Gesammelte Werke. Ernst Wichert
sich zu Heinz. Nun sprich, sagte er; du hörst, wessen man dich beschuldigt.
Gnädigster Herr, begann der Junker, wenig eingeschüchtert, alles, was der sehr ehrenwerte Ratsherr sagt, ist richtig, und weit entfernt bin ich, ihn Lügen strafen zu wollen. Gleichwohl kann ich mich nicht schuldig bekennen.
Wie paßt das zusammen? fragte der Meister.
Ich habe immer gehört, gnädigster Herr, daß, wer Raub verübt, nimmt sich mit Zwang und Gewalt, was ihm nicht angehören will. So also, wer eine Jungfrau raubt, entführt sie mit Zwang und Gewalt, aus unzüchtiger Leidenschaft, gegen ihren Willen. Ich bin nicht gelehrt, aber das begreift sich ohne Gelehrsamkeit. Nun hab' ich aber dieses Mannes Tochter nicht gewaltsam aus ihres Vaters Hause entfernt und zu Schiff gebracht, sondern freiwillig ist Maria mir gefolgt und aus ihres Vaters Gewalt entflohen, um mir anzugehören. Deshalb bin ich kein Räuber oder Dieb, sondern habe mir genommen, was mein sein wollte, und so nenne ich den einen Lügner und elenden Wicht, der's anders sagt.
Ist's so, Tidemann? fragte Plauen.
Huxer kaute und würgte an seinem Ärger. Freilich ist das Mädchen betört und vom bösen Geist besessen, antwortete er mürrisch, und hat die Pflicht wenig geachtet, aber –
Gibst du jenem dort schuld, daß er durch teuflische Künste, Beschwörungen oder Zaubertränke des Mädchens Sinn von dir ab und zu sich gewandt hat?
Nein, gnädigster Herr, davon weiß ich nichts. Aber das Mädchen ist unsinnig in ihn verliebt, und er hat sich solche Schwäche zunutze gemacht.
Maria ist ihm also freiwillig gefolgt?
So muß ich's glauben, gnädigster Herr. Doch bedenkt selbst, ob ein unmündiges Kind einen Willen haben kann, der gegen des Vaters Willen ist, und ob er sich auf eine Vollmacht berufen kann, die von einem Unmächtigen gegeben ward. Mir gehört mein Kind! Und nimmt er mir's mit List oder Gewalt, so nenne ich ihn mit Fug und Recht einen Räuber und Dieb.
Heinz trat nahe an ihn heran. Ich hab' Euch flehentlich gebeten, Ihr möchtet Euch des Mädchens erbarmen und des Herzens Gebot achten. Ihr aber seid hart mit Eurem Kinde verfahren und habt zum Ungehorsam getrieben. So hat es geschehen müssen, was wir beide tief genug beklagten. Und so bitt' ich Euch hier nochmals in des Herrn Hochmeisters und seiner Gebietiger Gegenwart: Verzeiht mir, daß ich Euer Recht nicht achtete und mir und Maria zu dem Unsern helfen wollte durch rasche Tat. Macht Euer Kind nicht unglücklich durch Eure Halsstarrigkeit – gebt mir des Mädchens Hand.
Huxer schüttelte den Kopf. Nein! antwortete er ohne Besinnen. Lieber mag sie ihr Erbe dem Kloster zubringen – so bleibt's in der Rechten Stadt Danzig.
Der Hochmeister mußte daran denken, daß er sich vor einer Stunde auch so unerbittlich bewiesen habe, und wagte nicht, den starren Mann zu schelten, der überdies wohl Grund hatte, schwer erzürnt zu sein. Er kreuzte die Arme über der Brust und sah ein paar Minuten lang abwechselnd den einen und den andern an, ob sich unerwartet eine günstige Wendung zeige, daß er sie versöhnen könne. Aber Heinz stand traurig mit gesenktem Kopfe da, offenbar ganz hoffnungslos, und Huxer schien gespannt auf seinen Spruch zu warten. Endlich sagte er, sich aufrichtend: Das Leben hast du nicht verwirkt, Heinrich, weil das Mädchen dir freiwillig gefolgt ist, aber straffällig ist deine Gewalttat gegen Tidemann Huxer, und mit Recht fordert er, daß ich dich strafe. Wer seine Freiheit so übermütig mißbraucht, dem muß man die Hand binden, daß er merke, es sei ein Mächtigerer über ihm, der ihn züchtigen kann. Melde dich bei dem Hauptmann der Schloßwache, er wird dir dein Gefängnis anweisen –
Gnädiger Herr – unterbrach der Junker bestürzt.
Kein Wort! Ich will's so. Im Turm wirst du Zeit haben, zu überlegen, wie schwer du dich vergangen hast. Wahrlich, alle bürgerliche Ordnung müßte aufhören, wenn es so dem einzelnen gefallen würde, das Gesetz zu mißachten und Gewalttat zu üben. So mag's leider jetzt in Franken und Schwaben geschehen und an viel anderen Orten des Reiches. Aber hier in Preußen ist die Obrigkeit noch mächtig, dem Recht zum Recht zu helfen und den Bürger zu schützen. Geh in dein Gefängnis! Und wenn du in meine Hand versprechen willst, diesem Tidemann Huxer fortan Frieden zu geben, ihn nicht zu bedrohen, ihn nicht zu vergewaltigen, sondern abzustehen von seinem Kinde, so laß mich's erfahren, und ich will weiter bedenken, ob ich deine Buße annehme. Geh!
Heinz erkannte, daß jedes Wort des Widerspruchs nur seine Lage verschlimmern könnte, verbeugte sich tief und wandte sich der Tür zu.
Dank, gnädigster Herr, Dank! rief Huxer und wollte den Saum seines Mantels aufheben, ihn zu küssen.
Aber der Hochmeister trat unwillig zurück. Du bist mir nichts schuldig, Tidemann, sagte er. Ich wollte, du selbst hättest dich christlicher bewiesen, daß ich dir hätte danken können. Aber du wolltest dein Recht, und das ist dir geworden. Er winkte mit der Hand. Verlaß uns! Wenn aber dein Herz sich wenden sollte, komme wieder.
Huxer zog den breiten Kopf zwischen die Schultern und entfernte sich mit leisen Schritten. Das wird nie geschehen, murmelte er in sich hinein.
In der Rechten Stadt Danzig konnte er nun doch sagen, daß der Herr Hochmeister ihm habe gerecht werden müssen.
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