Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
Schädels das Resultat seiner aufrechten Stellung sind«, und diese Fortsätze fehlen beim Orang, Schimpanse u. s. w. und sind beim Gorilla kleiner als beim Menschen. Es ließen sich noch verschiedene andere Bildungen hier speciell anführen, welche mit der aufrechten Stellung des Menschen im Zusammenhange stehend erscheinen. Es ist sehr schwer zu entscheiden, wie weit alle diese in Correlation stehenden Modificationen das Resultat natürlicher Zuchtwahl und wie weit sie das Resultat der vererbten Wirkungen des vermehrten Gebrauchs gewisser Theile oder der Wirkung eines Theils auf einen andern sind. Ohne Zweifel wirken diese Mittel der Veränderung gleichzeitig mit einander; wenn z. B. gewisse Muskeln und die Knochenleisten, an welchen sie befestigt sind, durch beständigen Gebrauch vergrößert werden, so zeigt dies, daß gewisse Handlungen gewohnheitsgemäß ausgeführt werden und von Nutzen sein müssen. Es werden daher diejenigen Individuen, welche sie am besten ausführten, in größerer Zahl leben zu bleiben neigen.
Der freie Gebrauch der Hände und Arme, welcher zum Theil die Ursache, zum Theil das Resultat der aufrechten Stellung des Menschen ist, scheint auf indirecte Weise noch zu andern Modificationen des Baus geführt zu haben. Wie vorhin angegeben wurde, waren die frühen männlichen Vorfahren des Menschen wahrscheinlich mit großen Eckzähnen versehen; in dem Maße aber, wie sie allmählich die Fertigkeit erlangten, Steine, Keulen oder andere Waffen im Kampfe mit ihren Feinden zu gebrauchen, werden sie auch ihre Kinnladen und Zähne immer weniger und weniger gebraucht haben. In diesem Falle werden die Kinnladen in Verbindung mit den Zähnen an Größe reduciert worden sein, wie wir nach zahllosen analogen Fällen wohl ganz sicher annehmen können. In einem späteren Capitel werden wir einen streng parallelen Fall anführen, nämlich die Verkümmerung oder das vollständige Verschwinden der Eckzähne bei männlichen Wiederkäuern, welches allem Anscheine nach zu der Entwicklung ihrer Hörner in Beziehung steht, ebenso bei Pferden, wo jene Verkümmerung mit dem Gebrauch in Bezug steht, mit den Schneidezähnen und Hufen zu kämpfen.
Wie Rütimeyer135 und Andere behauptet haben, ist bei den erwachsenen Männchen der anthropomorphen Affen entschieden die Wirkung der Kiefermuskeln, welche bei ihrer bedeutenden Entwicklung auf den Schädel derselben ausgeübt worden ist, die Ursache gewesen, weshalb dieser letztere in so vielen Beziehungen so beträchtlich von dem des Menschen abweicht und »eine wirklich schreckenerregende Physiognomie« erhalten hat. In dem Maße also, wie die Kinnladen und Zähne bei den Vorfahren des Menschen allmählich an Größe reduciert wurden, wird auch der erwachsene Schädel nahezu dieselben Charaktere dargeboten haben, welche er bei den Jungen der anthropomorphen Affen darbietet, und wird hierdurch sich immer mehr dem des jetzt lebenden Menschen ähnlich gestaltet haben. Eine bedeutende Verkümmerung der Eckzähne bei den Männchen wird fast sicher, wie wir später noch sehen werden, in Folge der Vererbung auch die Zähne der Weibchen beeinflußt haben.
Wie die verschiedenen geistigen Fähigkeiten nach und nach sich entwickelt haben, wird auch das Gehirn Beinahe mit Sicherheit größer geworden sein. Ich denke, wohl Niemand zweifelt daran, daß die bedeutende Größe des Gehirns des Menschen im Verhältnis zu seinem Körper und im Vergleich mit dem Gehirn des Gorilla oder Orang, in enger Beziehung zu seinen höheren geistigen Kräften steht. Streng analogen Thatsachen begegnen wir bei Insecten; so sind unter Anderem die Kopfganglien bei den Ameisen von außerordentlichen Dimensionen, während diese Ganglien überhaupt bei allen Hymenoptern viele Male größer sind als bei den weniger intelligenten Ordnungen, wie z. B. bei den Käfern.136 Auf der andern Seite denkt Niemand daran, daß der Intellect irgend zweier Thiere oder irgend zweier Menschen genau durch den cubischen Inhalt ihrer Schädel gemessen werden kann. Es ist sogar sicher, daß eine außerordentliche geistige Thätigkeit bei einer äußerst kleinen absoluten Masse von Nervensubstanz existieren kann. So sind ja die wunderbaren verschiedenen Instincte, geistigen Kräfte und Affecte der Ameisen allgemein bekannt, und doch sind ihre Kopfganglien nicht so groß wie das Viertel eines kleinen Stecknadelkopfs. Von diesem letzteren Gesichtspunkte aus ist das Gehirn einer Ameise das wunderbarste Substanzatom in der Welt und vielleicht noch wunderbarer als das Gehirn des Menschen.
Die Annahme, daß beim Menschen irgend eine enge Beziehung zwischen der Größe des Gehirns und der Entwicklung der intellectuellen Fähigkeiten besteht, wird durch die Vergleichung von Schädeln wilder und civilisierter Rassen, alter und moderner Völker und durch die Analogie der ganzen Wirbelthierreihe unterstützt. Dr. J. Barnard Davis hat durch viele sorgfältige Messungen nachgewiesen,137 daß die mittlere Schädelcapacität bei Europäern 92,3 Cubikzoll, bei Amerikanern 87,5, bei Asiaten 87,1 und bei Australiern nur 81,9 beträgt. Professor Broca138 hat gefunden, daß Schädel aus Gräbern in Paris vom neunzehnten Jahrhundert gegen solche aus Gräbern des zwölften Jahrhunderts in dem Verhältnis von 1484:1426 größer waren, und daß die durch Messungen ermittelte Zunahme der Größe ausschließlich den Stirntheil des Schädels betraf, – den Sitz der intellectuellen Fähigkeiten. Auch Prichard ist überzeugt, daß die jetzigen Bewohner Groß-Britanniens »viel geräumigere Hirnkapseln« haben als die alten Einwohner. Nichtsdestoweniger muß zugegeben werden, daß einige Schädel von sehr hohem Alter, wie z. B. der berühmte Neanderthalschädel, sehr gut entwickelt und geräumig sind.139 In Bezug auf die niederen Thiere ist Mr. Lartet140 durch Vergleichung der Schädel tertiärer und jetzt lebender Säugethiere, welche zu denselben Gruppen gehören, zu dem merkwürdigen Schlusse gelangt, daß in den neueren Formen das Gehirn allgemein größer und die Windungen complicierter sind. Auf der andern Seite habe ich gezeigt,141 daß die Gehirne domesticierter Kaninchen an Größe beträchtlich reduciert sind, verglichen mit denen des wilden Kaninchens oder des Hasen; und dies mag dem Umstande zugeschrieben werden, daß sie viele Generationen hindurch in enger Gefangenschaft gehalten wurden, so daß sie ihren Intellect, ihren Instinct, ihre Sinne und ihre willkürlichen Bewegungen nur wenig ausgeübt haben.
Die allmähliche Gewichtszunahme des Gehirns und Schädels beim Menschen muß die Entwicklung der jene Theile tragenden Wirbelsäule, und ganz besonders zu der Zeit beeinflußt haben, als er anfing, aufrecht zu gehen. Und in dem Maße, wie diese Veränderung der Lage allmählich zu Stande kam, wird auch der innere Druck des Gehirns einen Einfluß auf die Form des Schädels geäußert haben; denn viele Thatsachen weisen nach, wie leicht der Schädel auf diese Weise afficiert wird. Ethnologen glauben, daß er durch die Form der Wiege modificiert wird, in welcher die kleinen Kinder schlafen. Habituelle Contractionen von Muskeln und eine Narbe nach einer schweren Verbrennung haben die Gesichtsknochen dauernd modificiert. Bei jungen Individuen, deren Köpfe in Folge einer Krankheit entweder nach der Seite oder nach rückwärts fixiert wurden, hat das eine Auge seine Stellung verändert und ist die Form des Schädels modificiert worden, und dies ist, wie es scheint, das Resultat davon, daß das Gehirn nun in einer andern Richtung drückte.142 Ich habe gezeigt, daß bei langohrigen Kaninchen selbst eine so unbedeutende Ursache wie das Vorwärtshängen des einen Ohrs auf dieser Seite fast jeden einzelnen Knochen des Schädels nach vorn zieht, so daß die Knochen der beiden sich gegenüberliegenden Seiten sich nicht länger mehr genau entsprechen. Sollte endlich irgend ein Thier an allgemeiner Körpergröße beträchtlich zu- oder abnehmen, ohne daß die geistigen Kräfte sich irgendwie veränderten, oder sollten die geistigen Kräfte bedeutend vergrößert oder verringert werden, ohne daß irgend eine beträchtliche Änderung in der Körpergröße einträte, so würde beinahe gewiß die Form des Schädels verändert werden. Ich komme zu dieser Folgerung nach meinen Beobachtungen an domesticierten Kaninchen, von denen einige Arten noch viel größer geworden sind als das wilde Thier, während andere nahezu dieselbe Größe behalten haben; in beiden Fällen aber ist das Gehirn im Verhältnis zur Größe des Körpers beträchtlich kleiner geworden. Ich war nun anfangs sehr erstaunt, als ich fand, daß bei allen diesen Kaninchen der Schädel verlängert oder dolichocephal geworden war; so war z. B. von zwei Schädeln ziemlich