheit, nach Böhmen zurückzukehren und sich ihrer Güter wieder zu bemächtigen.

      *

      Das Ereignis des Fenstersturzes vermehrte den Streit und die Unruhe in der Wiener Hofburg; denn Maximilian und Ferdinand wollten die Empörung, als was sie den Vorfall ansahen, sofort gewaltsam niederschlagen, wohingegen Khlesl der Ansicht war, der Kaiser müsse einstweilen nach Beschwichtigung und Vermittelung trachten. Es sei ein wahres Sprichwort, sagte Khlesl, daß man nur den hängen könnte, den man habe. Wie wollte man denn aber der Schuldigen mächtig werden? Womit wollte man löschen, wenn es einmal brennte? Das Feuer würde Land und Leute bis aufs Hemd und alle miteinander fressen. Wovon sollte man leben, wenn die reichen böhmischen Einkünfte ausblieben? Der Kaiser könne nicht einmal den Kräutler und den Käsestecher bezahlen!

      Dem Kaiser leuchtete die Ansicht Khlesls ein, und so wurde denn, während unter der Hand geworben und gerüstet wurde, ein sanft mahnendes Schreiben an die böhmischen Stände erlassen, sie sollten ihr unziemliches Rebellieren einstellen, anstatt dessen wegen vorhandener Schäden ordentliche Klagen einreichen, vor allen Dingen aber die eigenmächtig geworbenen Soldaten entlassen, so werde der Kaiser ihnen auch wiederum gnädig sein.

      Die Stände erwiderten den Brief mit einem Schreiben, in dem sie versicherten, das sie sich durchaus keine Rebellion anmaßten, auch die geworbenen Soldaten unverweilt entlassen würden, wenn der Kaiser zuvor seine Werbungen einstellte, die nach der Aussage friedhässiger Leute gegen sie gerichtet wären; denn sie könnten, solange sie von Krieg und Überfall bedroht wären, die Rüstung nicht wohl ablegen, begehrten aber nichts anderes, als nach wie vor des Kaisers gehorsame und treue Untertanen zu sein.

      In Hinblick auf die Geldnot des Kaisers, die ihm nach Khlesls Ansicht das Kriegführen unmöglich machte, spielte der Erzherzog Maximilian auf Khlesls großes Vermögen an, womit er aushelfen könne; aber darauf wollte sich der Erzbischof nicht einlassen, machte vielmehr ein großes Aufheben von den Summen, die er Matthias schon vorgestreckt und nicht zurückerhalten habe. Maximilian jedoch brachte dies Vermögen nicht aus dem Sinn: sie wären aus aller Verlegenheit und hätten, was sie brauchten, sagte er zu Ferdinand, wenn sie dem losen Buben sein Recht zuteil werden ließen und sein Hab und Gut, das ohnedies erstohlen wäre, dem Kaiser zufiele. Mit einem Galgen, einem Strick und dem rechten Mann daran wolle er ganz Österreich und Böhmen und das Reich dazu in Ordnung bringen.

      Während in Böhmen die Rüstung in vollem Gange war, führten die Verhandlungen des Kaisers mit den Ungarn so weit zu einem Verständnis, daß am 1. Juli Ferdinands Krönung in Preßburg vorgenommen werden konnte. Khlesl hatte es sich nicht nehmen lassen, mit zu der Feier zu reisen, wiewohl sein Herz nicht festlich gestimmt war, und sah mit anderen Herren von einem Balkon des erzbischöflichen Palastes, in dem er wohnte, dem in der mächtigen Sommersonne funkelnden Aufzuge zu. Eben als ein Esterhazy mit seinen bewaffneten Untergebenen vorüberritt und Khlesl sich, um ihn besser zu sehen, über die Balustrade beugte, schwirrte der Bolzen einer Armbrust hart an ihm vorbei und blieb in der Wand des hinter dem Balkon liegenden Zimmers stecken. Indes die Herren hineilten, das noch zitternde Geschoß betrachteten und sich über den Zufall verwunderten, ließ sich Khlesl in einen Sessel fallen und trocknete mit einem Tüchlein den Schweiß von der Stirne. »Das war kein Zufall,« sagte er mit schwacher Stimme, »es war ein Gruß für mich von der Fortuna.« Das sei eine stachelige Sprache für ein Frauenzimmer, lachten die Herren, worauf Khlesl sagte, es sei ihr Abschiedsgruß, dabei pflegten die Weiber, habe er sagen hören, mehr zu beißen als zu küssen. Dies gab wiederum zu Scherzen Anlaß; denn es war bekannt, daß Khlesl von den Frauen nichts wissen wollte, auch niemals mit ihnen zu tun gehabt hatte; aber heimlich waren alle einerlei Meinung darüber, wo der Schuß seinen Ursprung genommen hätte. Die Nachforschungen, die angestellt wurden, ergaben nichts, niemand wollte von der Sache etwas gesehen haben, und Khlesl kehrte mit bedrücktem Herzen nach Wien zurück.

      Dort bereitete Maximilian schleunig die Gefangennahme Khlesls vor, wozu Ferdinand seine Einwilligung gab, um dem Kirchenfürsten wenigstens das Leben zu sparen. Der Umstand, daß Matthias gerade das Bett hütete, erleichterte es ihnen, unvermerkt die Vorbereitungen zu treffen: sie ließen nämlich einen verdeckten Gang von der Burg nach der Bastei errichten, durch welchen der verhaftete Kardinal in der Stille sollte abgeführt werden, damit nicht etwa das Volk zusammenliefe und ein Lärmen entstände.

      Als Khlesl am Vormittage zum Kaiser fahren wollte, kam gerade der Nuntius zu ihm und sagte, er solle doch heute nicht auf die Burg, es habe ihm häßlich geträumt und er fürchte, es werde ihm dort etwas Widerwärtiges begegnen. Nein, sagte Khlesl, er habe niemals etwas auf Träume gehalten; daß seine Feinde Widriges im Sinne hätten, wisse er wohl; aber er vertraue auf den Kaiser, der werde seinen treuen Diener nicht unbeschützt lassen. Er wolle nichts gegen den Kaiser oder sonst jemand anbringen, sagte der Nuntius; aber es liefe doch in dieser Zeit viel Haß und


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