Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans

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das Fluidum wirken lassen, sie beeinflussen, sie in seinen Bann zwingen. Er war so einfach, daß er wohl gelingen mußte. Wenn nicht … es gab wohl ein »Wenn«, aber Dr. Glossin hatte es gar nicht in den Bereich der Möglichkeit gezogen.

      Er schlenderte die Straße entlang, und der Zufall begünstigte ihn.

      Jane trat aus dem Hause und ging in der Richtung nach dem Rattinger Tor hin. Dr. Glossin verschlang ihre Gestalt mit den Blicken. Sie hatte sich ein wenig verändert, seitdem er sie zuletzt sah. Die beängstigend ätherische Zartheit ihres Teints war einer gesünderen Farbe gewichen. Ihre Figur war voller und kräftiger geworden.

      Sie ging die Straße entlang, blieb hier und dort vor einem Schaufenster stehen und musterte die Auslagen. Mit der Gewandtheit eines Jägers pirschte sich der Doktor an sie heran. Unbeachtet in ihre nächste Nähe kommen, den Einfluß wenige Sekunden wirken lassen, und das Spiel war gewonnen.

      Während Jane die Schmuckstücke im Schaufenster eines Juweliers betrachtete, kam er dicht an sie heran, stand unmittelbar hinter ihr und ließ seine ganze Energie spielen.

      Jane schien es zu merken. Unangenehm, wie eine fremde körperliche Berührung. Sie drehte sich um und sah ihm unbefangen in die Augen.

      Dr. Glossin erschrak. Das war das Mädchen nicht mehr, das sich in Trenton und Reynolds-Farm willenlos seinem Blick unterwarf. Er gab das Spiel verloren, erwartete im nächsten Moment eine Flut von Vorwürfen zu hören, sann auf schnellen Rückzug.

      Nichts dergleichen geschah.

      Jane begrüßte ihn wie einen alten Bekannten. Sie lud ihn ein, mit in das Haus zu kommen, und geleitete ihn dort in das Besuchszimmer. Hier erkundigte sie sich nach allen Bekannten in Trenton.

      Dr. Glossin beantwortete ihre Fragen ausführlich und versuchte, dieses eigentümliche Benehmen zu ergründen. Ganz vorsichtig ließ er den Namen Elkington fallen. Jane reagierte nicht darauf. Der Doktor wurde deutlicher. Er sprach von Elkington, wo er sie das letztemal gesehen habe. Jane blickte ihn verwundert an.

      »Elkington? … Elkington? … Ich bin nie in Elkington gewesen. Soweit ich mich erinnere, haben wir uns das letztemal in Trenton beim Begräbnis meiner Mutter gesehen.«

      »Aber meine liebe Miß Jane, können Sie sich auch nicht an Reynolds-Farm erinnern …«

      Jane schüttelte verneinend das Haupt. Dabei lachte sie vergnügt; lachte den Doktor geradezu aus, bis er seine Neugier nicht mehr meistern konnte.

      »Darf ich fragen, Miß Jane, welcher Umstand Ihre Heiterkeit erregt?«

      »Gewiß, Herr Doktor, ich amüsiere mich darüber, daß Sie mich noch immer als Miß anreden. Ich glaubte, mein Mann hätte Ihnen meine Vermählung längst mitgeteilt …«

      Dr. Glossin sah nicht sehr geistreich aus. Das Erstaunen war zu groß, die Neuigkeit war zu überraschend und kam zu plötzlich.

      Jane sah es und brach in ein helles Gelächter aus.

      »Sie wissen also nicht, daß ich verheiratet bin? Wissen natürlich auch nicht, wer mein Mann ist?«

      »Keine Ahnung, Mrs. … Mrs. …«

      »Mrs. Bursfeld, damit Sie meinen vollen Namen kennenlernen, Herr Doktor.«

      »Ich konnte es mir fast denken.«

      Dr. Glossin murmelte die Worte unhörbar vor sich hin. Mochte Jane immerhin geheiratet haben, so war sie heute doch schon wieder Witwe. Das sollte ihn nicht stören. Aber er mußte klar sehen, welche Veränderung mit ihr vorgegangen war.

      Ihre Erinnerung war lückenhaft. Sie wußte nichts mehr von Reynolds-Farm, wußte vielleicht überhaupt nicht mehr, daß es jemals einen Menschen namens Logg Sar gegeben hatte, obwohl sie heute Mrs. Bursfeld war. Todesurteil, Verrat, alle die Dinge, bei denen Glossin eine so schlimme Rolle spielte, waren ihrem Gedächtnis entschwunden. Es war dem Doktor klar, daß hier eine suggestive Beeinflussung vorlag. Man hatte Jane diese aufregenden Vorfälle vergessen lassen, um ihr hier ein ruhiges Leben der Erholung und Kräftigung zu ermöglichen. Die guten Wirkungen der Maßnahme zeigten sich auch unverkennbar an ihrem Aussehen.

      Aber noch etwas anderes mußte geschehen sein. Während Dr. Glossin mit Jane sprach, versuchte er die alten Künste. Ganze Ströme magnetischen Fluidums ließ er auf sie wirken, während er im Laufe des Gespräches ihre Hände ergriff. Mit aller Kraft suchte er sie wieder unter seinen Willen zu zwingen. Ein Weilchen ließ ihn Jane gewähren. Dann entzog sie ihm ihre Hände.

      »Nun ist es genug, Herr Doktor. Sie sehen mich an … so … was … wollen Sie?«

      Bei diesen Worten schaute sie ihm selbst so sicher und unbeeinflußt in die Augen, daß er seine Bemühungen aufgab.

      Ein mächtiger Wille hatte Jane gegen alle hypnotischen Beeinflussungen von anderer Seite verriegelt. Wohl konnte er ruhig mit Jane sprechen. Aber alle Annäherung konnte ihm nichts nutzen. Sie war gegen seinen Einfluß gefeit. Eine Verriegelung, die Atma gelegt hatte … Dr. Glossin zweifelte, ob es ihm je gelingen könnte, sie wieder aufzuheben. Ein einziges Mittel blieb, eine schwere seelische Erschütterung. Wenn sie stark genug war, wenn sie die Seele mit voller Macht traf, dann konnte sie den Riegel vielleicht zerbrechen.

      Dr. Glossin lehnte sich in seinen Stuhl zurück und holte aus seiner Brusttasche ein zusammengefaltetes Zeitungsblatt hervor.

      »Ich bitte Sie um Verzeihung, Mrs. Bursfeld, wenn meine Blicke länger als üblich an den Ihren hingen, meine Hände länger als gewöhnlich in den Ihren ruhten. Die überraschende Mitteilung Ihrer Vermählung bringt mich in eine eigenartige Lage, macht eine Nachricht, die sonst nur bedauerlich gewesen wäre, zu einer Trauerbotschaft.«

      Jane blickte ihn mit weitgeöffneten Augen an. Überraschung und Bestürzung malten sich auf ihren Zügen.

      »Eine schlimme Nachricht aus Linnais.«

      Dr. Glossin sagte es, während er Jane das Haparanda Dagblad mit der Nachricht vom Untergange des alten Hauses Truwor hinhielt.

      Jane warf einen Blick darauf.

      »Herr Doktor, ich verstehe kein Schwedisch. Sie müssen mir das übersetzen.«

      Dr. Glossin nahm das Blatt wieder an sich und begann Wort für Wort zu übersetzen. Die Nachricht vom Brande, von den Explosionen. Vom Untergange des ganzen alten Hauses in einer einzigen wabernden Lohe. Vom sicheren Tode aller Insassen.

      Während er Zeile für Zeile übersetzte, wurde Jane von Sekunde zu Sekunde blasser. Bei den letzten Worten sank sie mit einem leisen Schrei ohnmächtig von ihrem Stuhl auf den Teppich.

      »Jetzt oder nie … vielleicht ist der Riegel gebrochen.«

      Dr. Glossin beugte sich über die ohnmächtig Daliegende. Er strich ihr über die Stirn. Alles magnetische Fluidum, über das er verfügte, versuchte er in ihren Körper zu jagen. Sie wieder ganz unter seinen Willen und Einfluß zu zwingen.

      Er befahl ihr, sich zu erheben, und Jane führte den Befehl aus. Mit halbgeschlossenen Augen stand sie vor ihm.

      Auf einen Dritten hätte die Szene einen wunderbaren Eindruck gemacht … Kein Wort wurde gesprochen. Lautlos erteilte Dr. Glossin seine Befehle. Lautlos vollzog sie Jane, solange sie sie noch vollzog.

      Eine Richtung der Pupillen von Jane gefiel dem Doktor nicht. »Sehen Sie mich an. Sehen Sie mir genau in die Augen«, befahl er.

      Jane leistete dem Befehl keine Folge. Erst wanderte ihr Blick. Dann drehte sich ihr Haupt und dann der ganze Körper. Sie wandte dem Doktor halb den Rücken zu. Wäre Dr. Glossin über die Himmelsrichtungen in dem Zimmer orientiert gewesen, hätte er bemerkt, daß Jane genau nach Norden blickte.

      So stand sie. Minuten hindurch. Dr. Glossin bot seine ganze Kraft auf und hatte keinen Erfolg.

      Wenn der Riegel jemals gebrochen war, so war er in diesen Sekunden wieder zusammengeschweißt.

      Jetzt wandte sich Jane ruhig dem Doktor wieder zu. Sie zeigte eine heitere Miene. Jede Angst und Unruhe waren wie weggewischt. Sie nahm die


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