Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans

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Welche Hoffnungen setzte man auf die Gründung des europäischen Zollverbandes, der alle Industrien Europas zu einem einzigen mächtigen Block verschmelzen sollte! Was erwartete man alles von einem europäischen Staatenbund!

      Und jetzt…? Seit fünf Jahren ist Spanien in maurischer Hand. Seit beinahe fünf Jahren sitzen die Diplomaten Europas und Mauretaniens in Rom zusammen. Sitzen und verhandeln… doch nur, um eine Phrase, eine Formel zu finden, die den bestehenden Zustand sanktioniert, ohne der Ehre Europas allzuviel zu vergeben.

      Das Schicksal bot uns eine Chance. Die Erfindung Montgomerys umfaßt auch die Mittel, Spanien von mauretanischem Joch zu erlösen. Anstatt alle Kräfte Europas heranzuziehen, anstatt mit allen nur erdenklichen Mitteln das Geheimnis des Toten schnellstens zu lösen, verschließen wir seinen Apparat hinter Panzermauern. Wachen eifersüchtig darüber, daß nur ja niemand ihn sieht, der ihn vielleicht in Betrieb setzen könnte…

      Und darüber verstreichen Wochen und Monate… und die Welt lacht über das schwache Europa.«

      Jolanthe von Karsküll war den temperamentvollen Ausführungen der Freundin schweigend gefolgt. Nur ein leichtes Nicken des blonden Hauptes drückte bisweilen ihre Zustimmung aus. Jetzt sprach sie.

      »Sie haben recht, Lady Ellen. Nur allzu recht. Europa, das alte morsche Europa spielt dem afrikanischen Kalifenreich gegenüber keine gute Rolle. Bisweilen überkommen mich Zweifel an seiner Zukunft. Dann muß ich mich fragen, ob seine Rolle als führender Weltteil nach einer dreitausendjährigen Geschichte nicht vielleicht ihrem Ende entgegengeht, ob nicht andere, jüngere, kräftigere Reiche an seine Stelle treten sollen.«

      Lady Ellen fuhr auf.

      »Nein, Jolanthe, nein und nochmals nein. Noch liegt die Führung der Welt bei den Europäern. Als eine Gabe des Schicksals betrachte ich diese Erfindung des Toten. Aber wehe uns, wenn wir die Gabe nicht zu nutzen wissen.«

      Lord Permbroke näherte sich seiner Gattin.

      »Es wird spät, Ellen. Wir müssen gehen. Diese Fragen, die dich… die uns alle bewegen, werden wir heute abend nicht mehr beantworten können.«

      Er wandte sich an Jolanthe. »Gnädigste, wir treffen uns am kommenden Mittwoch morgen auf dem Flugplatz in Wembley.«

      Die letzten der Gesellschaft waren gegangen. Jolanthe von Karsküll stand am Fenster und beobachtete die Abfahrt ihrer Gäste. Sie sah den Kraftwagen mit Lord und Lady Permbroke fortfahren. Ihre Blicke folgten, bis das Gefährt entschwand. Dann trat sie in den Raum zurück. Ein tiefer Atemzug… wie eine Befreiung.

      »Der erste Schritt!«

      Ein rasender Nordoststurm jagte über die niedersächsische Heide, riß an den Zweigen der Bäume und rüttelte an den Mauern und Dächern der zerstreuten Gehöfte. In tiefem Dunkel das alte Heidedorf, nur in dem einsamen Haus dort neben dem Erlenkamp noch Licht. Weithin fiel sein warmer Schein durch die klappernden Läden in die Dunkelheit.

      Ein Wanderer, der dem Dorfe zuschritt, warf einen scheuen Blick dorthin, schien froh, als er daran vorbei war. In Verruf war das Haus gekommen, seit der darin hauste. Ein blühender Hof einst, der Ellernhof, ein reiches Anwesen mit weiten Feldern und Wiesen. Bis auf die Frankenzeit führten die Eisenecker vom Ellernhof ihren Ursprung zurück. Als Meier des Großen Karl sollten sie einst hierher in die Heide gekommen sein. Viele Jahrhunderte hindurch hatte das Geschlecht auf dem Ellernhof geblüht, hatte Kriegsstürme und schlimme Zeiten glücklich überstanden.

      Doch als der vorletzte Besitzer starb, weilte sein Sohn in der Ferne, in Ländern, die man hier in der Heide kaum dem Namen nach kannte. Fremde Hände verwalteten den Hof… verwalteten ihn schlecht, bis eines Tages der Sohn zurückkam. Aber auch dann wurde es nicht besser. Der Letzte aus dem Geschlechte der Eisenecker war kein Heidebauer mehr. Ein geheimnisvolles… unheimliches Werk schien der da zu betreiben. Ein Werk, bei dem der Ellernhof zugrundeging. Einen Acker nach dem anderen, eine Wiese nach der anderen verkaufte er, bis ihm schließlich nur noch der Hof blieb. Leer die Ställe, verrottet das Inventar, verfallen das Haus. Unheimlich das Ganze. Jahre waren darüber verstrichen.

      An einem mit Retorten bedeckten Tisch saß in dem einzigen erleuchteten Raum ein Mann. Die hohe Gestalt weit vorgebeugt über einen rohgearbeiteten hölzernen Kasten, zu dem zahlreiche Drähte führten. Ein ungepflegter Bart wucherte um das Kinn des Einsamen. Seit vielen Monaten schien keine Schere an sein Haupthaar gekommen zu sein. Mit zitternden Händen löste er die Schrauben des Deckelverschlusses. Weit geöffnet strahlten seine Augen in übernatürlichem Glanz, starrten auf den Kasten, harrten, was der geöffnete Kasten enthüllen würde. Jetzt schoben seine Finger den Deckel zurück. Frei lag der Inhalt vor seinen Blicken, und ein Schrei entfuhr seinen Lippen. Die hagere, hohe Gestalt taumelte empor, wankte zurück.

      »Gold! Gold!« Er schrie es. Noch einmal mit einem Sprung war er wieder am Tisch, griff nach dem gleißenden Stück, hob es empor und sah, wie die Strahlen der Lampe sich darin in gelbem Schimmer brachen und spiegelten. Und dann, als ob die Last des Goldes ihn erdrückte, stürzte er zusammen, den schimmernden Klumpen krampfhaft an die Brust gepreßt.

      So lag er, bis das Licht der Morgensonne in den Raum drang, bis die Sonnenstrahlen, glänzend und schimmernd von dem Metall zurückgeworfen, ihn zwangen, die Augen zu öffnen. Schwerfällig richtete er sich empor. Sah den Metallklumpen. Wollte ihn mit einer gleichgültigen Fußbewegung zur Seite stoßen. Der rückte nicht. Er beugte sich, hob den schweren Brocken auf und warf ihn in eine Ecke zu allerhand zerbrochenem Gerät und Gerümpel. Schritt dann zum Arbeitstisch. Seine Hände umfaßten den schmucklosen Kasten, hoben ihn hoch, drückten ihn an sich mit einer Inbrunst, die unbegreiflich.

      Wiegend, als hätte er das köstlichste Kleinod im Arm, trug er ihn durch den Raum.

      Triumph jeder Schritt, jeder Blick, jede Geste!

      So ging er in den Nebenraum. Hier standen noch die Speisen vom gestrigen Abend. Heißhungrig stürzte er sich darauf. Erst jetzt kam es ihm zum Bewußtsein, daß er seit vielen Stunden keinen Bissen genossen hatte. Gierig aß er das schlecht zubereitete Mahl. Dann sprang er auf. Vor einem gesprungenen, erblindeten Spiegel betrachtete er sich selbst. Schäbig… verwildert… abgemagert!

      Er lachte auf: »Ohne Kunst aufs beste verkleidet!«

      Aus einem Album zog er eine Fotografie, hielt sie gegen das Licht, betrachtete die Züge, die sie darstellte.

      Wie alt war das Bild?… Vier Jahre… wie hatten die vier Jahre ihn verändert… vier Jahre, in denen er Tag und Nacht nur auf ein einziges Ziel hingearbeitet.

      Gold?… Das Gold dort in der Ecke?…

      Nein! Einem höheren… einem unendlich viel höheren Ziel strebte er nach. Einem Ziele, welches das Gold wertlos machen, der Menschheit anderen, viel reicheren Segen bringen mußte. Einem Ziele, das ihm wie eine reife Frucht in den Schoß fallen mußte, nachdem das Gold nun da war.

      Ein Zeitungsblatt lag neben der kärglichen Mahlzeit auf dem rohen Eichentisch. Der Anzeiger der nächsten Kreisstadt.

      Seine Augen überflogen die Zeilen. Nachrichten aus London… Elias Montgomery gestorben. Alle Versuche der englischen Gelehrten, den hinterlassenen Apparat in Betrieb zu setzen, bisher ergebnislos… wahrscheinlich für immer hoffnungslos.

      Seine Augen hingen an den Worten. Immer wieder überflog er die wenigen Zeilen. Dann lachte er laut.

      War’s möglich? Montgomerys Erbe, keiner, der es zu heben vermag! Er drehte das Blatt um, sah nach dem Datum. Es war schon über eine Woche alt.

      Die Welt! Europa! Was hatten die dazu gesagt… die Riggers-Werke… Harder, der Generaldirektor der Werke. Er?…

      In heftiger Erregung durchmaß er das Zimmer.

      Montgomery! Elias Montgomery! Der Mann, der das Problem der Atomenergie gelöst. Der die Energie beherrschte… und sie der Welt verbarg… vorenthielt.

      Weil der nicht die Kraft besaß, die Aufgabe zu lösen… die schwerere… die größere, das Errungene der Welt zu geben, ohne die Wirtschaft aus den Fugen zu reißen… Statt des Paradieses ein Chaos zu stiften.

      Das


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