Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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auf sich und schwieg ein wenig kleinlaut, aber er faßte sich wieder und sagte lächelnd, sie wären sich wohl alle mannigfacher Unvollkommenheit und Übertretung bewußt, und so täten sie allesamt am besten, auf die Gnade Gottes zu hoffen, von welcher der Sternenbogen, der schon seit Jahrtausenden ungetrübt über der menschlichen Verworrenheit stehe, ein tröstendes Bild sei.

      *

      In der Mitte des Monats März wehte der Wind aus Süden und schien die Sonne so warm, daß die Ärzte dem Kaiser Matthias eine Ausfahrt empfahlen, von welcher er jedoch statt erheitert bitterböse zurückkam, so daß seine dünnen, von faltiger Haut umschlotterten Hände hin und her zitterten. Er pflegte nämlich bei Ausfahrten Zuckerwerk unter die Kinder auszuteilen, die seinem Wagen nachliefen, und als er nun aus dem Sack, den man ihm hingelegt hatte, ein Stück herausnahm, um daran zu lutschen, merkte er, daß es ein Kieselstein war und daß die ganze Tüte nur von solchen voll war. Es entstand ein Laufen unter der Dienerschaft, ein Koch schob die Schuld auf den Konditor, der es wieder auf seine Ausläufer ablud, und endlich wurde dem Kaiser gemeldet, es habe gerade an Geld gemangelt, und da sei der Gewürzkoch auf den Einfall mit den Kieselsteinen gekommen, weil es ohnehin nur für die heillosen Gassenbuben sei; er bitte nun aber demütig um Verzeihung und wolle sogleich aus seiner Tasche gutes echtes Zuckerwerk unter die liebe Jugend verteilen lassen. Das kleine zusammengeschnurrte Gesicht des Kaisers nahm wieder einen freundlichen Ausdruck an, indem er sich zufrieden erklärte, doch klagte er noch ein wenig über die böse Welt, mit der es nun schon so weit gekommen sei, daß man sogar die schuldlosen Kindlein betröge.

      Am folgenden Tage blies der Föhn so stark, daß der Kaiser keine Ausfahrt wagen konnte, und er lag kläglich von Schmerzen geplagt in seinem Bette, von den Ärzten vertröstet, daß sie mit dem verderblichen welschen Winde wieder vergehen würden. Zwei Räte statteten ihm Bericht von den Geschäften ab, wie sich der König Christian von Dänemark beschwere, daß der Graf von Schauenburg zum Reichsfürsten ernannt sei und sich obendrein Fürst zu Holstein nenne, was eine unleidliche Provokation für ihn als Herzog von Schleswig-Holstein sei. Ferner hielt sich der König über das Reichskammergericht auf, welches entschieden hatte, daß die Stadt Hamburg eine freie Reichsstadt sei, und ermahnte den Kaiser, den Übermut und die Anmaßlichkeit der hansischen Städte nicht aufkommen zu lassen, welche sich als eine selbständige Körperschaft gebärdeten und schweizerische und holländische Grundsätze ins Reich einführen wollten, wonach man denn die Fürsten ausstopfen und in die Raritätenkammer stellen könnte. Es wäre auch spöttlich für den Kaiser, daß sie sich hinter den edlen und hochberühmten Reichsadler wie hinter einem Medusenschilde versteckten, ihn hernach aber gleichsam in den Hühnerstall sperrten, ihm die Federn ausrupften und kaum ein mageres Futterkorn gönnten.

      Andererseits beklagte sich die Stadt Hamburg, daß der König ihr ungewohnte Zölle abfordere, daß er in öffentlichen Erlassen den guten altdeutschen Elbstrom als den seinigen ungescheut bezeichnet habe und daß er schließlich ihr gegenüber eine neue Stadt gegründet und mit großen Begünstigungen ausgesteuert, ihr also gleichsam als eine Falle auf die Nase gesetzt habe, um ihr das Futter wegzuschnappen. Die Stadt Hamburg hoffe, daß der Kaiser sie nicht so jämmerlich werde verschrumpfen und aussaugen lassen, um so mehr, als sie Türken- und andere Reichssteuern stets pünktlich bezahlt habe und nicht einmal ein Bauer seiner Kuh das Heu ausgehen lasse.

      Der Kaiser sagte schmunzelnd, da wären zwei Enten, die an einem Frosch schluckten, und das beste wäre, keine bekäme ihn, da sie beide schon frech genug wären. Die Räte lachten und waren derselben Ansicht, doch meinten sie, daß der Däne als hochmütiger und unternehmender Fürst ganz besonders zu fürchten sei; sie hatten ein Mahnschreiben an ihn aufgesetzt des Inhalts, der Kaiser verwundere sich höchlich, daß der König von Dänemark so impertinent sein wolle, sich etwelcher Verachtung des heiligen Reiches zu unterstehen und den nordischen Meerstädten die uralte Handelsfreiheit zu verkürzen, welchen Schaden er verhoffentlich bald abstelle, da der Kaiser sonst zu solchen Mitteln greifen müßte, die der König nicht gern sehen würde. Den Schauenburger betreffend würde der Kaiser diesen eindringlich ermahnen, sich ungebührlicher fremder Titel zu enthalten, sich vielmehr in dieser und anderer Hinsicht wie ein ehrliebender deutscher Reichsfürst erfinden zu lassen.

      Daß König Christian sich des Grafen von Oldenburg annahm, der den Erzbischof Friedrich Adolf von Bremen verklagte, weil er seit vielen Jahren mit seiner Schwester verlobt sei, aber die Heirat zu effektuieren sich beharrlich weigere, wodurch er und seine Schwester vor aller Welt verächtlich gemacht würden, betrachteten die kaiserlichen Räte nur als einen Umschweif des Königs, um den Erzbischof von seinem Erzbistum zu bringen, in welches er bekanntlich seinen eigenen Sohn einschlüpfen lassen wollte. Er habe denselben über und über mit Gold beschmiert, damit er desto besser durch das Pförtlein einginge, aber die Domherren, wenn sie auch davon abgriffen, soviel sie könnten, hielten ihn doch sorglich auf der Seite, weil ihnen der dänische Hirtenstab zur Zeit noch etwas fremd vorkäme.

      Vielleicht, sagte der Kaiser, indem er über das ganze Gesicht lachte, wären dem König von Dänemark die Weiber ausgegangen, er solle ja ein Herkules in der Liebe sein, und wolle sich ein neues Jagdgebiet im Reiche gründen.

      Ja, sagten die Räte unter anhaltendem Gelächter, der König sei sehr amoros und halte sich auch für einen Adonis, sehe auch dergleichen aus auf den Bildern, die sein Gesandter bei seinem letzten Besuch in Wien verteilt habe. Das Frauenzimmer in Dänemark solle übrigens ausnehmend schön sein, nicht fett wie das hiesige, sondern zart und blond, dazu verliebter Natur und treulos, weil sie in ihrer Unmäßigkeit mit einem Manne nicht genug hätten.

      Wenn Dänemark nicht so weit entfernt und nicht ketzerisches Land wäre, möchte er wohl einmal dahin reisen und dem König zu Hilfe kommen, sagte der Kaiser, während die beiden vor sich niedersahen und kaum das Lachen verbeißen konnten.

      Hierauf sollte der Kaiser noch die Mansfeldische Achtserklärung unterschreiben; aber er war müde geworden und sagte verdrießlich, es habe keinen Zweck, den Bastard und Habenichts noch zu ächten, mit dem müsse Buquoy auch ohne das fertig werden, wozu bekomme er denn das viele Geld, und so weiter. Die Räte hingegen sagten, das Patent müsse durchaus morgen angeschlagen werden, baten flehentlich, der Kaiser möge doch unterschreiben, und ließen ein Süpplein kommen, um ihn wieder zu erfrischen. ›Wir setzen ihn aus dem Frieden in den Unfrieden und erlauben seinen Leib, Hab und Gut Jedermänniglichem‹, las der eine, während der andere dem Kaiser eine Feder in die Hand gab und ihm die Stelle bezeichnete, wohin er seinen Namenszug setzen sollte. Indem der Kaiser schrieb, dem vor Schläfrigkeit die Augen zufallen wollten, lief etwas Speichel und Suppe über seine herabhängende Unterlippe auf die Urkunde; er blickte errötend um sich, wischte schnell und verstohlen mit dem Ärmel seiner wollenen Nachtjacke darüber und sagte kläglich, die Suppe sei wieder so schlecht gewesen, niemand sorge für ihn, seit dem Tode der Kaiserin habe er keine einzige gute Schüssel mehr bekommen. Noch ehe die Räte sich entfernt hatten, war der Kaiser eingeschlafen und in seinen schweren Kissen und Federbetten fast verloren. Angesichts seiner Schwäche wurde sein Ableben stündlich erwartet, aber es vergingen noch zwei Tage, bis er wirklich, das ungeduldige Warten Ferdinands und seiner Anhänger endlich krönend, verstarb.

      *

      Es befand sich damals ein Abgesandter der holländischen Staaten in Prag, ein ruhiger, bedächtiger Mann, der, so behaglich man auch mit ihm plaudern konnte, über die politischen Fragen sich nie recht ausließ, und selbst bei Banketten, wo ein jeder sich aufknöpfte, einer Schnecke gleich, die die Fühler einzieht, vorsichtig in sich zurückkroch, wenn man ihn ausholen wollte.

      »Wenn Ihr, meine Herren, betrachtet und nachahmt, was wir getan haben,« sagte er einmal, »so kann es Euch gewiß nicht fehlen. Wir haben vierzig Jahre lang wie ein Wall vor unserm Hause gestanden, und wenn einer gefallen ist, ist ein anderer in die Lücke getreten. Freunde haben wir nicht gehabt als das Meer, das wir wie einen Löwen mit Blut sättigten und das uns unsere Feinde verschlingen half. Wir führten in einer Hand das Ruder, in der anderen das Schwert, waren Kriegsleute und Handelsleute zugleich, ließen uns Bettler und Krämer schelten und sind frei und reich dabei geworden.«

      Ja, sagten die böhmischen Herren, ihre Lage sei nicht so günstig, sie wären kein Meervolk, könnten auch zu keiner Eintracht kommen, weil bei der langen habsburgischen Herrschaft deutsche und böhmische Nation,


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