Die Romantik. Ricarda Huch

Die Romantik - Ricarda Huch


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Es war nichts, gar nichts Dämonisches in ihm. In seinen Liebesgedichten fehlt der süße Schmelz starker Sinnlichkeit, und nur sein unbestechlicher Geschmack bewahrte ihn davor, anstatt dessen witziger Lüsternheit Raum zu geben, die dagegen in seinen satyrischen Scherzgedichten gern hervortritt. Seine Schwester Charlotte traf ganz das Richtige, wenn sie ihn mit Wieland verglich, indem sie sagte, die beste und wirksamste Kritik eines Autors sei ihrer Meinung nach, in eben dem Fache ein besserer Schriftsteller zu sein, und sie traue Wilhelm zu, auf diese Art gegen Wieland zu Felde ziehen zu können. Fast niemals fehlt ihm Grazie, die freilich zu elegant ist, um die Grazie eines Naturkindes zu sein. Nicht die Anmuth, die aus Kraft hervorgeht, beseelt seine Gedichte; aber es ist doch etwas Schwebendes in ihnen, wie wenn die Naturtriebe mit der Schwere ihres Müssens nicht auf ihn wirkten. Zarte, im Kopf entstandene Empfindungen hauchen leicht vorüber; man kann wohl unmuthig werden über die seifenblasenartige Glätte und Leere dieser angeblichen Leidenschaften; dafür senken sich die Verse auch niemals mit schwüler Schwermuth belastend auf's Gemüth, des Dichters Geistesunfreiheit verrathend. Man möchte ihm einen Erguß heißen irdischen Blutes in die Adern mehr wünschen, er ist wie eine lose, flatternde Blume, in deren zierlichen Stengel die Säfte der Erde nicht hinaufströmen können.

      Nur einmal ist er, wie auch Goethe urtheilte, über sich selbst hinausgegangen: in der Zueignung des Trauerspiels »Romeo und Julia«, an Caroline gerichtet, die damals endlich seine Frau geworden war. Mag ihm hier auch seine innige Vertrautheit mit der Dichtung zu Gute gekommen sein, so ist es doch das nicht allein; indem er fein die poetische Weisheit Shakespeare's rechtfertigt, die Romeo und Julia gerade deshalb auf der Höhe des Glückes und der Liebe sterben läßt, damit nicht sie – ein weit herzzerreißender Untergang – ihre Liebe überleben, mochte er die Gefahr mit dunkler Wehmuth ahnen, die in seinem eigenen Wesen und Geschick lag. Kein feindlicher Anblick schreckt Liebe, im Kampfe schwillt ihr Muth, sie schaudert nicht, bei Todten sich zu betten –

      »Ach, schlimmer drohn ihr lächelnde Gefahren,

       Wenn sie des Zufalls Tücken überwand.

       Vergänglichkeit muß jede Blüth' erfahren:

       Hat aller Blüthen Blüthe mehr Bestand?

      Die wie durch Zauber fest geschlungen waren,

       Löst Glück und Ruh und Zeit mit leiser Hand,

       Ach, jedem fremden Widerstand entronnen

       Ertränkt sich Lieb' im Becher eigner Wonnen.«

      Es liegt eine wahre und keusche Trauer in den Versen. Das gedämpfte Herzklopfen einer furchtsamen Wehmuth über die eigene Gebrechlichkeit und Vergänglichkeit, das ist, was er am Wahrsten und Tiefsten in sich durchlebte, und überall, wo das anklingt, berührt uns, wenn auch nur ganz leise, der geheimnißvolle Zauber, der aus den Elementen der Natur und des Menschen dringen kann:

      »Nicht bloß die Blume welkt, das Duftgewebe

       Der Frühe reißt, entflieht des Lenzes Prangen,

       Nicht bloß erbleichen junge Rosenwangen,

       Dem Geist auch droht's, daß er sich überlebe.

       Wie kühn er erst auf freien Flügeln schwebe,

       Dumpf g'nügsam bleibt er bald am Boden hangen.

       O wißt Ihr für sein grenzenlos Verlangen,

       Weis' oder Dichter, keinen Trank der Hebe?«

      Die Mängel in Wilhelm's Natur schlossen freilich auch große Vorzüge ein. Frisch und kräftig befaßte er sich nicht mit Psychologie, schrieb einmal Karoline, was hier als entschiedenes Lob gemeint ist; er zerfaserte nicht das Innere, wie es damals die Darstellungsweise der modernen Schriftsteller wurde, denen es dabei nur selten gelang, eine ganze Erscheinung lebendig vor die Augen zu stellen. »Du bist gewaltig bei Frommann's gelobt worden«, schrieb sie ihm ein ander Mal, »Du könntest, was Du wolltest und thätest, was Du könntest und wärest ein Kleinod von Rechtlichkeit.« Ja, das Kränkliche, Unbestimmte, in's Grenzenlose Ausschweifende der meisten übrigen Romantiker lag nicht in seinem Wesen. Alles, was er schrieb, wenn es auch tiefer und bedeutender hätte sein können, war doch ein Ganzes, abgerundet, hatte Form. Er verfügte über das, was man Mache oder Virtuosität nennt. Eine gewisse Behendigkeit des Handelns und Ausführens machte ihn im praktischen Leben den Gefährten überlegen, die sich zum Theil mit der Unermeßlichkeit ihrer Pläne begnügten. So wurde er der Direktor, Wortführer, Herausgeber, Anordner, Antreiber; so ist er noch jetzt als das Haupt der romantischen Schule bekannt. Als Vorkämpfer des Guten, Neuen und Bekämpfer des Schlechten in der Literatur, hat er jedenfalls unter allen das Meiste geleistet, der unermüdliche Rufer im Streit.

      Die Reinheit und Schärfe seines Verstandes, seine unfehlbare Empfindung für das Schöne, wie für das Häßliche und Lächerliche, sein Muth, seine schneidige Kampflust machen viele seiner kritischen Schriften zu kleinen Kunstwerken. Er selber sagte in späteren Jahren, zwischen Ernst und Ironie, von seinen Leistungen auf diesem Gebiete: »Der Kritiker, aus dessen Schriften man hier eine Auswahl gesammelt findet, stand in seinen jüngeren Jahren in üblem Rufe. Man schilderte ihn wie einen Wütherich, einen Herodes, der an einer Menge unschuldiger Bücher nichts Geringeres als einen bethlehemitischen Kindermord verübt habe. Man hat, wie mich dünkt, dem Manne Unrecht gethan. Er hat sein lästiges Amt mit Mäßigung und Schonung verwaltet.« Und wirklich wird man in seinen schärfsten Angriffen fast nie die Höflichkeit des Weltmanns vermissen, der sich selbst zu hoch schätzt, um grob oder plump zu werden. Sein Witz ist zu anmuthig, um nicht die Beleidigung durch die spielende Form zu mildern. Und die unerbittliche Schärfe dem Schlechten gegenüber ist besonders nachdrücklich, wenn das Schlechte überschätzt wird und unverdiente Lorbeeren erntet: er suchte sich gern mächtige Gegner, er machte es sich nicht leicht. Was aber seine Angriffslust um so schätzenswerther macht, ist sein ritterliches Einstehen für das Schöne, das ihm nie entging. Er hatte genug Muth und Zutrauen zum eignen Urtheil, um verborgene, namenlose Talente zu entdecken, verunglimpfte zu vertheidigen; war er doch der Erste, der den jungen Tieck ermunterte und anpries, der Einzige, der sich des unglücklichen Bürger gegen Schiller's allzuharte, verständnißlose Kritik annahm. So erfreulich aber auch diese ernste Würdigung eines großen Todten ist, am Gelungensten sind doch seine übermüthigen Streifzüge in's feindliche Philisterlager. Hier vor Allem findet sich die Urbanität und Festivität des Styles, um die Friedrich seinen Bruder so sehr beneidete, während er »sententiae vibrantes fulminis instar« vermißte.

      Eigenthümlich ist es, daß, wenn man noch eben diese Vorzüge Wilhelm's aufrichtig bewunderte, einem doch wieder ein Ausspruch von seiner Schwester Charlotte Ernst in den Sinn kommen kann, die einmal an Novalis über ihre Brüder schrieb: »Wenn sie sich recht strenge selbst prüfen wollten, so würden sie finden, daß nicht allein die reine Liebe zum Guten und Wahren ihre Triebfeder ist, sondern daß etwas Muthwille zu Grunde liegt und eine Eitelkeit, ihre brillant witzigen Einfälle nicht unterdrücken zu können.« Diese Eitelkeit ist vielleicht zu allgemein menschlich, um nicht vollkommen entschuldbar zu sein, und doch ist es so: man weiß, es war ihnen ernst; sie sagten ihre Ueberzeugung, auch wenn es gegen ihren Vortheil war, und trotzdem empfinden wir nicht die Bewunderung und Sympathie, die wir für ein muthvolles und uneigennütziges Betragen haben. Vielleicht hängt es mit dem Gefühl zusammen, als hätten sie nicht so handeln müssen, als sei Absicht dabei gewesen; und man schätzt nun einmal den blinden Trieb zum Guten höher als die löblichste Absicht. Charlotte's Tadel bezieht sich auf beide Brüder; Wilhelm allein eigen – sogar im Gegensatze zu Friedrich – ist eine Eigenschaft, die noch ärgerlicher berührt, als Muthwille oder Eitelkeit; die Correktheit, die über sein ganzes Wesen und alle seine Handlungen ausgegossen war. Schon seine äußere Erscheinung war peinlich correkt, »allerliebst geputzt und gesalbt«, wie Karoline neckend sagte; aber auch das jedenfalls nicht zuviel. Ebenso wenig war jemals etwas an seinem Betragen auszusetzen. Ob Karoline ihm einen Korb gab oder seine Hülfe beanspruchte oder sich von ihm scheiden lassen wollte – er war immer gleich höflich, ohne sich wegzuwerfen, gefaßt und entgegenkommend, ohne frivol zu sein; that, was in seiner Macht stand, um sie zu schonen, ohne zu zögern noch auch zu überstürzen, sowohl ohne Schwäche wie ohne Gewaltsamkeit Einzig in einer gewissen Schärfe des Wesens verrieth sich zuweilen seine Unzufriedenheit. Ebenso im brüderlichen Verhältniß: Friedrich bat ihn nie umsonst um Geld, er war immer hülfsbereit, und zwar ohne


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