Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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gemacht hat? Wißt Ihr das? Ich hoffe, er ist nicht so undankbar, das in Euren Armen vergessen zu haben.

      Maria haschte ängstlich jedes Wort von seinen Lippen. Das polnische Fräulein – glaubt mir, er liebt sie nicht.

      Er liebt sie nicht! Ist das so gewiß? Was weiß der Mensch, wen er liebt und wen er haßt? Es hält ihn etwas in seinem Bann, daß er blind ist und aus dem gezogenen Kreise nicht heraus kann. Er liebt sie nicht – weil er Euch liebt, weil Ihr's ihm angetan habt. Es muß ein Zauber sein, der nicht gleichmäßig seine Kraft bewährt. Denn eine Zeit … Es mag sein, er liebt das polnische Fräulein nicht, das ihm das Leben gerettet hat. Er glaubt's wenigstens so – und das kann Euch ja genug sein, ganz genug.

      Dem Mädchen war das Weinen nahe. Was gibt Euch ein Recht, so grausam –

      Aber das polnische Fräulein liebt ihn! rief der Fremde hinein, richtete sich dabei hoch auf und schüttelte den Hut in der Luft. Oder, das polnische Fräulein haßt ihn – ich weiß nicht, es kommt auf eins heraus. Er hat sich frei gemacht und ist entsprungen. Meint er nun frei zu sein? So wird man seiner Buße nicht ledig. Es kann sein: das polnische Fräulein gewinnt ihn sich nimmer. Aber sagt selbst: Wenn Ihr ihn nicht haben könntet, wolltet Ihr ihn einer andern gönnen? Und Ihr seid ein deutsches Fräulein, und die Leute behaupten, die deutschen Mädchen hätten anderes Blut in den Adern als die polnischen drüben, kühleres, dünneres – was weiß ich? Laßt Euch warnen! Das polnische Fräulein schüttelt's nicht ab mit Klagen und Weinen und Beten. Was das für ihn getan hat, das läßt sich nicht abtun mit frommem Willen. Es brennt auf der Lippe und im Herzen, und der Brand muß gelöscht sein – so oder so. Seht mich nicht staunend an, woher ich solche Kenntnis habe. Ich bin des Fräuleins Knappe und habe mich in ihren Dienst geschworen für Lebenszeit. Und ich warne Euch: bedenkt, was Ihr Sündliches treibt und unternehmen wollt, Euch und Eurem Hause zu Schimpf und Schande. Laßt ab von ihm! Nie werdet Ihr seiner Liebe froh werden!

      Maria brach in ein heftiges Schluchzen aus, bedeckte die Augen mit den Händen und neigte den Kopf tief auf den Schoß hinab. Als sie endlich aufblickte, war der Fremde verschwunden, und Barbara stand vor ihr, sie besorgt anschauend. Was ist geschehen? fragte sie. Was wollte der wilde Mensch? Ich hörte so laut sprechen.

      Maria warf sich an ihre Brust, schluchzte und rief: Ach, ich bin sehr unglücklich! –

      41. DIE ENTFÜHRUNG

       Inhaltsverzeichnis

      Als Heinz abends anklopfte, wurde er von Barbara abgewiesen. Sie sagte ihm nicht den Grund, aber ihr Gesicht war so streng und ihre Rede so kalt, daß es ihn verwunderte.

      Am andern Tage zur bestimmten Stunde kam er wieder und bat nun so lange und inständig, daß die Frau ihn wohl einlassen mußte. Vielleicht merkte sie, daß Maria über Nacht andern Sinnes geworden war. Er konnte aus dem lieben Mädchen gar nicht klug werden, so streng wurde ihm begegnet. Nicht einmal die Hand wollte sie ihm lassen. Was hab' ich denn verbrochen, fragte er bekümmert, daß du mich's so entgelten lassest? Ich weiß doch mein Herz rein von aller Schuld, Liebste.

      Dabei sah er sie mit den treuen Augen recht innig an, und dem widerstand sie nicht. Die Tränen perlten ihr über die Backen, mit raschem Entschluß hob sie die Arme und legte sie um seinen Nacken. Nein, rief sie, sie sollen mein Herz nicht überlisten, sie sollen mich nicht um mein Glück betrügen! Du bist treu und gut, und niemand, niemand liebt dich, wie ich dich liebe.

      Er streichelte ihr das Haar und küßte ihr Stirn und Lippen. Was ist denn zwischen uns getreten? fragte er, und nun kam's unter Weinen und Küssen allmählich heraus, und wenn sie schon meinte, überwunden zu haben, stachelte die Eifersucht doch wieder zu Vorwürfen, daß er ihr nicht alles gesagt habe. Er wußte sie zu beruhigen, indem er ihr die ganze Wahrheit vertraute. Solange ich deinen Ring nicht wieder hatte, sagte er, ging ich in der Irre wie ein Träumender, aber mir war nimmer wohl dabei. Der Zauber, der mich verstricken wollte, war nicht stark genug, und ganz unfrei bin ich nie geworden. Das weiß sie, und darum haßt sie mich. Aber sie soll unserer Liebe nichts anhaben. Vertraue mir und fürchte dich nicht.

      Nun gab's aber zu raten, wer der Fremde sein könne, der von solchen Geheimnissen Kenntnis habe, und wie er mit dem Waldmeister zusammenhänge, und was seine Absicht sei. So viel war gewiß, daß seine Drohungen ernst genommen sein wollten. Maria hatte allen Mut zu dem Wagnis verloren, das sie so schön geplant hatten. Es wird uns nicht glücken, meinte sie, und ich habe mir's auch überlegt, was ich meinem Vater schuldig bin, und daß ich ihn so heimlich in der Nacht nicht verlassen kann. Man träumt wohl dergleichen gern, aber wenn man's mit wachen Augen sieht, erkennt man's kaum wieder, und aufgeweckt bin ich nun einmal so unsanft, daß ich mich in den Traum nicht mehr zurückfinde. Nein, Liebster, das darfst du von mir nicht fordern, was unrecht ist vor Gott und zudem so große Gefahr bringt – das nicht.

      Aber was soll denn geschehen?

      Noch ist's ja doch nicht einmal sicher, daß mein Vater dich abweist, wenn er hört, daß ich dich liebe und meine Festigkeit steht. Sprich mit ihm und erbitte dir meine Hand; ich werde dir unerschütterlich zur Seite stehen. Er kann nicht seines Kindes Verderben wollen.

      Heinz versprach sich nichts davon, aber sie war so fest entschlossen, den Abweg zu meiden, auf dem sie nun nichts als Not und Gefahr erblickte, daß er wohl nachgeben mußte. Glaube mir, sagte sie, die Bösen finden uns am leichtesten und können uns am sichersten schaden, wenn wir selbst auf unrechten Wegen sind. Gibt uns der Vater nicht zusammen, so will ich ganz ruhig sein und alles, was mich treffen könnte, wie ein Verhängnis Gottes hinnehmen. –

      Junker Heinz sprach klopfenden Herzens mit Huxer. Der ließ ihn aber gar nicht ausreden, sondern fuhr ihn zornig an und schalt ihn, daß er mit Listen und Verführerkünsten sein Kind von der Pflicht abwendig gemacht habe. Was denkt Ihr Euch? rief er. Weil das Mädel vernarrt in Euch ist, soll ich's Euch deshalb in den Arm werfen und mein Hab und Gut dazu? Zum Kaufmann taugt Ihr nicht, das müßt Ihr wohl in dieser kurzen Zeit schon gemerkt haben. Zu einem fahrenden Ritter mögt Ihr das Zeug haben, aber ich will mein Kind nicht hinter Euch auf den Sattel setzen. Ich habe mich um die Narretei nicht ernstlich gekümmert; da Ihr nun aber kommt und um des Mädchens Hand bittet, sage ich Euch: geht, wohin es Euch beliebt, Junker, aber bleibt meinem Hause auf hundert Schritt fern. In solchen Dingen verstehe ich keinen Spaß. Euer Stuhl in der Schreibstube ist umgekehrt. Damit Gott befohlen.

      Dann gab's oben einen harten Auftritt, daß Frau Barbara, die an der Tür stand und horchte, nur immer die Hände gefaltet hielt und ein Gebet nach dem andern sprach. Maria hielt Wort und sagte offen heraus, daß sie den Junker liebe und ihm um nichts in der Welt abwendig werden könne. Darauf antwortete er, daß von alters die Väter den Töchtern den Mann bestimmten, und daß er's als ein guter Bürger in seinem Hause nicht anders haben wolle. Und daran schloß er dann zugleich, daß Rambolt von Xanten ihm genehm sei und auch ihr genehm sein müsse, wenn sie nicht einen stichhaltigen Einwand gegen ihn habe, und daß er ihr drei Tage Bedenkzeit gebe, ob sie sich seinem Willen fügen wolle. Wenn nicht, so habe er wohl noch Mittel, sie zu besserer Einsicht zu zwingen.

      Damit verließ er sie in großer Bekümmernis, und Barbe forderte sie auf, mit ihr niederzuknien und Gott um ein demütiges Herz und gehorsamen Willen zu bitten. Maria aber war trotzig und wollte von solchem Gebet nichts wissen, sondern warf sich auf ihr Lager und wühlte mit den Händen in ihrem Haar und weinte leidenschaftlich. Ehe sie sich von Rambolt zum Altar führen lasse, sagte sie, lieber wolle sie sich mit den Nägeln das Gesicht entstellen, daß sie häßlicher werde als die Nacht und der Verhaßte lieber eine Eule heimführe als sie. Das seien lästerliche Worte, verwies sie die Frau, aber ihr tat's doch weh, daß ihr gutes Kind so leiden mußte.

      Drei Tage hielt Huxer sich zu Hause. Er traute seiner Wirtin nicht recht und fürchtete, daß hinter seinem Rücken etwas Unrechtes geschehen könnte, das zu den Ohren der Xanten käme. Aber er konnte doch nicht hindern, daß Maria stundenlang im Erker stand und hinausschaute, ob Heinz vorüberginge. Das geschah denn auch häufig genug, und sie konnten einander wenigstens zuwinken und durch Zeichen zu verstehen geben, daß sie in ihrer Treue nicht wankten. Es war doch eine Beruhigung


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