Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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Ja gern.

      Sie setzten sich und sahen die Leute vorübergehen. Ab und zu blieb ein Mädchen stehen und fragte mit albernem Lächeln:

      – Wollen Sie mich nicht auf was stoßen?

      Und als Forestier antwortete:

      – Gewiß, ein Glas Wasser frisch vom Brunnen! lief sie davon und brummte:

      – Alberner Fatzke!

      Aber die große Braune, die sich vorhin an die Loge der beiden Freunde gelehnt, tauchte wieder auf und ging, den Arm in den der dicken Blonden geschoben, in unverschämter Haltung vorbei. Die beiden sahen wirklich nicht übel aus und paßten gut zu einander.

      Als sie Duroy sah, lachte sie, als ob ihre Blicke sich bereits süße Heimlichkeiten gesagt hätten. Sie nahm einen Stuhl und setzte sich ganz ruhig ihm gegenüber, ließ auch ihre Freundin Platz nehmen, und befahl dann mit lauter Stimme:

      – Kellner, zwei Syrup.

      Forestier sagte erstaunt:

      – Na, Du genierst Dich wirklich nicht!

      Sie antwortete:

      – Dein Freund hat mirs angethan. Der ist weiß Gott ein hübscher Mann, ich glaube um den könnte ich schon ‘ne Dummheit machen.

      Duroy war verlegen und wußte nicht, was er antworten sollte. Er drehte den Schnurrbart und lachte nichtssagend. Der Kellner brachte die Syrupliköre, die Mädchen leerten sie auf einen Zug. Dann standen sie auf und die Braune sagte zu Duroy mit kleinem freundschaftlichen Gruß und einem leichten Schlag mit dem Fächer auf den Arm:

      – Na Kleiner, wie ein Wasserfall redest Du gerade nicht.

      Und sie gingen davon und wiegten sich in den Hüften.

      – Sag mal, Alter, weißt Du, daß Du wahrhaftig Riesenankratz bei den Weibern hast. So was muß man pflegen! Damit kannst Du weit kommen!

      Er schwieg eine Sekunde, dann fuhr er fort in einer Art träumerischem Ton wie Leute, die laut denken:

      – Durch die Frauen kommt man doch am weitsten.

      Und als Duroy noch immer lächelte ohne zu antworten, fragte er:

      – Willst Du noch hier bleiben? Weißt Du, ich gehe nach Haus, ich habe weiß Gott, genug davon.

      Der andere murmelte:

      – Ja, ich bleibe noch ein bißchen hier, es ist noch nicht spät.

      Forestier stand auf:

      – Also gut. Dann sage ich Dir Lebewohl. Morgen auf Wiedersehen. Vergiß nicht Rue Fontaine Nummer siebenzehn um halb acht.

      – Abgemacht. Auf Wiedersehen morgen. Danke schön.

      Sie gaben sich die Hand und der Journalist ging.

      Sobald er verschwunden war, fühlte sich Duroy frei und nun tastete er noch einmal glückselig nach seinen beiden Goldstücken in der Tasche. Dann stand er auf und stürzte sich in den Menschenstrom, indem er ihn mit den Blicken durchsuchte.

      Bald entdeckte er die beiden Weiber, die Blonde und die Braune, die immer noch mit ihrem Bettelstolz durch den Haufen Männer dahin steuerten.

      Er ging gerade auf sie zu, aber als er ganz nahe war, wagte er nicht zu sprechen.

      Die Braune fragte:

      – Na, hast De denn die Sprache wieder gefunden?

      Er stammelte nur:

      – Bei Gott, ja.

      Mehr brachte er nicht heraus.

      Nun blieben sie alle drei stehen, den Vorüberschreitenden im Weg, sodaß eine Stockung um sie herum eintrat.

      Da fragte sie plötzlich:

      – Kommst Du mit?

      Er zitterte vor Begier und antwortete brutal:

      – Ja. Aber ich habe nur einen Louis bei mir.

      Sie lächelte gleichgiltig:

      – Das schadet nichts.

      Und sie nahm seinen Ann zum Zeichen der Besitzergreifung.

      Als sie hinaus gingen, überlegte er sich, daß er mit den ihm verbleibenden zwanzig Franken sich leicht einen Frackanzug für den folgenden Abend würde borgen können.

      II

       Inhaltsverzeichnis

      – Bitte, wohnt hier Herr Forestier?

      – Dritter Stock links.

      Der Portier hatte mit liebenswürdiger Stimme geantwortet, aus der eine gewisse Achtung für seinen Mieter klang. Und Georg Duroy stieg die Treppe hinauf.

      Er fühlte sich noch ein wenig eingeschüchtert und etwas unsicher. Zum ersten Mal in seinem Leben trug er einen Frack und er hatte einiges Bedenken gegen seine Toilette. Er fühlte, daß sie doch etwas mangelhaft sei. Seine Stiefel waren kein Lack, wenn auch ganz sein gearbeitet, denn er liebte es, einen hübschen Fuß zu zeigen. Und dann war das Hemd, das er heute morgen für vier Franken fünfzig im Louvre gekauft hatte und dessen zu dünne Hemdenbrust bereits zerknitterte, eben nicht ganz auf der Höhe.

      Seine andern Hemden, die er für gewöhnlich trug, hatten alle mehr oder weniger Defekte. Nicht einmal das verhältnismäßig beste von ihnen hätte er gebrauchen können.

      Seine Hose war ein wenig zu Weit und saß schlecht, es war, als schlüge sie eine Falte an der Wade. So sah man ihr sofort das Verbrauchte, Getragene an, das eben solche Mietanzüge haben. Nur der Frack saß ganz gut. Es hatte sich gerade einer gefunden, der ihm ziemlich genau paßte.

      Er stieg langsam die Stufen hinauf, sein Herz klopfte, ihm war doch etwas ängstlich zu Sinn. Vor allen Dingen fürchtete er, lächerlich zu sein, und plötzlich bemerkte er sich gegenüber einen Herrn im Frack, der ihn anblickte. Sie waren so nah von einander, daß Duroy eine Rückwärtsbewegung machte und dann ganz verdutzt stehen blieb – er war es selbst, dessen Bild ein hoher Spiegel zurückwarf, der auf dem Treppenabsatz des ersten Stocks stand. Er fuhr zusammen vor Freude, soviel besser aussehend fand er sich, als er gedacht hatte.

      Da er zu Haus nur seinen kleinen Rasierspiegel besaß, hatte er sich nicht in ganzer Figur betrachten können, und weil er die verschiedenen Stücke seines improvisierten Anzuges nur schlecht sehen konnte, meinte er, daß sein Anzug schlechter sei, als er wirklich war. Der Gedanke, er spiele eine lächerliche Figur, hatte ihn fast außer sich gebracht.

      Aber als er sich nun plötzlich im Spiegel entdeckte, hatte er sich gar nicht wieder erkannt. Er meinte, ein Fremder stünde da vor ihm, ein Herr aus der Gesellschaft, ein Herr, von dem er auf den ersten Blick fand, er sehe sehr gut und sehr chic aus.

      Und wie er sich nun sorgsam betrachtete, fand er, daß er im ganzen wirklich einen guten Eindruck machte.

      Da studierte er sich, wie es die Schauspieler thun, wenn sie ihre Rollen lernen. Er lächelte sich an, streckte sich die Hand entgegen, machte Bewegungen und drückte Gefühle aus: Erstaunen, Vergnügen, Zustimmung. Dann probierte er verschiedene Abstufungen des Lächelns und allerlei Augenverdrehungen, mit denen man sich bei den Damen niedlich macht und ihnen zeigt, daß man sie bewundert und sie begehrt.

      Im Treppenhaus ging eine Thür, und da er fürchtete, in dieser Stellung überrascht zu werden, lief er schnell die Stufen hinauf, denn er hatte Angst, von irgend einem der Gäste seines Freundes hier vor dem Spiegel gesehen zu werden.

      Als er an den zweiten Stock kam, bemerkte er wieder einen Spiegel; er verlangsamte seinen Gang, um sich zu betrachten. Sein Anzug und Äußeres schienen ihm wirklich elegant. Es paßte doch alles sehr schön und eine übermäßige Sicherheit bemächtigte sich seiner. Mit diesem Äußern und mit dem festen Vorsatz Carrière zu machen, mit der


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