Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant
unütz so sehr? Ich habe Susanne aufgetragen, daß sie die, die mit Ihnen ging, fortlocken sollte, damit ich ein Wort mit Ihnen reden kann. Hören Sie mich an. Ich muß Sie heute abend sprechen oder Sie wissen nicht, wozu ich fähig bin. Gehen Sie ins Palmenhaus, dort ist links eine Thür, die in den Garten führt. Gehen Sie dann die Allee hinunter, gerade aus. Ganz am Ende steht eine Laube, erwarten Sie mich dort in zehn Minuten. Wenn Sie nicht wollen, schwöre ich Ihnen, mache ich Skandal und zwar hier, sofort auf dem Fleck.
Er antwortete von oben herab:
– Gut, in zehn Minuten bin ich dort, wo Sie wollen. Sie trennten sich, aber Jacques Rival hielt ihn noch auf. Er hatte ihn beim Arm genommen und erzählte ihm, mit aufgeregter Miene, eine Menge Geschichten. Er hatte zweifellos das Büffet gründlich studiert. Endlich konnte ihn Du Roy Herrn von Marelle überlassen, den er in dem einen Thüreingange gefunden. Und er entfloh. Er mußte sich noch in Acht nehmen, daß ihn seine Frau und Laroche-Mathieu nicht sahen. Es gelang ihm, denn sie schienen sehr mit einander beschäftigt zu sein, und er stand im Garten.
Die kalte Luft traf ihn wie ein eisiges Bad und er dachte: »Verflucht, hier erkälte ich mich aber!« Darum band er sich sein Taschentuch, wie eine Kravatte um den Hals.
Vorsichtig schritt er in den Garten hinaus, denn nach dem Heraustreten aus dem hellen Licht der Säle, konnte er nur undeutlich sehen.
Er unterschied rechts und links kahle Büsche, deren Äste zitterten. Graue Lichtstreifen fielen durch die Zweige aus den Fenstern des Palais. Er sah mitten auf dem Wege vor sich etwas Weißes, es war Frau Walter, die dort mit bloßem Hals und nackten Armen stand. Sie stammelte mit zitternder Stimme:
– Ah da bist Du! Willst Du mich denn töten?
Er antwortete frech:
– Bitte, bloß kein Drama, oder ich reiße sofort aus.
Sie war ihm um den Hals gefallen und, den Mund nahe dem seinen, flehte sie:
– Was habe ich Dir denn nur gethan? Du benimmst Dich gegen mich unglaublich! Was habe ich Dir nur gethan?
Er versuchte, sie zurück zu stoßen:
– Du hast das letzte Mal, als wir uns gesehen haben. Deine Haare um meine Knöpfe gewickelt! Das hätte fast einen Bruch mit meiner Frau gegeben.
Sie war ganz erstaunt, schüttelte den Kopf und rief:
– Das ist Deiner Frau ganz gleich. Eine Deiner Geliebten wird Dir wohl eine Szene gemacht haben.
– Ich habe keine Geliebten!
– Aber so laß doch gut sein! Warum kommst Du nie mehr zu mir? Warum willst Du denn nicht einmal, einmal nur in der Woche, bei mir essen? Ich leide Höllenqualen. Ich liebe Dich so, daß ich an nichts anderes denken kann als an Dich. Du stehst überall vor meinen Augen, ich wage ja gar nicht mehr zu reden, weil ich immer fürchte Deinen Namen auszusprechen. Das begreifst Du nicht. Mir ist es, als wäre ich von ein paar Klauen gepackt, in einen Sack genäht, was weiß ich! Der ewige Gedanke an Dich schnürt mir die Kehle zusammen, zerreißt mir die Brust, lähmt mich, daß ich nicht mehr gehen kann, und ich sitze den ganzen Tag wie ein stumpfes Tier da, und immer, immer muß ich an Dich denken!
Er blickte sie erstaunt an, das war nicht mehr das dicke verrückte Frauenzimmer, wie bisher, sondern eine verzweifelnde Frau, die ganz von Sinnen und zu allem fähig war.
Ein unbestimmter Plan stieg in ihm auf. Er antwortete:
– Liebes Kind, die Liebe dauert nicht ewig, man kommt zusammen und geht wieder auseinander, aber wenn das so lange dauert wie zwischen uns, dann wird die Geschichte eine fürchterliche Last. Ich hab’s jedenfalls nun satt! Da hast Du die Wahrheit. Aber wenn Du vernünftig sein willst und mich wie einen Freund behandeln, will ich wieder kommen wie früher. Bist Du dazu fähig?
Sie legte beide nackte Arme auf Georgs schwarzen Frack und flüsterte:
– Um Dich nur zu sehen, kann ich alles thun.
– Gut, sagte er, also wir sind Freunde und weiter nichts, abgemacht!
Sie stammelte: – Abgemacht! Aber dann näherte sie ihm nochmals die Lippen:
– Noch einen Kuß, den letzten!
Er wehrte sie leise ab:
– Nein, jetzt müssen wir unsern Vertrag halten.
Sie wandte sich fort, indem sie ihre Thränen abwischte, dann zog sie aus dem Kleid ein Packet Papiere, die sie mit einem rosa Bändchen zusammen gebunden hatte, und gab es Du Roy:
– Hier ist Dein Anteil an den marokkanischen Papieren. Ich freue mich so, daß ich das für Dich gewonnen habe. Aber so nimm es doch!
Aber er wehrte ab:
– Nein, ich nehme das Geld nicht!
Da ward sie bös:
– Aber das darfst Du mir jetzt nicht anthun, es gehört Dir, nur Dir! Wenn Du es nicht nimmst, werfe ich es in die Gosse. Das thust Du mir doch nicht an, Georg.
Er nahm das kleine Packet und ließ es in die Tasche gleiten. – Wir müssen hinein, sagte er. Du kriegst sonst noch eine Lungenentzündung. Sie flüsterte:
– Desto besser, wenn ich doch sterben könnte!
Sie nahm eine seiner Hände, küßte sie leidenschaftlich mit Wut und Verzweiflung und kehrte ins Palais zurück.
Er folgte langsam in Gedanken, dann trat er, den Kopf erhoben, lächelnden Angesichts wieder in das Palmenhaus.
Seine Frau und Laroche waren nicht mehr da. Die Menge nahm ab, es zeigte sich, daß man nicht zum Ball bleiben wollte. Da erblickte er Susanne mit ihrer Schwester Arm in Arm. Sie kamen beide auf ihn zu und baten ihn mit dem Grafen Latour-Yvelin in der ersten Quadrille mit ihnen zu tanzen.
Er war erstaunt: – Wer ist denn das nun wieder?
Susanne antwortete boshaft: – Ein neuer Freund meiner Schwester.
Rosa errötete und flüsterte: – Du bist schlecht, Susanne, der Herr ist ebenso sehr Dein, wie mein Freund.
Der andere lächelte: – Ah, so! Ich verstehe!
Rosa war böse, wandte ihnen den Rücken und ging davon.
Du Roy nahm freundschaftlich den Arm des jungen Mädchens, das bei ihm geblieben, und sagte mit einschmeichelnder Stimme:
– Hören Sie mal, liebe Kleine, glauben Sie, daß ich Ihr Freund bin?
– Gewiß Liebling.
– Haben Sie Vertrauen zu mir?
– Vollkommen!
– Wissen Sie noch, was ich Ihnen vorhin gesagt habe?
– Was denn?
– Über Ihre Heirat, oder vielmehr über den Mann, den Sie heiraten werden.
– Ja!
– Gut, wollen Sie mir etwas versprechen?
– Ja, was denn?
– Mich jedesmal erst zu fragen, wenn man Sie um Ihre Hand bittet, und niemandem Ihr Jawort zu geben, ehe Sie mich um Rat gefragt haben.
– Ja, das will ich gern thun.
– Aber, das bleibt unter uns, Sie dürfen keinen Ton, weder Ihrem Vater, noch Ihrer Mutter sagen.
– Keinen Ton!
– Ihr Wort?
– Mein Wort!
Rival kam ganz verstört an:
– Gnädiges Fräulein, Ihr Herr Vater verlangt nach Ihnen wegen des Tanzes!
Sie sagte:
– Kommen Sie, Liebling.
Aber er schlug es ab. Er wollte sofort gehen, er mußte allein sein, um nachzudenken. Zuviel verschiedene Dinge stürmten auf ihn ein, und er suchte seine Frau.