Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant
Schon? Es machte mir so viel Spaß, Ihre Frau zu sein!
X
Es war ganz dunkel in der kleinen Wohnung in der Rue de Constantinople, denn Georg und Clotilde von Marelle, die sich in der Thür begegnet, waren schnell eingetreten, und sie hatte ihm gesagt, ohne ihm Zeit zu lassen erst ein Licht anzuzünden:
– Also Du heiratest Susanne Walter?
Er bejahte ganz ruhig und fügte hinzu:
– Wußtest Du das nicht?
Sie sagte nochmals, empört und wütend, indem sie sich vor ihn hinstellte:
– Du heiratest Susanne Walter? Das ist zu toll! Das ist zu stark! Seit drei Monaten bist Du nett mit mir, um es mir zu verbergen. Alle Welt weiß es, nur ich nicht. Mein Mann hat es mir gesagt.
Du Roy lachte, aber doch etwas verlegen, und nachdem er seinen Hut auf die Kaminecke gestellt, setzte er sich auf einen Stuhl. Sie blickte ihn scharf an und sagte erregt mit leiser Stimme:
– Du hast diese Geschichte seit Deiner Scheidung vorbereitet, nicht wahr? Und Du hast mich ganz ruhig als Deine Geliebte behalten, um die Zeit auszufüllen. So ein Lump wie Du bist!
Er fragte:
– Wieso denn? Ich hatte eine Frau, die betrog mich. Ich habe sie abgefaßt, die Scheidung durchgesetzt und nun heirate ich eine andere. Giebt es etwas Natürlicheres?
Sie flüsterte zitternd:
– O, was bist Du für ein gerissener gefährlicher Kerl!
Er lächelte wieder:
– Ach, weißt Du, die Guten sind immer die Dummen!
Aber sie verfolgte ihren Gedankengang:
– Ich hätte die Geschichte von Anfang an merken müssen, aber ich konnte doch nicht ahnen, daß Du so ein Lump wärst.
Er nahm eine ernste Miene an:
– Bitte, mäßige Dich in Deinen Ausdrücken.
Sie empörte sich gegen diese Zurechtweisung:
– Was, ich soll Dich mit Handschuhen anfassen? Du benimmst Dich gegen mich, seitdem ich Dich kenne, wie ein Lump, und ich soll es Dir nicht sagen dürfen? Du betrügst alle Welt, nutzt alle Welt aus, amüsierst Dich wo Du kannst und nimmst Geld woher Du es kriegst! Und ich soll Dich wie einen anständigen Kerl behandeln?
Er stand auf und sagte mit zitternder Stimme:
– Halte den Mund oder ich schmeiße Dich raus!
Sie stotterte:
– Rausschmeißen? Rausschmeißen? Hier, hier Du mich? Du mich? Du? Du?
Sie konnte vor Wut nicht mehr sprechen und schrie ihm endlich, als ob plötzlich die Pforten ihres Zornes gesprengt wären, ins Gesicht:
– Rausschmeißen? Du vergißt, daß ich die Wohnung hier bezahlt habe vom ersten Tage an! Ja, ab und zu hast Du sie wohl mal auf Deine Rechnung genommen, aber wer hat sie gemietet? Wer hat sie behalten? … Ich! Und Du willst mich hier rausschmeißen? Halt Du den Mund, Du Taugenichts! Du denkst wohl, ich weiß nicht, wie Du Magdalenen die Hälfte von ihrer Erbschaft gemaust hast! Glaubst Du, ich weiß nicht, daß Du mit Susanne geschlafen hast, um sie zu zwingen, Deine Frau zu werden!
Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie:
– Von der wirst Du nicht sprechen! Das verbiete ich Dir!
Sie rief:
– Du hast mit ihr geschlafen, das weiß ich!
Er hätte alles über sich ergehen lassen, aber diese Lüge brachte ihn in Wut. Bei den Wahrheiten, die sie ihm vorhin ins Gesicht geworfen hatte, hatte er innerlich gezittert vor Empörung, aber diese Unwahrheit über das kleine Mädchen, das seine Frau werden sollte, brachte ihn in solche Wut, daß es ihm in der Hand zuckte, und er rief:
– Schweig still! Nimm Dich in Acht! halt’s …..
Und er schüttelte sie wie einen Ast, von dem die Früchte fallen sollen. Sie brüllte, und ihre Frisur ging auf. Mit weit aufgerissenem Munde und ihn wie verrückt anstarrend, rief sie:
– Du hast mit ihr geschlafen!
Er ließ sie los und gab ihr eine solche Ohrfeige, daß sie gegen die Wand taumelte. Aber sie drehte sich um, reckte sich auf den Fußspitzen und schrie nochmals:
– Du hast mit ihr geschlafen!
Da stürzte er sich auf sie, drückte sie unter sich und schlug sie, wie er auf einen Mann eingehauen haben würde.
Sie schwieg plötzlich und fing bei den Schlägen an zu stöhnen, sie bewegte sich nicht mehr. Sie hatte ihr Gesicht in der Ecke versteckt und stieß Klagelaute aus.
Er hörte auf, sie zu schlagen und ließ von ihr. Dann machte er ein paar Schritte durch das Zimmer, um wieder ruhig zu werden, und kam plötzlich auf einen Gedanken. Er lief ins Schlafzimmer, goß kaltes Wasser in die Waschschale und steckte den Kopf hinein. Dann wusch er sich die Hände und während er sie sich sorgfältig trocknete, kam er zurück um zu sehen, was sie anfinge.
Sie lag noch unbeweglich am Boden und weinte leise.
– Hörst Du bald auf mit flennen?
Sie antwortete nicht. Da blieb er mitten im Zimmer stehen, etwas verlegen und beschämt vor diesem Körper, der da vor ihm ausgestreckt lag.
Dann faßte er plötzlich einen Entschluß, nahm seinen Hut vom Kamin:
– Gute Nacht! Wenn Du soweit bist, kannst Du dem Portier den Schlüssel geben, fällt mir nicht ein zu warten, bis Du wieder geruhst, vernünftig zu sein.
Er ging, schloß die Thür und trat beim Portier ein mit den Worten:
– Die Dame ist geblieben, sie geht später fort. Sagen Sie dem Hausbesitzer, daß ich zum 1. Oktober kündige, heute ist der 16. August, es ist also vor dem Termin.
Mit großen Schritten ging er davon, denn er hatte noch eilige Besorgungen zu machen für seine Hochzeit. Am 20. Oktober sollte sie stattfinden, nachdem die Kammern wieder zusammen getreten, und zwar in der Madeleine. Es war viel geredet worden, aber niemand kannte die Wahrheit. Verschiedene Gerüchte gingen um, man sprach von einer Entführung, aber keiner wußte etwas Gewisses.
Nach dem was die Dienstboten erzählten, hatte Frau Walter, die mit dem zukünftigen Schwiegersohn nicht mehr sprach, an dem Abend, an welchem diese Verbindung beschlossen worden und nachdem sie noch um Mitternacht ihre Tochter ins Kloster gebracht, einen Vergiftungsversuch, gemacht.
Beinahe sterbend hatte man sie gefunden, und sie würde sich wohl nie wieder ganz erholen. Sie sah jetzt aus wie eine alte Frau, ihr Haar wurde ganz grau, und sie ward fromm und ging jeden Sonntag zur Beichte.
In den ersten Tagen des September kündigte die › Vie française‹ an, daß Baron Du Roy von Cantel ihr Chefredakteur geworden, während Herr Walter Herausgeber blieb.
Und nun wurde eine Menge von bekannten Feuilletonisten, Reportern, politischen Redakteuren, Kunst-und Theaterkritikern angeworben, die man mit der Macht des Geldes den großen, alten, bedeutenden Zeitungen weggekapert.
Jetzt zuckten die alten hochgeachteten Journalisten nicht mehr die Achseln, wenn sie von der › Vie française‹ sprachen. Der große, schnelle Erfolg hatte die anfängliche Mißachtung der ernsten Schriftsteller überwunden.
Die Hochzeit ihres Chefredakteurs war ein großes Pariser Ereignis, da man in der letzten Zeit viel von Du Roy und von Walters gesprochen hatte. Alle Leute, die in der Rubrik »Aus der Gesellschaft« in den Zeitungen genannt zu werden pflegen, hofften dabei zu sein.
Das Ereignis fand