Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
auf; da es aber für das Erinnerungsvermögen eine Grenze giebt, so sterben einzelne Wörter, wie ganze Sprachen allmählich ganz aus. Max Müller223 hat sehr richtig bemerkt: »in jeder Sprache findet beständig ein Kampf um's Dasein zwischen den Wörtern und grammatischen Formen statt: die besseren, kürzeren, leichteren Formen erlangen beständig die Oberhand, und sie verdanken ihren Erfolg ihrer eigenen inhärenten Kraft«. Diesen wichtigeren Ursachen des Überlebens gewisser Wörter läßt sich auch noch die bloße Neuheit und Mode hinzufügen; denn in dem Geiste aller Menschen besteht eine starke Vorliebe für unbedeutende Veränderungen in allen Dingen. Das Überleben oder die Beibehaltung gewisser begünstigter Wörter in dem Kampfe um's Dasein ist natürliche Zuchtwahl.
Die vollkommen regelmäßige und wunderbar complexe Construction der Sprachen vieler barbarischer Nationen ist oft als ein Beweis entweder des göttlichen Ursprungs dieser Sprachen, oder des hohen Culturzustandes und der früheren Civilisation ihrer Begründer vorgebracht worden. So schreibt Friedrich von Schlegel: »wir beobachten häufig bei den Sprachen, welche auf der niedrigsten Stufe intellectueller Cultur zu stehen scheinen, einen sehr hohen und ausgebildeten Grad in der Kunst ihrer grammatischen Structur. Dies ist besonders der Fall bei dem Baskischen und Lappländischen und bei vielen der amerikanischen Sprachen«.224 Es ist aber zuverlässig ein Irrthum, von irgend einer Sprache als einer Kunst zu sprechen, in dem Sinne, als sei sie mit Mühe und Methode ausgearbeitet worden. Die Philologen geben jetzt zu, daß Conjugationen, Declinationen u. s. f. ursprünglich als verschiedene Wörter existierten, die später mit einander vereinigt wurden; und da solche Wörter die augenfälligsten Beziehungen zwischen Objecten und Personen ausdrückten, so ist nicht zu verwundern, daß sie von Menschen der meisten Rassen während der frühesten Zeit benutzt worden sind. Was die Vervollkommnung betrifft, so wird die folgende Erläuterung am besten zeigen, wie leicht man irren kann: Ein Crinoide besteht zuweilen aus nicht weniger als 150 000 Schalenstückchen,225 welche alle vollständig symmetrisch in strahlenförmigen Linien angeordnet sind; aber ein Naturforscher hält ein Thier dieser Art nicht für vollkommener als ein seitlich symmetrisches mit vergleichsweise wenigen Theilen, von denen keine einander gleichen mit Ausnahme der auf den entgegengesetzten Seiten des Körpers befindlichen. Er betrachtet mit Recht die Differenzierung und Specialisierung der Organe als den Prüfstein der Vervollkommnung. So sollte man, was die Sprachen betrifft, die am meisten symmetrischen und compliciertesten nicht über die unregelmäßigen, abgekürzten und verbastardierten Sprachen stellen, welche ausdrucksvolle Worte und zweckmäßige Formen der Construction von verschiedenen erobernden oder eroberten oder einwandernden Rassen sich angeeignet haben.
Aus diesen wenigen und unvollständigen Betrachtungen schließe ich, daß die äußerst complicierte und regelmäßige Construction vieler barbarischer Sprachen kein Beweis dafür ist, daß sie ihren Ursprung einem besonderen Schöpfungsacte226 verdanken. Auch bietet, wie wir gesehen haben, die Fähigkeit articulierter Sprache an sich kein unübersteigliches Hindernis für den Glauben dar, daß der Mensch sich aus irgendwelcher niederen Form entwickelt hat.
Fußnote
198 Mr. Hookham in einem Briefe an Prof. Max Müller in den »Birmingham News«, May, 1873.
199 Vorlesungen über die Darwin'sche Theorie, p. 190.
200 The Rev. Dr. J. M'Cann, Anti-Darwinism. 1869, p. 13.
201 Citiert in der Anthropological Review. 1864, p. 158.
202 Rengger a. a. O. p. 45.
203 s. mein Buch »Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication«. 2. Aufl. Bd. I, p. 28.
204 Facultés Mentales des Animaux. Tom. II. 1872, p. 346-349.
205 s. eine Erörterung dieses Gegenstandes in Mr. E. Tylor's sehr interessantem Buche: Researches into the Early History of Mankind. 1865. Cap.2-4.
206 Ich habe mehrere detaillierte Berichte hierüber erhalten. Admiral Sir J. Sullivan, den ich als einen sorgfältigen Beobachter kenne, versichert mich, daß ein eine lange Zeit in seines Vaters Hause gehaltener afrikanischer Papagei ausnahmslos gewisse Personen des Hausstandes und ebenso Besucher bei ihren Namen nannte. Beim Frühstück sagte er zu Jedermann »Guten Morgen« und zu Allen »Gute Nacht«, wenn sie Abends das Zimmer verließen, ohne je diese Begrüßungen zu verwechseln. Bei Begrüßung von Sir J. Sullivan's Vater pflegte er dem »Guten Morgen« noch einen kurzen Satz hinzuzufügen, den er nach dem Tode des Vaters nicht ein einziges Mal wiederholte. Einen fremden Hund, der durch's offene Fenster in's Zimmer kam, schalt er heftig aus; ebenso zankte er auf einen andern Papagei (er rief »you naughty polly«), der aus seinem Käfig herausgegangen war und auf dem Küchentisch liegende Äpfel aß. s. auch ebenso über Papageien: Houzeau, Facultés Mentales, Tom. II, p. 309. Dr. A. Moschkau erzählt mir, daß er einen Staar gekannt habe, welcher beim Grüßen kommender Personen mit »Guten Morgen« und fortgehender mit »Leb wohl, alter Kerl« sich niemals geirrt habe. Ich könnte noch mehrere solcher Fälle anführen.
207 s. einige gute Bemerkungen hierüber von Prof. Whitney in seinen: Oriental and Linguistic Studies. 1873, p. 354. Er bemerkt, daß bei der Entwicklung der Sprache der Trieb der Mittheilung zwischen den Menschen die lebendige Kraft ist, welche »sowohl bewußt als unbewußt thätig ist: bewußt, sofern es das zunächst zu erreichende Ziel gilt, unbewußt, sofern es die weitern Folgen der Handlung betrifft«.
208 Hon. Daines Barrington, in: Philos. Transact. 1773, p. 262. s. auch Dureau de la Malle in: Annal. des scienc. natur. 3. Sér. Zool. Tom. X, p. 119.
209 On the Origin of Language by H. Wedgwood. 1866. Chapters on Language by the Rev. F. Farrar, 1865. Diese Werke sind äußerst interessant. s. auch »De la Physion. et de la Parole« von Alb. Lemoine. 1865, p. 190. Die Schrift des verstorbenen Aug. Schleicher ist auch von Dr. Bikkers in's Englische übersetzt worden unter dem Titel: Darwinism tested by the science of language. 1869.
210 Vogt, Mém. sur les Microcéphales. 1867, p. 169. In Bezug auf Wilde habe ich im Journal of Researches, 1845, p. 206 (Reise eines Naturforschers; übers, von J. V. Carus, p. 236) einige Thatsachen mitgetheilt.
211 s. entscheidende Beweise hierfür in den so oft citierten beiden Werken von Rengger und Brehm.]
212 Houzeau theilt einen merkwürdigen Bericht seiner Beobachtungen hierüber mit in: Facultés Mentales des Animaux. Tom. II, p. 348.
213 s. Bemerkungen hierüber von Dr. Maudsley,