Die alte Wassermühle. Diana Menschig
war das Wissen ums Mahlen oder Pressen fast so alt wie die Menschheit selbst. Sie kniff die Augen zusammen und blinzelte. »Ist da auf dem Mühlstein etwas eingraviert?«
»Ja, ein Sinnspruch: Glitzersteinchen, Silberschein soll des Müllers Gabe sein. Stetig Wasser im Gerinne erhält der Mühle alle Sinne. Ich weiß leider nicht, was er bedeutet. Ich nehme an, es war wie eine Art Fürbitte, dass die Mühle gut läuft.«
»Und wie lange haben Sie das hier alles renoviert?«
»Wie ich vorhin sagte, hatten wir etwas Glück. Mein Mann ist gelernter Dachdecker, und er hat im Internet ein Forum für Handwerker auf der Walz gefunden, in dem er eine Ausschreibung gepostet hat. Wir hatten immer zwei bis drei Handwerker, hauptsächlich Zimmerleute, hier. Was perfekt gepasst hat, da der gesamte Dachstuhl erneuert werden musste. Weil die Mühle etwas Besonderes ist, wurden wir weiterempfohlen und hatten am Ende mehr Anfragen, als wir annehmen konnten.« Gregors umgängliche Art während der Arbeit, meine Anekdoten beim gemeinsamen Abendessen und die Kuchen hatten sicherlich auch ihren Teil dazu beigetragen. Wenn es danach gegangen wäre, hätten die Renovierungsarbeiten ewig andauern können. Plötzlich fiel mir auf, dass keiner der jungen Leute sich je über das quietschende Mühlrad beschwert hatte. Woran der allabendlich ausschweifende Alkoholkonsum einen Anteil gehabt haben könnte.
»Sie haben da echt einen Traum geschaffen!«
»Danke sehr!« Ja, das war es. Ein Traum, der begann, sich in einen finanziellen Albtraum zu verwandeln. Es war ja nicht nur die Bank, die uns im Nacken saß. Die Frau hatte mich gerade wieder daran erinnert, dass ich das alles hier nicht aufgeben wollte. Ich konnte mir, nach einem guten halben Jahr in der Mühle, kein anderes Leben mehr vorstellen. Ob eine Gratisflasche Sekt in den Zimmern die Gäste besänftigen könnte?
Die Frau wählte Apfelkuchen für sich, einen Schoko-Birnen-Kuchen für ihren Freund und zwei Cappuccini. Als ich die Bestellung an den Tisch brachte, waren beide in ihre Handys vertieft. Offensichtlich hatten sie das WLAN-Passwort auf der Rückseite der Speisekarte entdeckt.
»Sie vermieten auch Zimmer?«, fragte der Mann. Über seine Schulter konnte ich erkennen, dass er unsere Internetseite aufgerufen hatte.
»Richtig.«
»Warum sind denn die Bewertungen so schlecht?«
Die Frau probierte ihren Kuchen, schloss genießerisch die Augen und nickte begeistert.
»Ja, da waren wir selbst schuld. Es gab noch Lärmbelästigungen.« Ich stockte. »Durch die Renovierungen.«
»Wie viele Zimmer haben Sie?«
»Sieben. Fünf Doppel- und zwei Einzelzimmer.«
»Das kommt ja wie gerufen!« Die Frau strahlte und schob ihren Teller von sich. »Wir heiraten am zweiten Oktober und brauchen für das Wochenende noch Zimmer für Gäste, die von weiter weg anreisen. Haben Sie da noch was frei?«
Ich tat, als müsste ich überlegen. »Das ist direkt vor dem Feiertag. Ich muss nachschauen.« Ich konnte nur hoffen, dass die beiden nicht in Buchungsportalen suchten und weitere schlechte Bewertungen oder gar die Begründungen fanden.
»Könnten Sie mal nachsehen? Andy, was meinst du, wie viele sollen wir buchen?«
»Alles, was frei ist.« Er blickte auf. »Mein Onkel war auch Zimmermann und ist in jungen Jahren gewalzt. Er hat seinen Betrieb erst letztes Jahr schweren Herzens an einen Nachfolger übergeben. Der wird hier gar nicht mehr wegwollen.«
»Ich werde sofort nachsehen. Wie lange würden Ihre Verwandten bleiben?«
»Sie könnten für drei Nächte reservieren, vom zweiten bis zum fünften Oktober. Mindestens zwei befreundete Paare wollten übers Wochenende bleiben. Ich würde mich aber noch mal melden und Ihnen das ganz genau durchgeben.«
Ich bekam weiche Knie. Hochzeiten, runde Geburtstage, Jubiläen – an diese Art Gäste hatte ich noch gar nicht gedacht. Drei Nächte, alle sieben Zimmer, das wäre zu schön, um wahr zu sein. Hastig wandte ich mich ab und flüchtete ins Büro. Jetzt mussten wir nur noch das verdammte Mühlrad zum Schweigen bringen!
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