Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans

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Ihre Regierung darauf bestehen sollte, die einstimmigen Beschlüsse eines freien und mündigen Volkes zu mißachten. Australien kann nicht ausgehungert werden. Es hat einen bedeutenden Überschuß an Fleisch und Brot. Es hat in seiner Bevölkerung fünf Millionen wehrhafter Männer …«

      »Ich hoffe nicht, daß das Land der Welt das traurige Schauspiel einer abtrünnigen Kolonie bieten wird.«

      Der Engländer sagte es, um etwas zu sagen. Er war seiner Sache nicht mehr so sicher wie im Anfang.

      Mr. Applebee fuhr fort: »Ein solches Schauspiel mag für England traurig sein. Die Sympathien der Welt sind fast immer bei den Kolonien gewesen, welche die Freiheit für sich in Anspruch nahmen und …«

      Mr. Applebee schwieg. Auch der englische Gesandte blieb still. Der Name des Diktators Cyrus Stonard stand unausgesprochen zwischen ihnen. Der Australier fühlte sich der amerikanischen Unterstützung sicher. Der Engländer hatte die Überzeugung, daß die amerikanische Wehrmacht in dem Augenblick losschlagen würde, in dem ein englischer Soldat oder ein englisches Schiff die Freiheit des fünften Kontinents antasteten.

      »Ich hoffe, daß es der Umsicht der englischen Regierung gelingen wird, die Lage zu entspannen.«

      Das waren die Abschiedsworte, mit denen der australische Premier den Gesandten entließ.

      Mr. Applebee kehrte in sein Kabinett zurück. Ein Klerk meldete ihm, daß Mr. Jones ihn zu sprechen wünsche. Mr. J. F. C. Jones, der Sondergesandte des Präsident-Diktators. Allright, der sollte die frohe Botschaft aus erster Quelle vernehmen. Der Australier hielt ihm die Liste mit dem Abstimmungsergebnis entgegen.

      »Die Sache ist in Ordnung, Sir! Einstimmiger Beschluß von Oberhaus und Unterhaus. Der erste Fall in der Geschichte Australiens, daß ein Beschluß in beiden Häusern mit allen Stimmen angenommen wird.«

      Mr. Jones trocknete sich die hohe Stirn mit einem seidenen Taschentuch.

      »Ich sehe leider, daß ich zu spät gekommen bin. Ich wollte Sie bitten, die Abstimmung um vierzehn Tage zu verschieben.«

      Mr. Applebee sank sprachlos auf seinen Stuhl.

      »Ich verstehe nicht. Ich denke, das amerikanische Volk ersehnt die Vereinigung ebensosehr wie wir?«

      »Es ersehnt sie. Nur ein Aufschub von vierzehn Tagen. Aus Gründen der äußeren Politik der amerikanischen Union.«

      Mr. Applebee machte eine hilflose Bewegung.

      »Wenn ich auch nur mit der Andeutung eines solchen Wunsches vor das Parlament trete, bin ich in zwei Minuten später nicht mehr Minister.«

      Der Amerikaner betrachtete seine Stiefelspitzen.

      »Ich werde mich umgehend mit Washington in Verbindung setzen, den Tatbestand mitteilen, um neue Instruktionen bitten. Die Sache liegt klar. Der Parlamentsbeschluß ist in der ganzen Stadt, jetzt vielleicht schon in allen Großstädten des Kontinents bekannt. Das Volk auf der Straße ist in einem Freudenrausch. Wir können nicht daran denken, diese Stimmung zu stören. Aber … Sie sind das ausführende Organ für die Beschlüsse. Wenden Sie Ihre ganze Kunst auf, um England hinzuhalten. Beachten Sie wohl, die Sache soll durchaus so vor sich gehen, wie sie verabredet wurde. Sie ist nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Bei dieser Sachlage wird es Ihnen möglich sein, einen Konflikt um vierzehn Tage hinauszuschieben … Ich hoffe, es wird Ihrer Kunst gelingen.«

      Mr. Applebee versprach, sein möglichstes zu tun. Während von draußen her der Jubel der enthusiasmierten Menge dumpf in den Raum drang, empfahl sich der Amerikaner mit kräftigem Händedruck.

      Unter den Passagieren des Flugschiffes Stockholm–Köln befand sich Dr. Glossin. Während seine Mannschaft nach dem Abenteuer in Linnais im eigenen Schiff nach den Staaten zurückkehrte, fuhr er nach Deutschland.

      Das Flugschiff war ein gutes, ziemlich schnelles Fahrzeug der mitteleuropäischen Verkehrsgesellschaft. Für zweihundert Passagiere eingerichtet, legte es bei einer Stundengeschwindigkeit von etwas über vierhundert Kilometer die Strecke Stockholm–Köln in rund vier Stunden zurück. Dr. Glossin war um acht Uhr morgens von Stockholm fortgeflogen. Fahrplanmäßig mußte das Schiff den Kölner Flughafen zwölf Uhr mittags erreichen. Jetzt stand er zwischen Malmö und Kiel über der Ostsee.

      Der Doktor hatte es sich in einer Fensterecke bequem gemacht und zog bei sich die Bilanz des Geschehenen.

      Die Sachen waren nicht schlecht gegangen. Erik Truwor und die Seinen waren vernichtet. Es war bereits schwarz auf weiß gedruckt zu lesen. Haparandas Dagblad hatte in der Morgenausgabe einen kurzen Bericht über das Unglück von Linnais. Eine rätselhafte Brand- und Explosionskatastrophe, die mehrere schwedische Bürger das Leben gekostet haben sollte. Er hatte einige Exemplare der Zeitung gekauft, bevor er von Haparanda die Reise nach dem Süden antrat.

      Dr. Glossin konnte zufrieden sein. Der heikle Auftrag des Präsident-Diktators war erledigt. Die drei Menschen, die er wirklich fürchtete, waren tot. So, wie er es geplant hatte, war es geschehen. Die Engländer hatten ihm die gefährliche Arbeit besorgt. Daß die bei der Gelegenheit etwas angesengt worden waren, störte ihn wenig. Wenn er an den eingebildeten Trotter dachte, der schließlich seine Brandblasen im Tornea kühlen mußte, empfand er ein gewisses Vergnügen.

      Erik Truwor war tot. Der Mann, der im Begriffe stand, eine Macht zu gewinnen, an der Weltreiche zerschellen konnten. Der greuliche Inder war verbrannt. Der braune Satan, der ihn, den starken Hypnotiseur, selbst in den Bann der Hypnose gezwungen hatte. Und Silvester Bursfeld war gestorben. Silvester, dessen späte Rache er fürchten mußte. Silvester, der ihm Jane entrissen hatte.

      Das Verhältnis des Arztes zu dem Mädchen war immer komplizierter geworden. Er brauchte sie als Medium von unübertrefflicher Leistung. Als ein Medium, mit dessen Hilfe er räumlich und zeitlich ins Weite blicken, die Pläne und Taten seiner Gegner rechtzeitig erkennen, entfernte Zusammenhänge aufzudecken vermochte. Das war es, was ihm in den letzten Wochen gefehlt hatte. Alle seine Mißerfolge schrieb er diesem Fehlen zu. Jane mußte wieder fest in seiner Hand sein.

      Sein Medium, sein Talisman und seine Liebe!

      Mit verzweifelter Kraft klammerte sich die vereinsamte Seele des alternden Mannes an den Gedanken, Jane ganz sein Eigen zu nennen. Er fühlte unbewußt, daß diese Liebe für ihn die Entsühnung bedeute. Er träumte von einem neuen Leben in Reynolds-Farm an Janes Seite. Jetzt fuhr er nach Düsseldorf, um sie für sich zurückzuerobern.

      Warum mußte auch Jane einen Brief an ihre Nachbarin in Trenton schreiben und sich erkundigen, ob das Grab ihrer Mutter gut gepflegt werde. Es lag auf der Hand, daß dieser Umstand dem um das Wohl seines Mündels so ängstlich besorgten Vormund von den Empfängern des Briefes nicht verheimlicht werden würde. So wußte Dr. Glossin, daß Jane im Hause Termölen in Düsseldorf lebte. Es war einfach, beinahe zu einfach gewesen, ihren Aufenthaltsort zu erfahren. Viel schwieriger würde es sein, mit ihr in Verbindung zu treten.

      Während das Schiff die westfälische Ebene überflog, versuchte der Arzt, sich einen Plan zu machen. Wann hatte er Jane das letztemal gesehen? Damals, als der Inder R. F. c. 2 wie Wachs schmelzen ließ; als Glossin um sein Leben laufen mußte. Das mußte eine Annäherung des Doktors unmöglich machen. Es kam noch dazu, daß Jane doch inzwischen mit Silvester zusammengewesen sein, von ihm erfahren haben mußte, welche Rolle Glossin bei seiner Gefangennehmung und Verurteilung gespielt hatte. Es schien bei solcher Sachlage ein unmögliches Unterfangen für den Arzt, Jane vor die Augen zu treten.

      Aber schwierige Aufgaben reizten ihn. Er kannte seine eigene hypnotische Macht über Jane. Gelang es ihm, sich ihr zu nähern, seinen Einfluß wirken zu lassen, so mußte es ihm glücken, sie wieder ganz in seinen Bann zu zwingen, alle störenden Erinnerungen wegzusuggerieren. Nur der erste Angriff mußte geschickt ausgeführt werden. Die ersten dreißig Sekunden entschieden alles.

      Ruhig und mit voller Nervenkraft an das Werk gehen, darauf kam es an. Er nahm einige der winzigen Pillen, die ihm eine genau auf die Minute dosierte Nervenentspannung verschafften, und streckte sich in den Sessel zurück. So saß er regungslos, bis das Schiff in Köln landete. Eine knappe halbe Stunde später schritt er durch die Straßen Düsseldorfs auf das


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