Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон
rel="nofollow" href="#ulink_b44537a2-9759-539f-b262-3a80192b863d">184! wie groß bei Atilius Calatinus 185, auf den man jene bekannte Grabschrift gemacht hat: »Daß dieser Eine der erste Mann des Volkes war, darin stimmen alle Volksstämme überein.« Diese auf sein Grabdenkmal eingehauene Inschrift ist bekannt. Mit Recht gilt also der Mann für ehrwürdig, da über seine Vorzüge bei Allen nur Eine Stimme herrschte. Welchen Mann sahen wir an Publius Crassus 186, der jüngst Hoher Priester war, welchen an Marcus Lepidus 187, der späterhin dasselbe Priesteramt bekleidete! Was soll ich von Paullus oder Africanus 188 sagen? oder, wie schon vorher, von Maximus 189? Nicht allein in ihrem Urtheile, nein, auch in ihrem Winke thronte das Ansehen. Das Greisenalter hat, zumal, wenn es mit Ehrenämtern bekleidet ist, ein Ansehen, das von höherem Werthe ist als alle Sinnengenüsse der Jugend.
XVIII.
62. Aber bedenkt, daß ich in meinem ganzen Vortrage nur dasjenige Greisenalter lobe, welches auf die Grundlage des Jünglingsalters gebaut ist. Hieraus folgt das, was ich einmal mit allgemeinem Beifalle sagte: »Traurig sei das Greisenalter, das sich durch eine Rede vertheidigen müsse.« Nicht graue Haare, nicht Runzeln können plötzlich das Ansehen an sich reißen, sondern das frühere ehrenhaft geführte Leben ärntet als seine letzten Früchte das Ansehen ein. 63. Denn selbst die Dinge sind ehrenvoll, die für geringfügig und gewöhnlich gelten: daß man uns grüßt, uns aufsucht, uns ausweicht, vor uns aufsteht, uns von und nach Hause begleitet, uns um Rath fragt: Gebräuche, die man sowol bei uns als auch in anderen Staaten um so sorgfältiger beobachtet, je gesitteter sie sind. Der Lacedämonier Lysander, dessen ich eben 190 gedachte, soll öfters gesagt haben, Lacedämon sei der ehrenvollste Wohnsitz des Greisenalters. Denn nirgends erweist man dem Alter so viel Achtung, nirgends ist das Greisenalter geehrter. Sogar die Geschichte liefert uns einen Beweis dafür. Als in Athen zur Zeit der öffentlichen Spiele ein bejahrter Mann in das Schauspielhaus kam, wo eine große Menschenmenge beisammen saß; so wurde ihm von seinen Mitbürgern nirgends ein Platz eingeräumt. Als er sich aber den Lacedämoniern näherte, die als Gesandte auf einem bestimmten Platze saßen; so standen sie alle auf und räumten dem Greise einen Sitz ein. 64. Da wurde von der ganzen Versammlung ein vielfaches Beifallklatschen erhoben, und Einer in der Versammlung äußerte, die Athener wüßten wohl, was recht sei, aber sie wollten es nicht thun.
Unser Augurenrath 191 besitzt viele herrliche Einrichtungen, aber ganz besonders ragt die hervor, um die es sich jetzt handelt, daß nämlich, sowie Einer an Alter vorgeht, er das Recht hat seine Stimme vor den Anderen abzugeben, und daß ältere Auguren nicht allein vor denen, die ein höheres Ehrenamt verwalten, sondern auch vor denen, die mit dem Oberbefehl 192 bekleidet sind, den Vorrang haben. Sind nun wol sinnliche Vergnügungen mit den Auszeichnungen des Ansehens zu vergleichen? Wer diese auf glänzende Weise genossen hat, der scheint mir das Stück seines Lebens ausgespielt zu haben, ohne, wie ungeübte Schauspieler, im letzten Aufzuge durchgefallen zu sein.
65. » Aber die Greise sind mürrisch, ängstlich, zornsüchtig, grämlich.« Ganz recht, und wenn wir weiter forschen, auch geizig. Aber das sind Fehler der Gemüthsart, nicht des Greisenalters. Indeß lassen das mürrische Wesen und die eben angeführten Fehler einige Entschuldigung zu, allerdings keine wohlbegründete, doch eine solche, welche annehmbar zu sein scheint: sie meinen nämlich, man verachte, verschmähe, verspotte sie; außerdem ist bei einem gebrechlichen Körper jede Beleidigung widerwärtig. Doch alle diese Fehler werden durch gute Sitten und wissenschaftliche Bildung gemildert, wie man es sowol im Leben sehen kann, als auch auf der Bühne an den Brüdern, die in den Adelphen 193 vorkommen. Wie groß ist bei dem Einen die Härte, bei dem Anderen die Freundlichkeit! So verhält sich die Sache. Wie nicht jeder Wein, so wird auch nicht jede Gemüthsart durch die Länge der Zeit sauer. Strengen Ernst billige ich am Greisenalter; doch er muß, wie Anderes, gemäßigt sein; Bitterkeit auf keine Weise. 66. Was aber der Geiz im Greisenalter bedeuten soll, sehe ich nicht ein. Kann es denn wol etwas Ungereimteres geben als, je weniger Weg noch übrig ist, desto mehr Reisegeld zu suchen?
XIX.
Es ist noch der vierte 194 Grund übrig, der unser Alter am Meisten zu ängstigen und zu bekümmern scheint, die Annäherung des Todes, der sicherlich vom Greisenalter nicht weit entfernt sein kann. O wie bedauernswerth ist ein Greis, der während eines so langen Lebens nicht eingesehen hat, daß der Tod zu verachten ist! Denn entweder ist er gänzlich außer Acht zu lassen, wenn er den Geist ganz auslöscht, oder er ist sogar zu wünschen, wenn er ihn irgendwohin führt, wo er ewig sein wird. Nun kann aber ein Drittes sicherlich nicht gefunden werden. 67. Warum soll ich nun fürchten, wenn es meine Bestimmung ist nach dem Tode entweder nicht elend oder sogar glückselig zu sein? Und doch, wer ist so thöricht, daß er, so jung er auch sein mag, es für ausgemacht halten sollte, er werde bis zum Abende leben? Ja, dieses Alter hat sogar ungleich mehr Todesgefahren als das unserige. Junge Leute fallen leichter in Krankheiten, liegen schwerer darnieder, werden schwieriger geheilt. Daher gelangen nur Wenige zum Greisenalter, und wäre dieß nicht der Fall 195, so würde man besser und vorsichtiger leben. Denn Verstand, Vernunft und Klugheit finden sich bei den Greisen, und wären nie solche gewesen, so würde es gar keine Staaten 196 geben.
Doch ich kehre zu dem bevorstehenden Tode zurück. Was ist das für ein Vorwurf für das Greisenalter, da ihr seht, daß es dieses mit dem Jünglingsalter gemein hat? 68. Ich empfand bei meinem vortrefflichen Sohne 197, du bei deinen zur höchsten Würde berechtigten Brüdern 198, mein Scipio, daß der Tod jedem Alter gemein ist.
» Aber der Jüngling hofft, er werde lange leben, was der Greis auf gleiche Weise nicht hoffen kann.« Unweise hofft er es. Denn was ist thörichter als Ungewisses für Gewisses zu halten, Falsches für Wahres?
» Aber der Greis hat nicht einmal Etwas zu hoffen.« Nun, um so besser ist er daran als der Jüngling, weil er das, was dieser noch hofft, schon erlangt hat. Dieser will lange leben, jener hat lange gelebt. 69. Doch, o gute Götter, was heißt im menschlichen Leben lange? Setze das äußerste Lebensziel, laß uns das Alter des Königs von Tartessus 199 erwarten. Es lebte nämlich, wie ich geschrieben finde, ein gewisser Arganthonius zu Gades, der achtzig Jahre herrschte und hundertundzwanzig lebte. Aber mir scheint nicht einmal Etwas lang, was ein Ende hat; denn wenn dieses gekommen ist, dann ist das, was vergangen ist, verflossen; nur so viel bleibt zurück, als man sich durch Tugend und edle Handlungen erworben hat. Stunden entweichen und Tage und Monate und Jahre, und nie kehrt die vergangene Zeit zurück, noch kann man wissen, was folgt. Soviel Zeit Jedem zum Leben verliehen ist, damit soll er zufrieden sein. 70. Denn sowie