Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg
des Mehrwerts in Kapital ist fertig."37
Hier haben wir die erste Lösung, die Marx dem Akkumulationsproblem des Gesamtkapitals gibt. Ohne sich weiter im Band I des "Kapitals" mit dieser Seite der Frage näher zu befassen, kehrt Marx zu dem Problem erst am Schluß des zweiten Bandes seines Hauptwerks zurück: Das letzte, 21. Kapitel ist der Akkumulation und erweiterten Reproduktion des Gesamtkapitals gewidmet.
Sehen wir uns jetzt näher die schematische Darstellung der Akkumulation bei Marx an. Nach dem Beispiel des uns bereits bekannten Schemas der einfachen Reproduktion konstruiert Marx ein Schema der erweiterten Reproduktion. Ein Vergleich beider läßt ihren Unterschied am deutlichsten heraustreten.
Nehmen wir an, das jährliche Gesamtprodukt der Gesellschaft stelle eine Wertgröße von 9.000 dar (worunter Millionen Arbeitsstunden oder, kapitalistisch in Geld ausgedrückt, beliebiger Geldbetrag verstanden werden kann). Dieses Gesamtprodukt sei folgendermaßen verteilt:
I. 4.000 c + 1.000 v + 1.000 m = 6.000 | } Summa 9.000 |
II. 2.000 c + 500 v + 500 m = 3.000 |
Die erste Abteilung stellt Produktionsmittel, die zweite Lebensmittel dar. Ein Blick auf die Zahlenverhältnisse zeigt, daß hier nur einfache Reproduktion stattfinden kann. Die in der ersten Abteilung hergestellten Produktionsmittel gleichen der Summe der von den beiden Abteilungen tatsächlich verbrauchten Produktionsmittel, deren bloße Erneuerung auch nur die Wiederholung der Produktion in dem früheren Umfang gestattet. Andererseits gleicht das ganze Produkt der Lebensmittelabteilung der Summe der Löhne sowie der Mehrwerte in beiden Abteilungen; das zeigt, daß die vorhandenen Lebensmittel auch nur die Beschäftigung der früheren Anzahl von Arbeitskräften gestatten, daß zugleich aber auch der ganze Mehrwert in Lebensmitteln, d.h. in persönlichen Konsumtion der Kapitalistenklasse, draufgeht.
Nun nehmen wir aber dasselbe Gesamtprodukt von 9.000 in folgender Zusammensetzung:
I. 4.000 c + 1.000 v + 1.000 m = 6.000 | } Summa 9.000 |
II. 1.500 c + 750 v + 750 m = 3.000 |
Hier springt zweierlei Mißverhältnis in die Augen. Die angefertigte Menge von Produktionsmitteln (6.000) übersteigt in ihrem Wert die in der Gesellschaft tatsächlich verbrauchten (4.000 c + 1.500 c) um 500. Zugleich stellt die Menge der hergestellten Lebensmittel (3.000) im Vergleich mit der Summe der gezahlten Löhne, d.h. den Bedürfnissen der Arbeiter (1.000 v + 750 v), sowie der Summe des erzielten Mehrwerts (1000 m + 750 m) ein Defizit von 500 dar. Daraus folgt, daß - da die Verringerung der Anzahl der beschäftigten Arbeitet ausgeschlossen ist - die Konsumtion der Kapitalistenklasse geringer sein muß als der von ihr eingeheimste Mehrwert. Damit sind die beiden Vorbedingungen eingehalten, die zur erweiterten Reproduktion auf kapitalistischer Basis erforderlich sind: Ein Teil des angeeigneten Mehrwerts wird nicht verzehrt, sondern zu produktiven Zwecken verwendet, zugleich werden in vermehrter Menge Produktionsmittel hergestellt, damit der kapitalisierte Mehrwert auch tatsächlich zur Erweiterung der Produktion verwendet werden kann.
Haben wir bei dem Schema der einfachen Reproduktion gefunden, daß ihre gesellschaftlichen Grundbedingungen in dem folgenden exakten Verhältnis eingeschlossen sind: die Summe der hergestellten Produktionsmittel (Produkt der Abteilung I) muß in ihrem Wert dem konstanten Kapital beider Abteilungen gleich sein, die Summe der hergestellten Lebensmittel aber (Produkt der Abteilung II) der Summe der variablen Kapitale wie des Mehrwerts in beiden Abteilungen, so müssen wir für die erweiterte Reproduktion ein umgekehrtes exaktes Doppelverhältnis folgern. Die allgemeine Voraussetzung der erweiterten Reproduktion ist: Das Produkt der Abteilung I ist, dem Werte nach, größer als das konstante Kapital der beiden Abteilungen zusammen, das Produkt der Abteilung II ist, gleichfalls dem Werte nach, geringer als die Summe der variablen Kapitale und des Mehrwerts in beiden Abteilungen.
Damit haben wir jedoch die Analyse der erweiterten Reproduktion noch lange nicht erschöpft, wir stehen vielmehr kaum erst an ihrer Schwelle.
Die abgeleiteten Verhältnisse des Schemas müssen jetzt nämlich in ihrer weiteren Betätigung, im Fluß der Zirkulation und Fortgang der Reproduktion verfolgt werden. Ist die einfache Reproduktion einem und demselben immer von neuem durchlaufenen Kreise zu vergleichen, so gleicht die erweiterte Reproduktion nach dem Ausdruck Sismondis einer Spirale, die immer höher geht. Wir haben also zunächst die Windungen dieser Spirale näher zu untersuchen. Die erste allgemeine Frage ist dabei die: Wie vollzieht sich nun bei den uns jetzt bekannten Voraussetzungen die tatsächliche Akkumulation in beiden Abteilungen, so daß alle Kapitalisten einen Teil ihres Mehrwerts kapitalisieren und zugleich die notwendigen sachlichen Vorbedingungen der erweiterten Reproduktion vorfinden?
Marx erläutert die Frage an der Hand der folgenden schematischen Darstellung.
Nehmen wir an, daß die Hälfte des Mehrwerts von I akkumuliert wird. Die Kapitalisten verwenden also 500 zu ihrer Konsumtion, 500 aber schlagen sie zum Kapital. Dieses zuschüssige Kapital von 500 muß, wie wir nun wissen, um sich zu betätigen, in konstantes und variables verteilt werden. Nehmen wir an, daß das Verhältnis beider trotz der Erweiterung der Produktion dasselbe bleibt wie bei dem Originalkapital, d.h. 4 : 1. Dann werden die Kapitalisten der Abteilung I ihr zuschüssiges Kapital von 500 so verteilen, daß sie für 400 neue Produktionsmittel und für 100 neue Arbeitskräfte ankaufen. Die Beschäftigung neuer Produktionsmittel für 400 bietet keine Schwierigkeiten, wir wissen, daß die Abteilung I für 500 überschüssige Produktionsmittel bereits hergestellt hat. Davon wurden 4/5 also verwendet innerhalb der Abteilung I, um die Erweiterung der Produktion zu bewerkstelligen. Aber die entsprechende Vergrößerung des variablen Kapitals um 100 in Geld genügt nicht, die neuen, zuschüssigen Arbeitskräfte müssen auch die entsprechenden Lebensmittel vorfinden, und diese können nur der Abteilung II entnommen werden. Jetzt verschiebt sich also die Zirkulation zwischen den beiden großen Abteilungen. Früher, bei der einfachen Reproduktion, entnahm die Abteilung I für 1.000 Lebensmittel von II für die eigenen Arbeiter, jetzt muß sie darüber hinaus um 100 mehr Lebensmittel für Arbeiter entnehmen. Die Abteilung I wird auf diese Weise die erweiterte Reproduktion folgendermaßen beginnen: 4.400 c + 1.100 v.
Ihrerseits kommt die Abteilung II durch den Verkauf der zuschüssigen Lebensmittel von 100 in die Lage, um denselben Betrag mehr als bis jetzt von der Abteilung I Produktionsmittel zu erwerben. In der Tat sind von dem Gesamtüberschuß des Produkts in der Abteilung I gerade 100 noch übriggeblieben. Diese erwirbt nun die Abteilung II, um auch ihrerseits eine Erweiterung der Produktion vorzunehmen. Aber auch hier kann mit mehr Produktionsmitteln allein nicht viel ausgerichtet werden, um sie in Bewegung zu setzen, sind zuschüssige Arbeitskräfte nötig. Nehmen wir auch hier an, daß die bisherige Zusammensetzung des Kapitals beibehalten wird, also das Verhältnis des konstanten zum variablen Kapital 2:1 ist, dann bedarf es zur Betätigung der zuschüssigen Produktionsmittel von 100 neuer Arbeitskräfte für 50. Für diese neuen Arbeitskräfte bedarf es aber auch im Betrage ihrer Löhne neuer Lebensmittel, welche die Abteilung II ja selbst liefert. Von dem Gesamtprodukt der Abteilung II müssen demnach außer den zuschüssigen Lebensmitteln von 100 für die neuen Arbeiter der Abteilung I noch Lebensmittel für 50 für die eigenen Arbeiter der Abteilung II mehr als bisher verwendet werden. Die zweite Abteilung beginnt also die erweiterte Reproduktion mit folgenden Verhältnissen: 1.600 c + 800 v.
Jetzt ist das Gesamtprodukt der Abteilung I (6.000) in der Zirkulation glatt draufgegangen: 5.500 waren nötig zur bloßen Erneuerung der alten verbrauchten Produktionsmittel in beiden Abteilungen, 400 wurden zur Erweiterung der Produktion der Abteilung I, 100 zum gleichen Zweck in der Abteilung II gebraucht. Was das Gesamtprodukt der Abteilung II (3.000) betrifft, so sind davon 1.900 für den gewachsenen Stab der Arbeitskräfte in beiden Abteilungen verwendet. Die übrigen 1.100 an Lebensmitteln dienen dem persönlichen Konsum der Kapitalisten, dem Verzehr ihres Mehrwertes, und zwar: 500 in der Abteilung I, 600 für die Kapitalisten der Abteilung II, die ja von ihrem Mehrwert 750 nur 150 kapitalisiert haben (100 für Produktionsmittel und 50 für Arbeiterlöhne).
Jetzt kann die erweiterte Reproduktion vonstatten gehen. Behalten wir den Ausbeutungsgrad