Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg

Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band) - Rosa Luxemburg


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man sich den Zirkulationsprozeß zwischen den verschiednen Teilen der jährlichen Reproduktion als in gerader Linie verlaufend vor - was falsch, da er mit wenigen Ausnahmen allzumal aus gegeneinander rückläufigen Bewegungen besteht -, so müßte man mit dem Gold- (resp. Silber-) Produzenten beginnen, der kauft, ohne zu verkaufen, und voraussetzen, daß alle andren an ihn verkaufen. Dann ginge das gesamte jährliche gesellschaftliche Mehrprodukt (der Träger des gesamten Mehrwerts) an ihn über, und sämtliche andre Kapitalisten verteilen pro rata unter sich sein von Natur in Geld existierendes Mehrprodukt, die Naturalvergoldung seines Mehrwerts; denn der Teil des Produkts des Goldproduzenten, der sein fungierendes Kapital zu ersetzen hat, ist schon gebunden und darüber verfügt. Der in Gold produzierte Mehrwert des Goldproduzenten wäre dann der einzige Fonds, aus dem alle übrigen Kapitalisten die Materie für Vergoldung ihres jährlichen Mehrprodukts ziehn. Er müßte also der Wertgröße nach gleich sein dem ganzen gesellschaftlichen jährlichen Mehrwert, der erst in die Form von Schatz sich verpuppen muß. So abgeschmackt diese Voraussetzungen, so hülfen sie zu weiter nichts, als die Möglichkeit einer allgemeinen gleichzeitigen Schatzbildung zu erklären, womit die Reproduktion selbst, außer auf Seite der Goldproduzenten, um keinen Schritt weiter wäre.

      Hier nennt Marx die Schwierigkeit in der Realisierung des Mehrwertes eine scheinbare. Die ganze weitere Untersuchung bis zu Ende des zweiten Bandes des "Kapitals" dient aber der Überwindung dieser Schwierigkeit. Zuerst versucht Marx die Frage zu lösen durch den Hinweis auf die Schatzbildung, die sich bei der kapitalistischen Produktion unvermeidlich ergibt aus dem Auseinanderfallen in dem Zirkulationsprozeß verschiedener konstanter Kapitale. Da sich verschiedene individuelle Kapitalanlagen in verschiedenem Alter befinden, ein Teil der Anlagen aber immer erst nach einer längeren Periode erneuert wird, so sehen wir, daß zu jedem Zeitpunkt irgendwelche Einzelkapitalisten bereits ihre Anlagen erneuern, während andere dafür nur aus dem Verkauf ihrer Waren Rücklagen machen, bis diese die nötige Höhe zur Erneuerung des fixen Kapitals erreicht haben. So geht auf kapitalistischer Basis die Schatzbildung stets parallel mit dem gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß als Äußerung und Bedingung des eigenartigen Umschlags des fixen Kapitals. "A verkaufe z.B. 600 (= 400 c + 100 v + 100 m) an B (der mehr als einen Käufer repräsentieren mag). Er hat für 600 Waren verkauft, gegen 600 in Geld, wovon 100 Mehrwert darstellen. die er der Zirkulation entzieht, sie aufschatzt als Geld; aber diese 100 Geld sind nur die Geldform des Mehrprodukts, das der Träger eines Werts von 100 war. (Um das Problem rein aufzufassen, nimmt Marx hier an, der gesamte Mehrwert werde kapitalisiert, sieht also von dem zur persönlichen Konsumtion des Kapitalisten verwendeten Teil des Mehrwertes ganz ab; zugleich gehören hier sowohl die A', A'', A''' wie die B', B'', B''' der Abteilung I an. - R. L.) Die Schatzbildung ist überhaupt keine Produktion, also von vornherein auch kein Inkrement der Produktion. Die Aktion des Kapitalisten dabei besteht nur darin, daß er das durch Verkauf des Mehrprodukts von 100 ergatterte Geld der Zirkulation entzieht, festhält und mit Beschlag belegt. Diese Operation findet nicht nur statt auf seiten des A, sondern auf zahlreichen Punkten der Zirkulationsperipherie von andren A', A'', A''' ...

      A vollbringt diese Schatzbildung aber nur, sofern er - mit Bezug auf sein Mehrprodukt - nur als Verkäufer, nicht hintennach als Käufer auftritt. Seine sukzessive Produktion von Mehrprodukt - dem Träger seines zu vergoldenden Mehrwerts - ist also die Voraussetzung seiner Schatzbildung. Im gegebnen Fall, wo die Zirkulation nur innerhalb Kategorie I betrachtet wird, ist die Naturalform des Mehrprodukts, wie die des Gesamtprodukts, von dem es einen Teil bildet, Naturalform eines Elements des konstanten Kapitals I, d.h. gehört in die Kategorie der Produktionsmittel von Produktionsmitteln. Was daraus wird, d.h. zu welcher Funktion es dient, in der Hand der Käufer B, B', B'' etc., werden wir gleich sehn.

      Der ganze hier geschilderte Vorgang ist uns nicht neu. Marx hat ihn bereits eingehend bei der einfachen Reproduktion dargestellt, denn er ist unerläßlich zur Erklärung, wie das konstante Kapital der Gesellschaft unter den Bedingungen der kapitalistischen Reproduktion erneuert wird. Es ist deshalb vorerst gar nicht ersichtlich, wie uns dieser Vorgang über die besondere Schwierigkeit hinweghelfen soll, die uns bei der Analyse der erweiterten Reproduktion aufgestoßen ist. Die Schwierigkeit war ja die folgende: Für Zwecke der Akkumulation wird ein Teil des Mehrwertes nicht von den Kapitalisten verzehrt, sondern zum Kapital geschlagen behufs Erweiterung der Produktion. Es fragt sich nun: Wo sind die Käufer für dieses zuschüssige Produkt, das die Kapitalisten selbst nicht verzehren und das die Arbeiter noch weniger verzehren können, da ihre Konsumtion durch den Betrag des jeweiligen variablen Kapitals total gedeckt ist? Wo ist die Nachfrage für den akkumulierten Mehrwert, oder, wie Marx formuliert: Wo kommt das Geld her, um den akkumulierten Mehrwert zu bezahlen? Wenn wir als Antwort darauf auf den Vorgang der Schatzbildung verwiesen werden, der sich aus der stufenweisen und zeitlich auseinanderfallenden Erneuerung des konstanten Kapitals bei den einzelnen Kapitalisten ergibt, so ist der Zusammenhang dieser Dinge miteinander nicht einzusehen. Kaufen die B, B', B'' usw. Produktionsmittel von ihren Kollegen A, A', A'' zum Zwecke der Erneuerung ihres tatsächlich verbrauchten konstanten Kapitals, dann befinden wir uns in den Grenzen der einfachen Reproduktion, und die Sache hat mit unserer Schwierigkeit gar nichts zu tun. Wird aber unterstellt, daß der Ankauf der Produktionsmittel durch B, B', B'' usw. der Erweiterung ihres konstanten Kapitals für Zwecke der Akkumulation dient, so knüpfen sich daran sofort mehrere Fragen. Vor allem: Woher haben denn B, B', B'' das Geld, um zuschüssiges Mehrprodukt den A, A', A'' usw. abzukaufen? Sie können doch ihrerseits auch nur durch Verkauf des eigenen Mehrprodukts zu Geld gekommen sein. Bevor sie neue Produktionsmittel zur Erweiterung ihrer Unternehmungen anschaffen, d.h. als Käufer des zu akkumulierenden Mehrprodukts auftreten, müssen sie ihr eigenes Mehrprodukt erst losgeworden, d.h. als Verkäufer aufgetreten sein. An wen haben nun die B, B', B'' usw. ihr Mehrprodukt verkauft? Man sieht, die Schwierigkeit ist nur von den A, A', A'' auf die B, B', B'' abgewälzt, nicht aber beseitigt worden.

      Einen Moment lang scheint es während der Analyse, als sei die Schwierigkeit doch gelöst. Nach einer kleinen Abschweifung nimmt Marx den Faden der Untersuchung folgendermaßen auf:

      "Im hier betrachteten Fall besteht dies Mehrprodukt von vornherein aus Produktionsmitteln von Produktionsmitteln. Erst in der Hand von B, B', B'' etc. (I) fungiert dies Mehrprodukt als zuschüssiges konstantes Kapital; aber es ist dies virtualiter schon, bevor es verkauft wird, schon in der Hand der Schatzbildner A, A', A'' (I). Wenn wir bloß den Wertumfang der Reproduktion seitens I betrachten, so befinden wir uns noch innerhalb der Grenzen der einfachen Reproduktion, denn kein zusätzliches Kapital ist in Bewegung gesetzt worden, um dies virtualiter zuschüssige konstante Kapital (das Mehrprodukt) zu schaffen, auch keine größre Mehrarbeit als die auf Grundlage der einfachen Reproduktion verausgabte. Der Unterschied liegt hier nur in der Form der angewandten Mehrarbeit, der konkreten Natur ihrer besondren nützlichen Weise. Sie ist verausgabt worden in Produktionsmitteln für I c statt für II c, in Produktionsmitteln für Produktionsmittel statt in Produktionsmitteln für Konsumtionsmittel. Bei der einfachen Reproduktion wurde vorausgesetzt, daß der ganze Mehrwert I verausgabt wird als Revenue, also in Waren II; er bestand also nur aus solchen Produktionsmitteln, die das konstante Kapital II c in seiner Naturalform wieder zu ersetzen haben. Damit also der Übergang von der einfachen zur erweiterten Reproduktion vor sich gehe, muß die Produktion in Abteilung I im Stand sein, weniger Elemente des konstanten Kapitals für II, aber um ebensoviel mehr für I herzustellen ...


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