Apokalypse Pallantau. Arno Endler

Apokalypse Pallantau - Arno Endler


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Kolonien des Menschraums versprach: eine Heimat. Der Platz, an dem sie siedeln konnten, sich einen Ort schafften, an dem sie Kinder großziehen und nach einem erfüllten Leben zufrieden sterben wollten.

      Natürlich hatte man ihnen bei der Einweisung für die zukünftigen Kolonisten Aufnahmen gezeigt. Doch die Wirklichkeit erwies sich als noch viel realer, und Rannuiemmi knüpfte ein Band zu den Saveas, welches sie nicht für möglich gehalten hatten.

      Vier Jahre war es her, sechs Ernten und eine unverhoffte Schwangerschaft.

      In einem halben Jahr würde die nächste Welle von Kolonisten eintreffen. Dann endlich stellte die Farm der Saveas nicht mehr den äußersten Vorposten der Besiedlung dar. Nachbarn in erreichbarer Nähe. Menschen, denen sie weiterhelfen könnten, um auf dieser 212. Heimat Fuß zu fassen.

      Parrer freute sich darauf. Nahita blieb skeptisch. Sie erwartete, in jeder Bodenprobe einen Keim zu finden, der sich als gefährlich entpuppte. Doch bislang hielt Rannuiemmi das Versprechen, ein für Menschen wie geschaffenes Paradies zu sein.

      Parrer schüttelte seine Armmuskeln aus und setzte sein Schnittwerk fort. Es warteten noch einige Quadratmeter auf ihn. Mit geschickten Händen band Scala nun die Palla-Gras-Halme zu Garben zusammen und sortierte dabei die gebrochenen oder verfärbten Pflanzen bereits aus.

      Scala saß mit Respektabstand zu Parrer auf dem Boden, als sie gemeinsam die Brote aßen. Sein Hunger nach der anstrengenden Arbeit war größer als die vier Schnitten, die ihm Nahita genehmigt hatte. Er beobachtete, wie die schlanke Scala an ihrem zweiten Brot knabberte. Kein Wunder, dass sich kaum ein Gramm Fett an ihrem Körper fand. Ihre dunklen Haare und das hübsche, leicht gebräunte Gesicht schimmerten im Licht Ranus. Die Haare, weil sie sowieso glänzten, das Gesicht vor Schweiß.

      Scala hatte sich von den drei Studentinnen auf der Farm als diejenige erwiesen, die für das einfache rurale Leben perfekt geeignet war. Schweigsam, immer zur Stelle. Mit vollem Einsatz arbeitete sie bis zur Erschöpfung.

      Parrer wusste, dass er ohne sie die Farm nicht so weit gebracht hätte. Die ersten beiden Ernten waren kümmerlich ausgefallen, gerade genug, um die Zinsen für den Auswanderungskredit zu bezahlen. Die Gleba, die er erworben hatte, hätte unter diesen Umständen noch von seinen Enkeln abbezahlt werden müssen.

      Dann kamen die drei Farmgirls, die nun seit fast zwei Jahren bei ihnen wohnten und sie unterstützten. Ein Austauschprogramm für angehende Akademiker und Leistungsträger im Menschenraum machte es möglich.

      Als Speerspitze der Kolonie hatten die Saveas die ersten Freiwilligen zugeteilt bekommen.

      Inzwischen hatte sich Parrer an die Anwesenheit der Mädchen gewöhnt. In ihnen Frauen zu sehen, fiel ihm schwer, obwohl sie nur rund acht Jahre jünger waren als er selbst.

      Scala war auf jeden Fall die hübscheste.

      „Du bist heute weit gekommen, Parrer“, sagte sie und deutete mit dem Kopf in Richtung des vom Gras befreiten Areals.

      „Es fällt mir immer leichter mit der Sense“, antwortete der Farmer. „Ich weiß noch, wie ich mich damit im ersten Jahr angestellt habe.“

      „Auf Yoimuri veranstaltete man Wettkämpfe mit antiken Geräten“, erzählte Scala. Sie stammte von der 197. Heimat, die nach ihrem Entdecker, einem Piloten, benannt worden war.

      „Wirklich?“

      „Ja. Es sind natürlich Gaudi-Wettbewerbe.“

      „Gaudi?“

      „Spaß, Just-for-fun-Sportarten. Du verstehst.“

      Parrer nickte. „Deratiges gab es auf Mallondan nicht. Mein Vater hätte mir auch gar nicht erlaubt, an so etwas teilzunehmen.“

      Scala blickte ihn an. Ihre braunen Augen blitzten im Sonnenlicht. „War er streng?“

      „Er war mehr als das.“

      „War das der Grund, weshalb du dich für die neue Heimat beworben hast?“

      „Vielleicht auch. – Ja.“ Parrer starrte gedankenverloren in Richtung des Meeres. „Einer der Gründe.“ Er wandte sich wieder Scala zu und bemerkte ihren prüfenden Blick.

      „Manchen Eltern fehlt das Verständnis“, sagte sie. „Viele merken es gar nicht, aber sind so erpicht darauf, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, dass sie Abweichungen vom Weg nicht akzeptieren können.“

      Parrer hatte den Eindruck, dass ein tiefer Schmerz in Scala steckte. Viel wussten die Saveas nicht über die vorherigen Leben der Farmgirls.

      „Hattest du Ärger mit deinen Eltern?“, fragte Parrer.

      Scala sah auf, öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder.

      Der Augenblick schien vorüber. Ihre Offenheit wich einer verstockten inneren Einkehr.

      Sie schüttelte den Kopf, betrachtete das Brot in ihren Händen und biss hinein. Dann reichte sie Parrer das letzte verpackte Brot. „Du hast bestimmt noch Hunger.“

      Sie erhob sich und begann wortlos ihre Arbeit.

      Parrer überlegte, ob er eine Grenze überschritten hatte. Er verstand so wenig von Frauen. Sie waren ihm wirklich ein Rätsel.

      Er verschlang das geschenkte Brot mit drei großen Bissen und schnappte sich seine Sense. Der Nachmittag stand an und ein Feld musste bereitet werden.

      Die meditative Ruhe der Arbeit wurde auch an diesem Tag von nichts gestört.

      Parrer liebte diesen Planeten. Keine Insekten wie auf Mallondan, wo ein Abstecher zu den Thermalquellen in einer schweren Infektion enden konnte, wenn man nicht auf die Tosla-Moskitos achtete, die sich heimtückisch auf Besucher stürzten. Die sanfte Brise, die beständig wehte und den Schweiß kühlte, ohne zu stören. In den vier Jahren hatte es lediglich einen Sturm gegeben. Ein oder zwei kurze Unwetter, die vom Meer her aufs Land drängten.

      Ein wahres Paradies, so war es den zukünftigen Kolonisten auf Mallondan verkauft worden.

      „Wart´s nur ab“, hatte sein Vater prophezeit, die Stimme zu einem Knurren verzerrt. „Das dicke Ende siehst du erst, wenn du da bist.“

      Parrer wusste, was seinen Vater zu dem vehementen Widerstand gegen die Auswanderungspläne getrieben hatte, also ignorierte er alle Argumente.

      Rannuiemmi stellte jedoch das Paradies dar. Keine Haken, keine Lügen der Auswanderungsbehörden.

      Das war seine Heimat.

      „Parrer?“, rief Scala.

      Er schaute hoch, setzte die Sense ab.

      „Was ist?“

      „Spürst du das auch?“

      Parrer wusste nicht, was sie meinte.

      „Der Boden“, ergänzte das Farmgirl.

      Und plötzlich war da ein Beben. Unmerklich zunächst, doch dann zitterte es heftiger.

      „Ein Erdbeben?“, doch Parrer übertönte ein Donnergrollen vom Meer.

      Er spähte hinaus, um die Gewitterwolken zu suchen, aber der Himmel war vollkommen wolkenlos. Ranu strahlte in ganzer Pracht über Capellineri.

      Parrer tippte auf seine Armilla. „Verbindung Haus.“

      „Eine Kommunikation ist derzeit nicht möglich“, verkündete das Gerät.

      „Versuchst du es?“, wandte sich Parrer an Scala.

      Aber auch ihre Armilla meldete eine LR-Störung.

      „Palla-Dung“, fluchte Parrer. „Lass alles liegen, wir müssen zurück.“

      Scala nickte. „Die Loqui-Rete-Verbindungen sind doch schon oft ausgefallen“, versuchte das Farmgirl ihn zu beruhigen, während sie ihm hinterherhetzte.

      „Es gab noch nie ein Erdbeben. Ich will wissen, was los ist.“ Parrer presste die Lippen zusammen und legte einen Zahn zu. Er dachte


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