Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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Junker.

      Klaus Poelke zuckte die Schultern und sagte: Wie Ihr wollt. Ich mag mich von meiner Muhme nicht umsonst bitten lassen. Gebt mir morgen genaue Weisung, wo ich mit dem Boote halten und Euch erwarten soll. Ich will indessen die Ritzen neu mit Werg ausklopfen und Teer darüber streichen, damit wir nicht so oft das Wasser auszuschöpfen nötig haben. Auch will ich aus ein paar Brettern ein Schwert zimmern, das wir beim Segeln seitwärts anbringen können, um den Druck des Windes zu mindern. Sorgt für ausreichende Lebensmittel, denn unterwegs gibt's wenig zu kaufen, und nehmt Euch warme Kleider mit: unsere Sommernächte sind oft kalt, und Ihr werdet unter den Weiden am Ufer übernachten müssen. Glaubt mir, Herr, es ist nichts für Euch und das Fräulein.

      Haltet nur reinen Mund, bat der Junker.

      Darauf verlaßt Euch, versicherte Klaus Poelke. Reden ist überhaupt nicht meine Sache, außer wenn ich muß. Was geht es mich auch an?

      Als sie sich wandten, nach dem Hause zurückzugehen, trat jemand hinter den Zaun, der eine Strecke am Mühlgraben hinlief. Sie achteten nicht darauf.

      Maria blieb fest, und so brachte Heinz denn Klaus Poelke die versprochene Anweisung. Er sollte mit seinem Boote nachts elf Uhr in der Nähe des Koggentors zwischen den Schiffen warten und sich bereithalten, auf einen Pfiff an die Treppe heranzurudern, die dort vom Bollwerk zum Wasser hinabführte. Die Lebensmittel und Decken sollte er schon vorher von Frau Barbe am Fischmarkt in Empfang nehmen. Wer war der mit dem breiten Filzhut, fragte Klaus, der Euch vorhin nachging? Ich sah es von meinem Fenster aus. – Ich habe niemand bemerkt, entgegnete der Junker; jedenfalls gehört er nicht zu mir.

      Der Abend kam und die Nacht. Der Himmel war bewölkt; es schien nicht Mond, nicht Stern. Ein leichter Wind bewegte die Luft und spielte mit den Wetterfahnen auf den hohen Giebeln. Es war so still auf den Straßen, daß man ihr Knarren hörte. Heinz saß, den Mantel über dem Arm, auf der untersten Treppenstufe vor Huxers Hause und wartete auf Maria. Mitunter war's ihm, als ob er ein Seufzen oder ein leises Weinen vernähme, aber der Wind konnte seinen aufgeregten Sinnen etwas vorgaukeln. Endlich öffnete sich leise die Haustür. Eine Stimme flüsterte: Gott mit dir! Einen Augenblick später hing Maria an seinem Arme.

      Sie zitterte merklich, und er wagte nicht, ihr Mut zuzusprechen. Aber er faßte ihre kleine Hand und drückte sie zärtlich. Schweigend schritten sie rasch an den Häusern hin, um von den Wächtern nicht bemerkt zu werden. Die Pforte im Koggentor fanden sie offen. Glücklich gelangten sie aufs Bollwerk und hinab an den Fluß. Hier konnten sie sich schon in Sicherheit glauben, denn das Pfahlwerk deckte sie. Klaus paßte so gut auf, daß er nicht einmal des Zeichens bedurfte. Er hielt das Boot am Pfahl fest, während Heinz hineinsprang und Maria die Hand reichte. Sie trat unsicher auf und wäre ausgeglitten, wenn er sie nicht umfaßt und neben sich auf das Brett gezogen hätte. Er hielt sie fest umarmt, lehnte ihren Kopf gegen seine Brust und sagte: Nun bist du mein, Liebste.

      Klaus stand hinten in der Spitze und ruderte mit großer Geschicklichkeit stehend zwischen den Schiffen hindurch.

      Sie kamen glücklich am Fischmarkt und an dem Wasserturme vorbei, auf welchem die Mauer zwischen der Rechten Stadt und der Altstadt auslief. Hier war der Baum zu passieren. Die dazugehörigen Balken waren durch kurze Ketten verbunden und durch längere an beiden Seiten des Ufers befestigt. Es gelang an einer Verbindungsstelle, das flache Boot auf die Kette zu schieben. Nun tretet mit dem Fuße rechts auf den Balken, Junker, kommandierte Klaus, und drückt ihn hinunter. Ich will's links ebenso machen. Gut so! Es muß nichts schaden, daß das Wasser durch den Stiefel zieht. Nun helft mir mit einem tüchtigen Ruck das Boot hinausschieben. Wir sind flott!

      Die Balken schnellten hinter ihnen aus dem Wasser auf; sie hatten die Stadt, bald auch das Schloß im Rücken und atmeten freier auf. Klaus ruderte kräftig zu bis zum Ausfluß der Mottlau in die Weichsel. Von der See her wehte ein frischer Wind landeinwärts. Nun das Segel auf! rief Klaus Poelke. Richtet die Stange! Ich kann an dem Fräulein nicht vorbei. Es geschah nach seiner Weisung. Der Wind legte sich in das Segel und trieb das kleine Fahrzeug flott genug stromauf. Maria sprach kein Wort. Sie zitterte vor Frost oder innerer Erregung. Heinz warf ihr eine warme Decke um und hüllte sie fest darin ein.

      So ging's einige Stunden fort. Es mochte gegen zwei Uhr morgens geworden sein, denn an dem nordöstlichen Horizont wurde es schon hell, und die Gegenstände an den Ufern ließen sich erkennen. Die Holzstöße, die dort langgestreckt lagen, waren so früh noch nicht in Bewegung gesetzt. Auch ein paar tief geladene Weichselschiffe schienen den Aufgang der Sonne erwarten zu wollen. Auf dem Flusse selbst war kein Leben; hinauf und hinab konnte man ihn bis in die graue Morgendämmerung hinein überschauen. Schon näherte man sich der Stelle, wo die Danziger und Elbinger Weichsel sich trennten.

      Da wurde Klaus auf ein kleines Segel aufmerksam, das hinter ihnen aus dem Nebel auftauchte. Er wies mit der Hand darauf. Das scheint von Danzig zu kommen und ist schneller als wir.

      Weshalb glaubt Ihr …

      Wir sind keinem Boote begegnet, und die Weichselschiffe, die im Flusse lagen, gehen stromab; zu denen kann's nicht gehören. Ein Fischerkahn ist's auch nicht. Was so einer mit dem Segel leisten kann, kann ich allemal. Das Ding fliegt über das Wasser – seht nur! Donnerwetter! Hat aber auch Segel aufgesteckt … Das darf nur ein gutes Kielboot wagen. Ich wette darauf, es ist eins! Ja, mit so viel Leinwand – da ist's wahrhaftig kein Kunststück!

      Ihr meint, das Boot gehört zu einem Seeschiffe?

      Unzweifelhaft, Junker.

      Dann kann's nur aus Danzig kommen.

      Scheint mir auch so.

      Glaubt Ihr, daß man uns verfolgt?

      Es kann wohl sein. Denn was wollen die sonst um diese Zeit auf dem Flusse, und weshalb beeilen sie sich so?

      Es ist möglich, daß der Komtur nach Dirschau schickt und wegen des guten Windes den Wasserweg wählt.

      Möglich wär's schon, Junker, aber … Seht nur, sie halten scharf auf uns.

      Gebt einmal unserm Boot eine andere Richtung, wollen sehen, wie sie sich dazu verhalten.

      Klaus legte das Segel um, als ob er aufs Land wollte. Da! Sie ändern ihre Fahrt, um uns abzuschneiden!

      Wahrhaftig! Nochmals herum!

      Dieselbe Wirkung.

      Sie haben's auf uns abgesehen, sagte Heinz, kein Zweifel mehr. Nehmt das Ruder zu Hilfe.

      Das kann nichts nützen, Herr; in einer Viertelstunde ist mein Arm matt, und so lange dauert's nicht einmal, bis sie –

      O Gott! seufzte Maria und schloß sich näher an Heinz.

      Entkommen wir ihnen auf dem Wasser nicht, meinte derselbe, so ist's rätlicher, ans Land zu setzen und über den Damm hin die Flucht zu versuchen.

      Rechts oder links, Junker?

      Rechts! Was sollen wir auf der schmalen Nehrung zwischen Fluß und See?

      Aber da schützt der Wald.

      Nein, rechts. Es wird sich ein Versteck finden lassen.

      Wie Ihr wollt. Er hielt scharf auf das Ufer, kam aber in die Strömung und konnte nur mühsam vorwärts. Sie sind uns auf den Hacken. Und jetzt legen sie die Riemen ein – das fördert besser als mit meiner Schaufel. Helft mit dem Schwert nach, Junker, sonst nehmen sie uns doch.

      Heinz strengte alle Kraft an, das schwere Holz zu regieren; die Strömung faßte es immer wieder und zog es ihm unter den Händen fort. Die Verfolger hielten schräge gegen das Land. Schon wurde eine Stimme vernehmlich: Legt bei, ihr Buben – ergebt euch!

      Mein Vater, flüsterte Maria mit bebenden Lippen. Sie klammerte sich fest an den Junker, der nun die Arme nicht frei bewegen konnte. Das schwere Holz entschlüpfte ihm und trieb mit dem Strome zurück. Klaus konnte nicht zugleich das Segel und das Ruder regieren; das Boot verlor die Richtung und drehte sich ab, die Leinwand flatterte. Daraus entstand ein Aufenthalt, den die Verfolger sofort ausnutzten. Nahe am Lande schon kreuzten sie von hinten her das Fischerboot, warfen einen Enterhaken über dessen Bord und zogen es eine Strecke mit sich. Bald lagen die beiden Fahrzeuge,


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