Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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ohne daß die selbst übereinandergeworfenen Beisitzer es hindern konnten; freilich konnte dieser Vorgang nicht deutlich wahrgenommen werden, weil die Eskorte sich sofort mit gezogener Waffe zum Schutze um das so elend entblößte und ausgesäte Reichskleinod aufstellte.

      Dieser Unfall wurde zwar nach Möglichkeit verschwiegen, erregte aber bei denen, die davon hörten, großes Bedenken, wie auch mehrere andere Unzuträglichkeiten, die anläßlich der Kaiserwahl vorfielen, als üble Vorzeichen gedeutet wurden. So verfuhren die Quartiermeister, welche den Kurfürsten und ihrem Gefolge Herberge anzuweisen hatten, so grob und unbedacht, daß sie eine Wöchnerin, die erst vor wenigen Stunden geboren hatte, aus ihrem Zimmer schafften, worauf sie unaufhaltsam von ihrer wehklagenden Familie hinwegstarb. Dadurch wurde der Frankfurter Pöbel noch mehr aufgereizt, der sowieso kein Herz für die Kaisersache hatte, weil bei der letzten Rebellion des Volkes gegen das Patriziat der Kaiser für dieses Partei genommen und die Empörer grausam bestraft hatte. Ferner sollte Moritz von Hessen, der sich vorgenommen hatte, die Wahl des Erzherzogs Ferdinand auf irgendeine Art zu hintertreiben, als er zur Stadt hinaus mußte (denn es war Gesetz, daß alle Fremden, mit Ausnahme der Kurfürsten und ihres Gefolges, an den Tagen der Kaiserwahl das Gebiet der Stadt Frankfurt verlassen mußten), bitterböse Drohworte ausgestoßen haben; dieses Fürsten notgedrungener Abzug erregte aber nicht Teilnahme, sondern Schadenfreude des Volkes, weil er sich damals gleichfalls der Rebellion nicht angenommen hatte.

      Das größte Aufsehen gab es, als am Tage nach erfolgter Wahl der Erzbischof von Trier, Lothar von Metternich, indem er aus seiner Kutsche aussteigen wollte, von einem Hunde ins Bein gebissen wurde und als ein Schwerverletzter in sein Bett getragen werden mußte. Er nahm es sich um so mehr zu Herzen, als er hauptsächlich die Wahl Ferdinands betrieben und zum Effekt gebracht hatte und ihm nun dieser unverhoffte Hundebiß wie ein strafendes Gotteszeichen vorkommen wollte, weil er etwa um persönlichen Vorteils willen das Wohl des geliebten Vaterlandes zurückgestellt hätte. Daß es mit dem Hunde eine besondere Bewandtnis hatte, darauf deutete die Natur der Wunde, die nicht zuheilen wollte, wie auch, daß man den Hund mit eingezogenem Schwanze davonlaufen und nachher gar nicht mehr gesehen hatte. Einige Ärzte äußerten die Befürchtung, der Hund möchte toll gewesen sein, was die Angst und Ratlosigkeit noch vermehrte. Nach allgemeiner Aussage befand sich ein gelehrter Jude in Frankfurt, der gegen den Biß toller Hunde ein geheimes Mittel kenne, aber der Kurfürst zweifelte, ob er sich von einem solchen dürfe behandeln lassen, und bot ihm viel Geld, falls er vorher zum Christentum übertreten wollte. Der Jude antwortete höhnisch, er sei dazu bereit, wenn der Kurfürst hernach aus Dankbarkeit den jüdischen Glauben annehmen wollte, so sei auf beiden Seiten nichts gewonnen und nichts verloren; Geld habe er genug, verlange auch keine Bezahlung für die Kur, die er nur vornehmen würde wegen des Vergnügens, einen so treuen Vasallen des Kaisers gesund zu machen. Hingegen gelang es, die Frau des Juden zu bestechen, daß sie ihrem Manne an dem betreffenden Tage ein geweihtes, mit allerlei Sprüchen und Amuletten hergerichtetes Hemd anpraktizierte, in welchem er den Erzbischof ohne Schaden untersuchte, einsalbte, mit heilsamen Tropfen versah und so weit wieder herstellte, daß er nach Hause reisen konnte. Doch wurde der einst so schöne, majestätische und heitere Fürst die schwermütigen Gedanken nicht wieder los, befürchtete auch immer den Ausbruch der Hundswut und strafte sich selbst, daß er aus Sorge um sein gemeines irdisches Leben sich von einem Juden hatte kurieren lassen, der den Heiland gekreuzigt hatte.

      Großes Ärgernis gab ein Mann, der in Tracht und Gebärden eines Quacksalbers während der Wahltage allerlei Gegenstände an die Meistbietenden verkaufte, worunter eine aus Blech verfertigte und mit buntem Glas verzierte Krone war; dieselbe war so nett und künstlich gemacht, auch würzte der Mann den Handel mit so gefälligen Späßen, daß er eine große Summe Geld damit erzielte. Der, welchem sie zugeschlagen wurde, band die Krone einem schäbigen Pudel auf den Kopf, der damit durch die Straßen lief, bis der Rat dem Unfug ein Ende machte, ohne aber der Schuldigen habhaft werden zu können. Der Verdacht fiel auf die in Frankfurt ansässigen Niederländer, die auch die letzte Rebellion angezettelt haben sollten, weil die reichen Bürger und Handelsleute sie wegen des Wettbewerbs und anderer Mißstände nicht leiden wollten.

      Der nunmehrige Kaiser Ferdinand ließ sich alles dies nicht anfechten, sondern nahm die unter so großen Schwierigkeiten erfolgte Wahl als ein Zeichen Gottes, daß er wegen anererbter und angeborener Tugenden zum Weltregiment und namentlich zur Wiederherstellung der katholischen Religion auserlesen sei und ebenso wunderbar zum Siege über die Böhmen werde geführt werden. Zunächst reiste er zu besserer Befestigung der Freundschaft und Abmachung gegenseitiger Vertragsleistung nach München, wo der Herzog den hohen Gast ehrenvoll empfing, ihm seine Residenz und Kunstschätze zeigte, sich aber in bezug auf die Geschäfte kaltherzig zurückhielt. Als Ferdinand ihm vertraulich sagte, wenn er nur wolle, so könnten sie miteinander das Unkraut der Ketzerei ausrotten, sie beide und sein Schwager in Spanien würden gleichsam eine irdische Dreieinigkeit bilden, der sich alles unterwerfen müsse, antwortete Maximilian, die Trinität sei ein himmlisches Mysterium, auf Erden habe jeder seinen eigenen Kopf und wolle seinen eigenen Futternapf. Auch Ferdinands weitere Erinnerungen, sie zwei hätten doch von jeher nur ein Herz und Haupt gehabt, auch hätten seine Mutter und Maximilians Vater sie oft ermahnt, wie Brüder zusammenzuhalten, veranlaßten ihn nur zu einer gemessenen Erklärung, er werde sich allezeit freundvetterlich und nachbarlich erweisen. Die Verpfändung von Oberösterreich betreffend, ließ er sich endlich näher heraus, sei ihm wenig mit einem aufständischen Lande gedient, das er erst mit vielen Kosten zum Gehorsam bringen und wieder abtreten müsse, wenn es ihm gerade einen Profit abwerfen würde. Wenigstens müsse er für seinen Aufwand einen gewissen Ersatz bekommen, und den könne ihm Ferdinand ja in der Weise leisten, wenn Pfalz wirklich die böhmische Krone annähme und dadurch die Acht auf sich zöge, daß er ihm den Vollzug derselben auftrüge und außerdem die pfälzische Kurwürde von der Heidelberger Linie auf ihn und seine Nachkommen übertrüge.

      So hoch hatte sich Ferdinand den Preis, den Maximilian fordern würde, doch nicht vorgestellt und hielt seinen Schrecken nicht zurück; nicht nur sämtliche evangelische Reichsfürsten würden sich dawidersetzen, meinte er, sondern auch alle Kurfürsten und vielleicht sogar der Papst und Spanien, denn ein solcher Besitzwechsel würde gemeinhin von niemandem gerne gesehen.

      Dagegen sagte Maximilian, wenn der Kaiser es darauf ankommen lassen wollte, Böhmen zu verlieren, so sei das seine Sache, er könne seinem Lande die Lasten eines Feldzuges nicht aufbürden, wenn er nicht einer reichlichen Entschädigung sicher sei. Wollten die Reichsfürsten sich seines Vetters von der Pfalz wirklich annehmen, so sei ja er da, um sie zur Räson zu bringen, er befürchte es aber nicht, Worte wären heutzutage billig wie Sand, Taten aber selten und kostbar wie harte Edelsteine.

      Von einer Jagd zurückkehrend, saßen die beiden Vettern in einer Nische des Schlosses zu Grünwald über der Isar, die ihre milchigen Wellen stürmisch zwischen den die steilen Ufer lockig krönenden, sanft hineinrauschenden Eichenwäldern hinführte. Ferdinand lobte die ausgedehnten Forste, die reiche Jagdgelegenheit und, zu einem gegenüberliegenden Fenster tretend, die weißen Gehöfte eines Kirchdorfs, die wie Inseln aus einem Meer golden wogender Äcker ragten; das Himmelsgewölbe stand rund wie eine tönende, kristallene Glocke über dem ebenen Hochland. »Der Boden ist steinig,« sagte Maximilian, »Obst und Wein trägt er nicht, aber Brot genug in Friedenszeiten.« Das könnte ihn die Pfalz leicht kosten, bemerkte Ferdinand, ohne Krieg würde es dabei nicht abgehen. »Der Krieg soll viele Länder der anderen fressen, ehe er an meines kommt«, sagte Maximilian stolz; »daraufhin wag ich es.« Recht habe er, sagte Ferdinand lachend, während sie sich zu einem Trunk Bier wieder in die Nische setzten; den Allzubedenklichen gerate nichts. Es möge immerhin ringsum ein wenig krachen, in diesen Fluren würden Rebhühner und Hasen nicht ausgehen noch ihnen die Lust, sie zu jagen. Sie hätten ein gutes Gewissen und wollten sich den frohen Tag nicht durch Sorgen um die Zukunft vergällen.

      Nachdem die beiden Fürsten in der Hauptsache einig geworden waren, setzten die Räte einen Vertrag auf, in welchem der Handel mit Oberösterreich, der Pfalz und der Kurwürde einzeln festgesetzt wurde, nicht ohne gegenseitige Verpflichtung, die äußerste Heimlichkeit darüber zu bewahren.

      *

      Als der Kurfürst von der Pfalz zum König von Böhmen erwählt war und trotz des Abratens seiner Mutter, seiner Räte und der Verwandtschaft die Krone angenommen hatte, trat


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