Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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geben, die Söldner wären ein habgieriges, ehrloses Volk, das sich ohne Geld nicht rührte. Man sollte zahlen und zahlen und könnte sich doch nicht selbst zugrunde richten.

      Ob sie denn ihre Untertanen nicht bewaffneten? fragte der Gesandte. Ja, wer denn inzwischen ihre Güter bestellen sollte? war die Antwort. Freilich ließe hie und da einer seine Bauern zu Feld ziehen, aber im ganzen sei es nicht geraten, ihnen Waffen in die Hand zu geben, die sie leicht gegen den eigenen Herrn gebrauchen könnten. Den Bauern gehe es zu gut, darum wollten sie höher hinaus und zögen sich gern hinter den Kaiser, um unter seinem Schutze sich ihren Fronden zu entziehen. Der Kaiser drangsaliere zwar seine eigenen Bauern wie einer, bei den fremden aber spiele er den Schutzherrn; darum sei es eine bewährte Erfahrung, daß man mit den Bauern nicht gegen den Kaiser ziehen könne.

      Nun, sagte der Gesandte, der den Auftrag hatte, die Böhmen auf alle Fälle bei der Kriegslust zu erhalten, die hochmögenden Herren befänden sich zwar augenblicklich im Frieden mit Spanien und könnten sich nicht geradezu gegen den Kaiser einlassen, aber das Evangelium ließen sie doch nicht im Stich, wenn es anginge, und wären gottlob imstande, die gute Sache mit Geld zu unterstützen, wenn sie guten Willen und Ausdauer sähen.

      Auf diese Vertröstung des geldmächtigen Hollands taten sich die Böhmen viel zugute, doch unterließen sie nicht, sich auch nach anderer, tatkräftigerer Unterstützung umzusehen, die sie hauptsächlich in einem geeigneten König zu finden hofften. Ein König, der Geld und Kredit hätte, meinten sie, würde ihnen mehr nützen als schaden, vorausgesetzt, daß sie seine Rechte in einem der Krönung voraufgehenden Vertrage tunlichst einschränkten. Die meisten von ihnen hielten eine aristokratische Republik mit monarchischer Spitze für die beste Staatsform, da namentlich in Kriegszeiten eine einheitliche Leitung vorteilhaft sei. Welcher Fürst für das Amt in Betracht komme, darüber gingen natürlicherweise die Ansichten auseinander. Graf Thurn und Graf Schlick, welche Lutheraner und deutscher Abkunft waren, stimmten für den Kurfürsten von Sachsen, weil er einer der mächtigsten evangelischen Fürsten und ihr Nachbar sei, vor allem aber, weil er mit dem Kaiser gut stehe und derselbe sich nicht leicht mit ihm verfeinden würde. Die Kalviner dagegen, die bei weitem in der Mehrzahl waren, wollten lieber einen König ihres Glaubens und brachten den Kurfürsten von der Pfalz in Vorschlag, der eine weit mutigere und entschlossenere Politik verfolge als der Sachse und durch seine Verwandtschaft mit England und Schweden sowie durch andere gute Verbindungen, mit den Staaten, der Union und der Schweiz, Nutzen bringen könne. Während diese beiden Fürsten zunächst noch kein Zeichen von Bereitwilligkeit verrieten, gab ein anderer große Geneigtheit zu verstehen: das war der Herzog von Savoyen, ein unruhiger, nach Vergrößerung trachtender Mann, der durch die Nachbarschaft mit Mailand oft in Streit mit Spanien geriet und als ein natürlicher Feind dieser Macht und Österreichs zu betrachten war. Er empfahl sich hauptsächlich durch fabelhaften Reichtum, der ihm zugeschrieben wurde, und wenn er auch katholisch war, so bekannte er sich doch als Feind des Papstes und behauptete, von Vorurteilen gegen Andersgläubige frei zu sein.

      Die pfälzischen Räte vernahmen von der etwa möglichen Wahl ihres Herrn auf den böhmischen Thron nicht gerne, der doch ein wenig allzu unsicher und gleichsam am Rande eines Vulkanes stand. Es war einmal nicht zu leugnen, daß Ferdinand bereits erwählter böhmischer König war, und vorauszusehen, daß er nicht gutwillig einem andern Platz machen würde. Wurde er Kaiser, so war es vollends eine heikele Sache für einen Reichsfürsten, seinem Oberhaupt im offenen Krieg entgegenzutreten, und verlor er leicht seine Bundesgenossen im Reiche. Nun hatten freilich nicht nur Pfalz, sondern auch andere ansehnliche Reichsfürsten längst beschlossen, diesmal die Kaiserkrone vom Hause Habsburg abzuwenden; allein noch hatte man sich nicht auf einen andern Kandidaten geeinigt, geschweige denn, daß ein solcher gewonnen wäre. Da von einem evangelischen Kaiser doch abgesehen werden mußte, die Kalviner sich einen lutherischen auch nicht einmal gewünscht hätten, zielte die pfälzische Politik noch immer auf den wittelsbachischen Vetter, den Herzog von Bayern, ab, und der Rat Camerarius reiste eigens nach München, um die Stimmung des verschlossenen und vorsichtigen Herrn zu erforschen. Jocher, des Herzogs erfahrenster Rat, mit dem Camerarius verhandeln mußte, wußte genau, daß sein Herr auf den Antrag der Evangelischen nicht eingehen würde; seine Aufgabe bestand nur darin, ihre etwaigen geheimen Anschläge in Erfahrung zu bringen und, wenn möglich, einen Vorteil für den Herzog herauszupressen, also zwar nicht anzunehmen, sich aber den Abschlag auch nicht gleich herauswischen zu lassen.

      Vertraulich erzählte Jocher, wie schon im vergangenen Jahre Ferdinand ihn um Hilfe angegangen und ihm Oberösterreich habe verpfänden wollen, das ihnen seiner Lage wegen natürlich anstehen würde. Sie hätten sich aber darüber noch nicht vernehmen lassen, denn es kaufe niemand ein Pferd, das ihm von selbst in den Stall liefe. Auch ohne das würde der Herzog sich jedenfalls gründlich bedenken, ob es rätlich für ihn sei, die Macht Österreichs zu stärken; denn er sei doch auch ein Reichsfürst, und die fürstliche Libertät, die durch Österreich und Spanien gefährdet würde, liege ihm wie jedem guten Deutschen am Herzen.

      Hieran knüpfte Camerarius, zählte die Schäden auf, die der habsburgische Dominat dem Reiche gebracht habe, und mahnte, was für eine hohe Aufgabe es sei, und nur von einem klugen und mächtigen Fürsten wie Maximilian zu erfüllen, die alte Kaiserherrlichkeit wieder herzustellen.

      Ja, sagte Jocher lachend, Kaiser und Reich ständen nicht gut in einem Ofen, wo eins aufgehe, schrumpfe das andre zusammen. Bei jeder neuen Wahl werde ein Stein aus der Kaiserkrone genommen und dafür ein Dorn eingesetzt, und so sei schon eine Dornenkrone daraus geworden, die einen doch nicht zum Heiligen mache, obschon sein Herr eine gewisse Anlage dazu habe. Auch Camerarius lachte und fragte, was für ein Herr der Herzog im täglichen Umgange sei? Ob er wirklich ein härenes Hemd trüge und sich geißelte, wie viele erzählten? Ob es in ganz München so streng und ehrbar zugehe wie am Hofe? Ob der Herzog wirklich nie mit Weibern zu tun hätte?

      Jocher zog die Augenbrauen hoch und war augenscheinlich von Ehrfurcht durchdrungen. »Nichts dergleichen«, sagte er; »der Mann würde ganz Bayern zu einem Kloster machen, wenn er Augen und Hände allerorten hätte. Aber Gott hat den Menschen aus Fleisch gemacht, das den Keim des Verderbens und der Fäulnis in sich trägt, und darf es nicht ans Licht, so wuchert es im verborgnen.« Laster und Vergnügen seien schwer zu trennen, und es seien unter den Beamten viele, die sagten, wenn des Herzogs Vergnügen die Arbeit sei, so könne er das doch nicht von jedem voraussetzen und verlangen, besonders da es ihnen nicht zugute komme. Zuweilen führe er der Gesundheit wegen aufs Land, und bei Festlichkeiten wolle er, daß es hoch herginge, aber das Lustigsein zähle er herunter wie einen Rosenkranz oder säge es weg wie einen Klafter Holz.

      Camerarius sagte, ihm gefielen die Menschen nicht, denen das Herz nicht einmal überlaufe. Für das Regiment möchte es freilich nützlich sein und besser taugen als die Natur seines jungen Herrn, der weder zur Arbeit noch zum Vergnügen die rechte Lust habe. Es sei immer, als ob er nur spiele oder noch nicht recht aufgewacht sei, und doch schliefe er bis in den hellen Tag. Übrigens sei er lieb und gut, trübe kein Wasser und nehme guten Rat an.

      Jocher meinte, er sei ja auch noch jung, oft müßten die Jahre den Organismus erst ein wenig schütteln, damit alles an seinen Platz käme.

      Das wäre zu wünschen, rief Camerarius; den feinen Verstand der Mutter hätte er, aber die Säfte wären träge, so wäre gewissermaßen ein gutes Mühlrad da, dem der Umschwung fehle, so daß das Korn ungemahlen bliebe. Zuweilen litte er auch an Melancholie, ließe sich aber leicht, namentlich durch das Söhnlein, zerstreuen.

      Auch sein Herzog sei melancholisch, sagte Jocher, es habe aber nichts auf sich, sondern sei ihm angeboren, wie einer etwa dunkelfarbiger als andre auf die Welt komme. Eigentlich lachen könne er nicht, das gebe ihm aber gerade etwas Heroisches. Alles in allem sei er ein großer Fürst, und keiner im Reich sei ihm zu vergleichen.

      Darum eben, sagte Camerarius, scheine er zum Kaiser bestimmt zu sein. Warum er denn die große Aufgabe nicht ergreifen wolle, für die Gott ihn geschaffen habe? Er sei der einzige katholische Fürst, für den die Stimmen der Evangelischen zu gewinnen sein würden. Und wie denn Jocher glaube daß er seinerseits sich zu den Evangelischen stellen würde?

      Jocher zuckte die Achseln. Die Gesetze würde der Herzog respektieren, sagte er. Aber da er Gesetz und Ordnung liebe, würde er kaum das Regiment in einem Reich zwiespältigen


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