Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant
zwei kleine Mädchen, eine in rosa, eine in blau, den Damen Blumensträuße.
Das fand man reizend.
Es waren schon eine Menge Menschen da. Die meisten Damen waren in Straßentoilette erschienen, um damit anzudeuten, daß sie hierher kamen, wie sie in alle Kunstausstellungen zu gehen pflegten. Diejenigen aber, welche zum Tanzen bleiben wollten, waren in ausgeschnittenen Kleidern.
Frau Walter befand sich im zweiten Zimmer, von Freundinnen umgeben, und erwiderte die Grüße der Besucher. Viele kannten sie nicht und gingen spazieren wie in einem Museum, ohne sich um die Wirte zu kümmern.
Als sie Du Roy sah, ward sie bleich und wollte auf ihn zugehen, dann blieb sie unbeweglich stehen und erwartete ihn. Er grüßte sie förmlich, während Magdalene sie mit Aufmerksamkeiten überschüttete.
Da ließ Georg seine Frau bei der des Chefs und verlor sich in der Menge, um die Bosheiten zu hören, die hier sicher fielen.
Fünf Salons folgten einander mit kostbaren Stoffen drapiert, italienischen Stickereien oder orientalischen Teppichen von verschiedenen Farben und Stilen; an den Wanden hingen Bilder alter Meister.
Die meisten Menschen blieben stehen, um ein kleines Zimmer im Stil Louis XVI. zu bewundern, eine Art von Boudoir, das mit mattblauer rosageblümter Seide ausgeschlagen war. Die niedrigen Möbel aus vergoldetem Holz, mit demselben Stoff bezogen wie die Wände; waren wundervoll fein gearbeitet.
Georg sah ein paar bekannte Leute: die Herzogin von Ferracina, Graf und Gräfin Ravenel, General Prinz von Andremont, die wunderschöne Marquise des Dunes, dann das ganze Premièren-Publikum der Theater.
Jemand nahm ihn beim Arm, und eine junge, glücklich klingende Stimme flüsterte ihm ins Ohr:
– Da sind Sie ja endlich, böser Liebling, warum machen Sie sich denn so selten?
Es war Susanne Walter, die ihn unter der leichten Wolke des gelockten Blondhaars mit ihren feinen Schmelzaugen anblickte.
Er war glücklich, sie wieder zu sehen und drückte ihr kameradschaftlich die Hand, dann entschuldigte er sich:
– Ich konnte nicht, ich hatte so viel zu thun, daß ich seit zwei Monaten nicht ausgegangen bin.
Sie antwortete ernst:
– Das ist schlecht von Ihnen, sehr schlecht. Sie machen uns viel Kummer, denn wir mögen Sie beide so gern, Mama und ich. Ich kann ohne Sie gar nicht sein. Wenn Sie nicht da sind, langweile ich mich zum Sterben. Sie sehen, ich sage es Ihnen ganz offen, damit Sie kein Recht haben wieder so zu verschwinden. Geben Sie mir den Arm, ich werde Ihnen selbst den Christus auf dem Meer zeigen. Er hängt ganz hinten, hinter dem Palmengarten, Papa hat ihn dort hinten aufgestellt, damit man durch alle Zimmer muß. Es ist wirklich wundervoll, wie Papa mit dem Palais renommiert.
Sie gingen langsam durch die Menge, alles blickte sich um nach dem schönen Kerl und der reizenden kleinen Puppe. Ein bekannter Maler sagte:
– Da, das ist ein hübsches Paar! Sehr spaßig!
Georg dachte:
»Wenn ich wirklich gerissen gewesen wäre, hätte ich das Mädel geheiratet. Gekonnt hätt’ ich’s, wie ist’s nur möglich daß ich daran nicht gedacht habe? Warum habe ich mich nur von der andern einfangen lassen? Zu dumm. Man handelt immer zu schnell und überlegt sich die Geschichte nicht genug.«
Und der Neid, der bittere Neid, fiel Tropfen auf Tropfen in seine Seele wie Galle, die all sein Glück tötete und ihm sein Leben verekelte.
Susanne sagte:
– Ach bitte, Liebling, kommen Sie ja oft zu uns. Nun, wo Papa so reich ist, wollen wir lauter Tollheiten machen, wir wollen uns amüsieren wie verrückt.
Er antwortete, immer noch in Gedanken:
– Ach Sie werden sich jetzt verheiraten, Sie kriegen irgend einen schönen Prinzen, der ein bißchen ruiniert ist, und wir werden uns kaum mehr sehen.
Aber sie rief mit ehrlichem Ton:
– Nein noch nicht. Ich will einen, der mir gefällt, der mir sehr gefällt, der mir in allem gefällt. Ich habe Geld genug für beide!
Er lächelte ironisch und überlegen und nannte ihr die Leute, die vorüber gingen, vornehme Leute, die ihr verrostetes Wappenschild durch Banquierstöchter wie sie, aufgefrischt hatten, und die nun mit ihren Frauen oder fern von ihnen lebten, aber frei, schamlos, bekannt und geachtet.
Er schloß:
– Passen Sie mal auf, in sechs Monaten sind Sie auf so einen reingefallen, dann werden Sie Marquise, Herzogin oder gar Prinzessin sein und mich kaum mehr angucken, mein Fräulein!
Sie war empört und schlug ihm mit dem Fächer auf den Arm indem sie schwur, sich nur nach Neigung zu verheiraten.
Er lachte:
– Das werden wir ja sehen! Sie sind zu reich.
Sie sagte:
– Aber Sie auch, Sie haben ja geerbt!
Er machte eine mitleidige Bewegung:
– Ah bah, davon wollen wir lieber gar nicht reden, kaum zwanzigtausend Franken Rente, was will das heutzutage sagen?
– Aber Ihre Frau hat doch auch geerbt.
– Ja eine Million für beide zusammen. Vierzigtausend Franken Rente, davon können wir uns ja nicht mal Pferd und Wagen halten.
Sie kamen an den letzten Salon, und vor ihnen lag das Palmenhaus, ein großer ausgedehnter Wintergarten voll mächtiger exotischer Bäume die sich über Beeten voll seltener Blumen erhoben. Wenn man unter dieses dunkle Blätterdach trat, über das das Licht wie eine Silberwelle glitt, atmete man die frischlaue Luft nasser Erde ein, einen schweren Hauch verschiedenster Düfte. Es war ein eigentümliches, süßes Gefühl, ungesund und doch reizend, das etwas Gekünsteltes, Entnervendes, Weiches hatte. Man schritt auf Teppichen dahin, wie auf Moos, zwischen zwei dichten Gebüschen. Plötzlich bemerkte Du Roy zu seiner Linken, unter einer hohen Palmengruppe ein Bassin von Weißen Marmor, in dem man hätte baden können und an dessen Rand vier große Schwäne aus Delfter Porzellan aus den halb geöffneten Schnäbeln Wasser in das Becken spieen.
Der Boden des Bassins war mit Goldstaub bestreut, und es schwammen darin mächtige rote Fische, seltsame chinesische Ungetüme mit Stahlaugen und blau eingefaßten Schuppen, eine Art von Wasser-Mandarinen, die über dem Goldgrund schwebend oder hin und her eilend, die Erinnerung an die seltsamen Stickereien jenes Landes wach riefen.
Der Journalist blieb klopfenden Herzens stehen. Er sagte sich:
»Das nenne ich mal Luxus, in so einem Haus kann man leben. Er hat es fertig gekriegt. Warum ich nicht auch?« Er überlegte wie, sah nicht gleich einen Weg und ward wütend über die eigene Ohnmacht.
Seine Begleiterin sprach nicht mehr, sie war nachdenklich geworden. Er blickte sie von der Seite an und dachte wieder:
»Ich hätte ja bloß diese kleine lebendige Puppe zu heiraten brauchen.«
Aber Susanne schien plötzlich zu erwachen. – Achtung! – sagte sie, drängte Georg durch eine Gruppe, die ihnen im Wege stand und führte ihn dann scharf nach rechts.
Mitten in einem Haine seltsamer Pflanzen, die ihre zitternden Blätter geöffnet wie Hände mit schmalen Fingern, in die Luft reckten, stand unbeweglich ein Mann auf dem Meer.
Der Eindruck war erstaunlich. Das Bild, dessen Ränder in lebendigem Grün versteckt waren, sah aus wie ein dunkles Loch mit phantastischer Ferne.
Man mußte genau Hinsehen, um es zu verstehen. Der Rahmen schnitt die Barke in der Mitte durch, auf der, vom fahlen Scheine einer Laterne beleuchtet, sich die Apostel befanden; einer saß auf dem Schiffsrand und ließ das ganze Licht voll auf Jesum fallen, der dort wandelte.
Christus hob den Fuß auf eine Welle, und man sah wie sie sich kräuselte, duckte, glättete und schmiegte unter dem Fuß des Heilandes. Um den Gottmenschen war Dunkel gebreitet,