Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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– Räuber – Dieb! schrie Huxer, einen mit spitzen Nägeln besetzten Streitkolben schwingend. Wo hast du mein Kind? Zu mir, Maria, zu deinem Vater!

      Der Junker hatte das Schwert gezogen und hielt die Schläge des Wütenden ab. Klaus Poelke verteidigte sich, so gut es ging, mit dem Ruder gegen die beiden Matrosen.

      Vater, rief Maria in den Lärm hinein, es geschah mit meinem Willen! Ich bin sein Weib! Reiße mich nicht von seiner Seite – es ist mein Tod!

      Huxer achtete nicht darauf. Immer wütender hieb er auf den Junker ein, der das Mädchen zu decken suchte. Springt hinüber, befahl der Reeder seinen Matrosen, ergreift die Dirne, werft sie in unser Boot! Ich will doch sehen, ob ich noch der Vater bin!

      Die Matrosen folgen dem Befehl. Der eine rang Brust an Brust mit Klaus und versuchte ihn ins Wasser zu stoßen, so daß das kleine Fahrzeug arg ins Schwanken geriet und umzuschlagen drohte. Der andere Matrose faßte Maria bei den Schultern und bemühte sich, sie vom Mast loszureißen, den sie mit den Armen umklammert hielt. Heinz brachte ihm durch einen raschen Seitenhieb eine Verwundung bei, die ihn jedoch nicht zwang, von dem Mädchen abzulassen. In diesem Augenblick riß die Segelschote; die Leinwand flatterte um den Mast und legte sich ihm um Gesicht und Schultern. Die Bemühung, sich schnell frei zu machen, mißlang; auch konnte er dabei das Schwert nicht brauchen. Ein heftiger Stoß mit dem Streitkolben warf ihn zu Boden.

      Als er sich aufraffte, sah er, daß der Matrose das Mädchen aufhob und Huxer zuwarf. Sie schien ohnmächtig, der Kopf sank zurück, als dieser sie in den Arm nahm. Der Matrose sprang nach. Der andere und Klaus verloren beim Ringen das Gleichgewicht und fielen zusammen ins Wasser. Dort mußten sie einander wohl loslassen, wenn sie nicht zusammen versinken und ertrinken wollten. Jeder griff nach dem Bord seines Bootes.

      In dem Augenblick, als die beiden Fahrzeuge voneinander abtrieben, trat hinter dem Segel des Seebootes ein Mensch hervor, der sich bis dahin verborgen gehalten hatte. Mit einem mächtigen Satz schwang er sich in das Fischerboot hinüber, ergriff den Mast und sank, an demselben hinabgleitend, in die Knie, um nicht auf der anderen Seite hinabgeschleudert zu werden. Der Hut flog ihm dabei vom Kopfe und wurde vom Winde in den Strom getrieben. Lange braune Locken flatterten um Stirn und Wangen. Heinz, der sich schon halb aufgerichtet hatte, schien von einem jähen Schreck wieder zurückgeworfen zu werden. Natalia! schrie er wild auf.

      Ich bin's, antwortete sie mit eisiger Ruhe, den stechenden Blick fest auf ihn richtend. Kennst du deine Herrin?

      Natalia – du warst des Waldmeisters Bote …

      Ich brauche keinen Auftrag – führe meine eigene Sache.

      Du – hast – mich verraten ...?

      Das war meine Rache. Einmal entflohst du mir – das zweitemal nicht. Ich sah dich mit deinem Schätzchen das Haus verlassen, wußte, daß ein Fischerboot auf euch wartete. Ich rief unter Huxers Fenster: Wach auf, alter Mann, ein Bube stiehlt dir dein Kind, deine Maria! Ich rief's so lange, bis er hinausfragte, was der Lärm bedeute. Da war er bald aufgeklärt. Eine Stunde nach euch waren wir auf dem Flusse. Unser Boot hatte Flügel – ihr konntet uns nicht entgehen.

      Und weshalb, du Unholdin … ?

      Weshalb? Weil ich dich hasse!

      Du liebtest mich, Natalia –

      Darum hasse ich dich jetzt. Sie ließ den Mast los, warf sich neben ihm nieder und ergriff seine Hand. Nein, nein, ich liebe dich noch immer! Das ist meine Buße, daß ich's bekennen muß.

      Er stieß sie zurück. Ich aber liebe dich nicht – ich liebe Maria!

      Schrei's in die Luft. Sie hört dich nicht mehr, sie wird dich nie mehr hören. Darum tat ich's.

      Entsetzliche –!

      Tritt mich wie deinen Hund, aber bekenne, daß ich dir weher getan habe als du mir. Maria ist dir verloren! Mit mir mache, was du willst, in deinem Zorn. Schlage zu mit dem Schwert, ich will deinen Streich erwarten, ohne mit der Wimper zu zucken: wirf mich ins Wasser, und laß mich vor deinen Augen ertrinken. Das Leben ist mir nichts wert, der Tod willkommen. Sie schluchzte plötzlich laut auf. Ach, du weißt nicht, wie elend du mich gemacht hast!

      Klaus hatte sich glücklich ins Boot gerettet, wand seine nasse Jacke aus und haschte mit der Hand nach dem flatternden Segel. Wohin jetzt, Junker? fragte er.

      Nach Danzig zurück!

      Die dort holen wir nicht ein. Er zeigte auf das Schiffsboot, das schon in weiter Ferne schwamm.

      Heinz streckte die Arme aus. Verloren –! Verloren? Nein und in alle Ewigkeit nein, sie kann mir nicht verloren sein! Trotz dir, du Teufelin!

      42. IM SCHIESSGARTEN DER MARIENBURG

       Inhaltsverzeichnis

      So friedlich es in des Gießmeisters Hause aussah, so war dort doch in aller Heimlichkeit eine heftige Feindschaft aufgewachsen. Prinz Switrigal wurde von leidenschaftlicher Eifersucht verzehrt. Waltrudis behandelte ihn freundlich, hielt ihn aber stets in gemessener Ferne; Hans von der Buche war offenbar der Begünstigte, wenn sich's auch nur durch Blicke und sehr unschuldige Worte verriet. Seinem lauernden Argwohn entging ihre Bedeutung nicht.

      Wenn er sich in seinem blanken Schilde betrachtete, erschrak er über seine eigene Häßlichkeit. Denn im Gedanken sah er neben seinem Gesicht das des Nebenbuhlers, der Waltrudis gefiel. Er strich die Haare aus der Stirn, brachte sie unter die Schere, war täglich in der Stadt beim Bader und ließ sich bürsten und salben. Er kaufte einen andern Hut und steckte eine Feder darauf, ließ sich ein Wams von Tuch mit allerhand Schlitzen und Borten anfertigen und trug sich mit feinerem Anstand. Bei Waltrudis freilich hatte er deshalb nicht besseren Erfolg.

      Mit Neid erfüllte es ihn, daß Hans zum Ritter geschlagen war und seitdem offenkundig in des Herrn Hochmeisters Gunst sehr hoch stand. Es zürnte ihn, wenn man jenem infolgedessen Ehren erwies, auf die er selbst trotz seiner fürstlichen Geburt nicht Anspruch erheben durfte. Wenn Ambrosius oder seine Frau oder der alte Wigand ein lobendes Wort über ihn sagten, war es ihm recht ein Stich ins Herz. Und obgleich der junge Ritter ihm alle Höflichkeit erwies und sogar ein freundschaftlicheres Verhältnis anzubahnen versuchte, war er tief innerlich überzeugt, daß kein Mensch auf der Welt ihm mehr im Wege stehe als dieser.

      Eines Tages, bald nach Plauens Rückkehr von Graudenz, befand Switrigal sich nach der Mittagstafel in dessen Gemach und durfte mit ihm Schach spielen. Er war sehr merklich zerstreut, machte lauter unbedachte Züge und verlor rasch eine wichtige Figur nach der andern. Deine Gedanken sind nicht beim Spiel, mein Sohn, sagte der Hochmeister mit leisem Vorwurf. Es kann mir wenig daran gelegen sein, so die Partie zu gewinnen, und du wirst nicht einmal dabei lernen, wenn du sie verlierst. Ich bemerkte schon bei Tisch, daß du kaum auf das hörtest, was vorgelesen und gesprochen wurde, auch den Speisen mit geringem Eifer zusprachst, und so habe ich dich auch in den vorigen Tagen grüblerisch und den gegenwärtigen Dingen abgewandt gefunden. Selbst als wir gestern die jungen Hengste musterten, die in des Ordens Stutereien für unseren Marstall in der Marienburg ausgewählt waren, schienst du keine rechte Freude daran zu haben, und doch weiß ich, daß du sonst keine größere Lust kanntest, als ein mutiges Roß zu tummeln und deine Reiterkünste zu zeigen. Was soll ich davon denken und was deiner gütigen Mutter, Frau Alexandra, schreiben, die dich an unserm Hof im besten Wohlsein glaubt? Bist du krank, oder was hat dir die gute Laune verdorben, daß du immer mürrisch vor dich hinsiehst und mit Worten kargst, wenn man dich freundlich anredet?

      Da sank der junge Prinz vor ihm auf die Knie nieder, küßte seine Hand und sprach: Gnädigster Herr, wollet mich so sehr nicht verkennen. Ich bin Euch dankbar für die Erziehung, die Ihr mir an Eurem Hofe gabt und deren ich – täglich erkenne ich's mehr – nur allzusehr bedürftig bin. Denn wenig erfahren bin ich noch in ritterlichen Werken, und schwer wollen die Wissenschaften mir in den ungelehrigen Kopf. So erfüllt es mich mit Traurigkeit, daß es anderen leicht gelingt, sich Achtung und Neigung zu gewinnen, indes man mich meidet oder nur meines fürstlichen Ranges wegen nicht zurückweist.

      Plauen


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