Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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sich schweigsam, wie auch Hans das Gespräch wieder aufzunehmen bemüht war. Selbst auf eine Frage nach der Wildnis hatte er nur eine kurze, abweisende Antwort. Am Tor blieb er zurück. Besser, man sieht uns nicht zusammen, meinte er. Habt Ihr mir etwas zu sagen, so trefft Ihr mich an der Brücke.

      Hans ging durch die Stadt nach dem Schlosse. Er hatte dabei reichlich Zeit, zu überlegen, was er nun beginnen wollte. Seine Hoffnung, der Meister würde ihn wieder rufen lassen und nach seinen Wünschen ausfragen, war nicht in Erfüllung gegangen. Wie lange sollte er darauf warten? Es schien nicht ratsam, sich bei längerem Bleiben der Gefahr auszusetzen, nochmals mit Switrigals Dolch in nahe Berührung zu kommen. Daß Eifersucht den Buben stachelte, daran konnte kein Zweifel sein. Dann aber war's das beste, ihm zu zeigen, daß er sich ganz vergeblich um Waltrudis bemühte. Ja, es war Zeit, ein offenes Wort zu sprechen und die Sache zur schnellen Entscheidung zu bringen.

      Er fand die Gießmeisterin in großer Aufregung. Eben sei Prinz Switrigal dagewesen und hätte sich ganz unsinnig betragen. Die boshaftesten Worte seien ihm vom Munde gegangen, und er hätte gesagt, daß er sich nicht länger wie ein Kind behandeln lassen wolle, und gedroht, die Tür, die Waltrudis verriegelt hielt, mit der Faust einzuschlagen. Auch gegen ihn habe der böse Mensch geflucht, und was er außerdem in seiner heimischen kauderwelschen Sprache gesprochen, das habe sie nicht einmal verstanden, sei aber wahrscheinlich das allerschlimmste gewesen. Das Fräulein sei in großen Schrecken versetzt worden, und es könne ihr noch nachträglich schaden. Zugleich ging sie an die Tür und klopfte leise an. Macht nur auf, Fräulein, sagte sie, es ist der Herr Ritter von der Buche, unser guter Freund. In dessen Schutz seid Ihr vor dem wütenden Menschen sicher.

      Der Riegel wurde sofort zurückgezogen, und Waltrudis trat mit recht bleichem und verstörtem Gesicht herein. Wie sie aber des lieben Gastes ansichtig wurde, schien alle Unruhe und Bangigkeit zu weichen, Mund und Augen lächelten holdselig, und die Hand streckte sich ihm entgegen. Er bückte sich rasch und küßte sie. Da war's, als ob ein rotes Mal auf der weißen Haut zurückblieb. Sie sah's und wollte es mit der anderen Hand fortreiben, aber es trat nur noch deutlicher vor. Deshalb zog sie den Arm ein wenig ein, daß die Klappe des Ärmels darüberfiel. Sie wurde ganz verwirrt.

      Was hat's denn aber gegeben, Herr Ritter? fragte Frau Ambrosius, um ihr zu Hilfe zu kommen. Aus des Prinzen garstigen Reden mußte man schließen, daß er mit Euch irgendwo ein ernstliches Zusammentreffen gehabt. Er hat Euch doch nichts zuleide getan?

      Hans erzählte kurz, was hinter dem Schießgarten geschehen war. Die Frauen bekreuzten sich, und die Gießmeisterin konnte sich gar nicht heftig genug gegen den frechen, störrischen Buben aussprechen, der ein Fürst sein wolle und sich wie ein Straßenräuber betrage. Waltrudis aber zerdrückte mit den langen, seidenen Wimpern eine Träne und sagte: Gott sei's gedankt, daß Ihr gerettet seid.

      Das klang ihm, als ob sie ihm sagte: Wie gut bin ich dir im Herzen! Er faßte sich deshalb Mut, trat dicht vor sie hin und sprach: Dankt Ihr so innig Gott, daß ich gerettet bin, so darf ich mich wohl auch selbst dessen freuen. Denn wisset, daß ich lieber tot wäre als von Euch verleugnet. Es läßt sich nun nicht mehr zudecken: es ist eine Todfeindschaft zwischen Switrigal und mir, und die hat nur in Euch ihren Grund, so unschuldig Ihr dazu seid. Eure Schönheit macht ihn so unsinnig und daß er glaubt, ich sei seinem Liebeswerben im Wege. Daß ich ihm aber nicht ebenso gesinnt bin, das will ich mir nicht zum Lobe rechnen. Denn mein Herz ist voll Hoffnung, daß ich Euch lieb und wert bin und keinen König und Kaiser zu fürchten habe. War's Täuschung, so sagt mir's offen, damit ich mich nicht ferner so grausam betrüge. Las ich aber recht in Euren Augen und in Eurem Herzen, Waltrudis, so sagt nur auch das offen und ehrlich. Denn die Zeit ist gekommen, wo es klar werden muß zwischen uns. Meines Bleibens darf hier nicht länger sein. So laßt mich in die Heimat die Gewißheit mitnehmen, daß ich dort bald nicht mehr allein bin und mein Gemüt mit Sorgen quäle. Sagt mir: wollt Ihr mein liebes Weib sein? Darf ich mir Eure Hand vom Herrn Hochmeister erbitten?

      Da zuckten ihre Wimpern, und sie wagte doch nicht die Augen aufzuschlagen. Und dann blickte sie seitwärts auf die Gießmeisterin, die sich nicht von der Stelle gerührt hatte, obschon die Sache sie so weit gar nichts anging. Als die aber freundlich nickte, reichte sie dem Ritter beide Hände hin und flüsterte:

      Nehmt mich – ich war Euer von Anbeginn. Er hob ihre Arme hoch, legte sie um seinen Hals und zog das schöne Mädchen an sich – er küßte das goldige Haar, die feuchten Augen und den roten Mund. Dann sank er vor ihr auf die Knie und sah mit feurigen Blicken zu ihr auf. So will ich dir geloben, rief er, du Engelreine, daß ich dir getreulich angehören will bis ans Ende.

      Sie hob ihn auf. Ich vertraue Gottes Güte, antwortete sie, daß er Euren Mund Wahrheit sprechen läßt.

      Frau Ambrosius war sehr gerührt. Sie meinte, das hätte sie schon lange gewußt, und geradeso hätte es kommen müssen. Ein Fürst sei freilich keine verächtliche Partie, aber nach Masowien wäre sie nicht gegangen, und wenn ein Herzog um sie gefreit hätte. Man merke es wohl an diesem Prinzen, was da für wilde, heidnische Menschen lebten. Dann kam sie auf einen anderen Gedankenweg. Das ist nun in meinem Hause geschehen, plauderte sie, und ich hab's gewissermaßen mit zu verantworten, da ich dabeigestanden und nicht Einhalt getan habe. Was nun Euch betrifft, Herr Ritter, Ihr seid selbständig und möget Euch binden, wie es Euch gefällt. Das Fräulein aber, das unter meiner Obhut steht, hat Verwandte und muß sie befragen – hohe Verwandte, wie Ihr wißt, deren Ja- und Neinwort wuchtig in die Schale fällt. Darum, bis die gesprochen haben, darf ich in meinem Hause heimlichen Verkehr nicht leiden. Auch könnte ein Unglück geschehen, wenn der Prinz Euch träfe, zu unseres Hauses ewigem Schimpf. Deshalb bitte ich Euch, Herr Ritter, daß Ihr geht, und nicht wiederkehrt, bis Ihr des Herrn Hochmeisters gnädigste Einwilligung bringt. Wir sind ehrliche Leute und wollen in Ehren bleiben.

      So meint' ich's auch, versicherte er, drückte noch einmal seines lieben Mädchens Hand und entfernte sich rasch.

      Als er über die Zugbrücke von der Vorburg nach dem mittleren Hause schritt, trat hinter dem Pfeiler Switrigal vor und näherte sich mit gesenktem Haupte. Hans trat sorglich zur Seite, einen neuen Überfall befürchtend. Der Prinz winkte ihm aber mit der Hand, stehenzubleiben, und sagte: Verzeiht, Ritter, was vorhin geschehen ist. Ich war meines Verstandes nicht mächtig, und es tut mir leid, daß ich Euch in solcher Art feindlich begegnet bin, wie es einem ritterlichen Manne nicht ziemt. Genügt Euch diese Abbitte?

      Hans war in so froher Stimmung, daß er ihm auch ohne Abbitte verziehen hätte. Sie genügt mir, antwortete er.

      So wollt Ihr nicht Klage über mich führen beim Herrn Hochmeister?

      Das wäre auch ohnedies nicht geschehen, Prinz Switrigal.

      Ich dank' Euch, Ritter. Zu jeder Genugtuung bin ich bereit.

      Ich brauche keine Genugtuung. Meine Ehre ist nicht verletzt, und es ist mir auch keine Schande, daß ich fast unterlag, da ich Euch und Euren Dolch mit der bloßen Hand abzuwehren hatte.

      Der Prinz errötete und sah finster zur Erde. Weiß man im Gießhause, was vorgegangen ist?

      Ihr habt's dort toll genug getrieben und das meiste selbst verraten.

      So versprecht mir, daß Ihr für mich zeugen wollt, wie ich wegen meiner Wildheit Abbitte getan und Euch Genugtuung angeboten habe mit ritterlichen Waffen.

      Es soll geschehen, Prinz, wenn es Euch beruhigt. Er grüßte und ging.

      Switrigal folgte ihm. Und noch eins: ich rate Euch, laßt das Euren letzten Gang nach dem Gießhause sein. Ich weiß, was Euch dorthin zieht. Aber ich leide nicht, daß ein anderer in mein Gehege kommt; merkt Euch das, Herr Ritter.

      Hans lachte leicht auf, nicht um den Prinzen zu verspotten, sondern weil er ihn so arg im Irrtum wußte. In Euer Gehege?

      Nennt's, wie Ihr's wollt. Waltrudis gehört mir.

      Wir wollen darüber nicht streiten, Prinz.

      So sollt Ihr's mir auch nicht bestreiten, Herr Ritter. Denn wisset: tretet Ihr meinem Recht bei dem Fräulein mit einem Wort oder auch nur mit einem unvorsichtigen Blick in den Weg, so beschimpfe ich Euch vor Zeugen, daß Ihr Genugtuung fordern müßt, wenn Euch Eure ritterliche Ehre lieb


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