Weihnachts-Klassiker für alle Generationen: 280 Romane, Sagen, Märchen & Gedichte. Martin Luther

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mit Bettfedern ausstopfen wollen?«

      »Ja, mit Bettfedern,« antwortete er, ich weiß nicht mehr, ob kleinlaut oder triumphierend.

      »Welch verderbte, lasterhafte Welt! Ich sage dir, daß dieser dein Gedanke von einer Bosheit ist, die mich geradezu schaudern läßt! Ich sehe im Geiste den guten Franzl mit seiner Frau am Tische sitzen und die Magenwurst anschneiden. Da quellen Federn heraus! Welche Gesichter! Welch ein Aufwand an Geist und Scharfsinn, um dem Wunder, daß ein Schwein keine Borsten, sondern Federn hat, auf die Spur zu kommen!«

      »Sie hätten die Lösung des Rätsels, nämlich das hineingeschnittene Triangel bald gefunden, aber wohl schwerlich die Schuld auf uns geworfen.«

      »Auf uns! Das ist es ja, was mich so sehr empört, nämlich, daß ich, der Unschuldige, bei der Entdeckung auch in die Gefahr käme, als Dieb betrachtet zu werden!«

      »Beruhige dich, hochverehrter Busenfreund! Dein sittlicher und strafrechtlicher Widerwille ist nur deshalb so groß, weil du keinen Hunger hast! Also ich hätte die Federn in die Wurst gestopft, die Haut an den Triangelschnitten etwas übereinander gelegt und dann die Schnur wieder darumgewickelt. Hing sie dann oben an ihrem heimatlichen Haken, so wäre beim hellsten Tageslichte nicht zu sehen gewesen, daß ich bei nachtschlafender Zeit allhier die Fütterung meines Löwen vorgenommen habe. Leider ist nichts daraus geworden, und es bleibt ihm nichts anderes übrig, als weiterzuhungern!«

      »Es ist schon drei Uhr nachts; du wirst es bis zum Kaffee aushalten müssen und wohl auch können. Hättest du es Franzl noch vor dem Schlafengehen gesagt, so lägst du jetzt als gesättigter und zufriedener Bürger in den Armen des Schlafes der Gerechten. So aber wirst du unter den Geißelhieben der Furien nicht einschlafen können bis zum Grauen des Morgens, welche Bezeichnung heute doppelt richtig ist, weil es ihm vor dir graut!«

      »Ich wollte, diese Hiebe bekämst du! Ich verzichte auf deine Furien, denn ich habe an meinem Hunger genug. Komm, wollen uns wieder niederlegen!«

      »Ja, stecke deine berühmten Reiseschnuren ein; laß den Stuhl auf seinen eigenen Füßen stehen, und leg das Bett dahin, wohin es gehört. Und das sage ich dir noch: Wenn du mich wieder wecken solltest, um dich vom Haken herunterzuholen, so lasse ich dich hängen und gehe an meinem Wanderstabe ohne deine hungrige Begleitung weiter!«

      Ich blies das Licht wieder aus und kehrte zu Morpheus zurück, dem mich der Busenfreund so rücksichtslos entrissen hatte. Als ich erwachte, war es zehn Uhr vormittags. Carpio lag mit offenen Augen im Bette; er stöhnte leise vor sich hin und war vor Hunger bleich wie Konzeptpapier.

      »Aber, Carpio, was liegst du noch?« fragte ich erstaunt. »Du scheinst schon längst wach zu sein? Warum bist du bei deinem Hunger nicht aufgestanden und hinuntergegangen, um zu essen?«

      Er holte tief, tief Atem und seufzte:

      »Ich – – ich – – habe keinen Appetit!«

      Diese ganz und gar unerwartete Antwort veranlaßte mich, sofort aufzuspringen, um sämtliche Räuchersachen einer gründlichen Ocular-Inspektion zu unterwerfen. Ich fand nichts, was meinen Verdacht bestätigte.

      »Du denkst wohl, ich bin noch einmal aufgestanden und habe mich mit den Sachen da oben beschäftigt?« fragte er mich in müdem Tone. »Ist mir nicht eingefallen! Ich sage dir, Sappho, der Geruch dieser Würste und Schinken ist mir jetzt zuwider!«

      »Wirklich?« fragte ich erstaunt.

      »Ja. Auf Ehrenwort, ich könnte keinen einzigen Bissen davon essen!«

      »Das begreife ich nicht.«

      »Weil du meine Konstitution nicht kennst. Weißt du denn nicht, daß es Menschen giebt, welche, wenn sie den Hunger einmal übergangen haben, dann für lange Zeit nicht imstande sind, auch nur die geringste Kleinigkeit zu genießen? Sie sind ganz satt, wie vollgestopft.«

      »Mit Bettfedern?«

      »Mach keinen dummen Witz! Zu diesen Vollgestopften gehöre ich auch. Daß ich heute nacht den Hunger übergehen mußte, wird mir gar nicht gut bekommen; glaube mir, ich bin innerlich wie zugeleimt! Wer weiß, welche lange Zeit vergehen wird, bis ich etwas essen kann. Mein Leib ist ganz hart; ich kann kaum Atem holen!«

      »Das sind aber doch Symptome des strikten Gegenteiles vom Hunger!«

      »Das verstehst du nicht. Es sind die Symptome eines sehr stark übergangenen Hungers!«

      »Aber ich habe doch schon ziemlich oft gehungert, doch davon nie einen solchen Leib und Atembeschwerden gehabt wie du!«

      »Das kommt davon, daß deine Konstitution eine ganz andere Struktur hat als die meinige. Mein Hunger ist ein Löwe, der deinige ein Rhinoceros, also zwei Tiere, welche zu ganz verschiedenen Klassen gehören. Ich habe jetzt – –«

      Er wurde unterbrochen, denn Franzl klopfte an die Thür und forderte uns auf, nun endlich doch hinunterzukommen, sonst werde der Kaffee so dick wie Pflaumenmus.

      »Ich bliebe am liebsten liegen,« seufzte mein Busenfreund. »Es liegt mir wie Blei in den Gliedern. Komm, zieh mich in die Höhe!«

      Ich that das. Er sah wirklich ganz elend aus. Seine Wangen waren jetzt aschfahl und eingefallen; die Augen hatten einen stieren, wie abwesenden Blick.

      »Du, Carpio, wollen doch zu einem Arzt gehen,« schlug ich vor. »Das kann unmöglich vom übergangenen Hunger sein; das sieht vielmehr ganz so aus, als ob eine Krankheit im Anzuge sei!«

      »Unsinn!« lächelte er matt. »Den Anzug zieh ich selber an; da lasse ich keine Krankheit hinein.«

      »Na, wenn du noch imstande bist, solche lebensgefährliche Witze loszulassen, dann darf man ja alle Hoffnung haben, daß du noch nicht ganz tot bist!«

      »Es wird schon wieder werden; ich kenne mich. Hilf mir nur, ich kann mich nicht gut bücken!«

      Ich war schnell mit mir fertig; bei ihm aber ging es außerordentlich langsam; es war, als ob er sich gar nicht mehr drehen und wenden könne. So schwerfällig und apathisch wie heute hatte ich ihn noch nie gesehen. Auch die Treppe hinunter ging es so langsam mit ihm, als ob ihm die Kniegelenke eingefroren seien.

      Unser Franzl saß mit der Wirtin im Gastzimmer beim zweiten Frühstücke. Sie blühte wie eine Rose und begrüßte uns mit einer Freundlichkeit, welche bewies, daß ihr die uns bewiesene Gastfreundschaft aus dem Herzen kam. Von Abreise durften wir gar nicht sprechen. Wir erfuhren, daß Franzl per Schlitten nach Maria Kulm müsse, und beide hielten es für ganz selbstverständlich, daß wir mitzufahren hätten. Es fiel uns auch gar nicht ein, eine Einwendung dagegen zu machen. Was gern gegeben wird, nimmt man gern an, und wir freuten uns, den berühmten Wallfahrtsort kennen zu lernen.

      Mein kranker Busenfreund war leider nicht imstande, dieser Freude einen so lebhaften Ausdruck zu geben wie ich. Er trank nur einen einzigen Schluck Kaffee und nahm keinen Bissen zu sich. Franzl beobachtete ihn unter wiederholtem Kopfschütteln; er wollte nicht glauben, daß ein übergangener Heißhunger den Appetit mit solcher Gründlichkeit verderben könne.

      Natürlich erkundigte ich mich nach den drei Fremden von gestern abend.

      »Undankbare Gesellschaft!« antwortete die Wirtin kurz.

      Auf mein Warum erklärte Franzl:

      »Die sind schon fort, ehe wir aufgestanden waren; der Knecht hat sie hinauslassen müssen.«

      »Also doch, wie ich dachte! Ich habe es Ihnen gestern vorausgesagt, als die Frau nicht mit Gutenacht, sondern mit Lebewohl grüßte.«

      »Warten Sie nur; die Hauptsache kommt erst noch: Als meine Frau in der Stube, wo sie übernachteten, nachsah, lagen die geschenkten Kleidungsstücke, der Kuchen, die Wurst und sogar meine fünf Gulden auf dem Tisch. Sie haben das alles nicht mitnehmen wollen.«

      »Fünf Gulden? Nicht sechs?«

      »Nur meine fünf; den Ihrigen haben sie behalten. Was sagen Sie zu so einer Undankbarkeit und Schlechtigkeit?!«

      Ich war damals noch sehr jung und durfte von Menschenkenntnis


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