Female Empowerment - Women in Tech. Sabrina von Nessen

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war ich fest davon überzeugt, dass ich es überlebe und wieder in gleichem Maße leistungsfähig bin wie vorher. Insgesamt hat sich das entsprechend ergeben, eventuell mit Abstrichen in der sportlichen Kondition. Durch das Ereignis hat sich das Bewusstsein für meinen Körper verändert. Was dann wiederum Einfluss darauf hatte, dass ich in mich hineinhöre, was mir wann guttut. Nicht nur körperlich, sondern in gleichem Maße mental. Auch zu wissen, wann ich Pausen brauche. Dieses Bewusstsein kam durch das Erlebnis prägnanter zum Vorschein.

      Ein sehr positives Erlebnis hatte ich im Coaching Netzwerk der IBM. Als ich dieses in Anspruch nahm, litt ich unter starken Rückenschmerzen. Ich war auf der Suche nach einer Lösung, sei sie nun physisch oder mental. Mit dem Coach habe ich ein Werte-Netz für mich erarbeitet. Das war richtig anstrengend, denn mein Coach hat mir intensive Fragen gestellt und wir haben sehr offen meine Gefühle in spezifischen Situationen reflektiert. Letztendlich sind Gesundheit, Authentizität, Integrität und Harmonie Werte, die mich bis heute begleiten. Deshalb achte ich sehr bewusst auf meinen Körper. Die Werte dienen mir beruflich als Hilfestellung und ebenso im Alltag.

      Ich erlebe deinen Weg in der Technologiebranche als sehr natürlich, dennoch hadern viele Frauen damit, einen solchen Beruf zu ergreifen. Begegnet dir das?

      Durchaus begegnet mir das. Ich muss da an eine Kollegin denken, die eine Zeit lang einen großen Geschäftsbereich geleitet hat. Sie sagte, es gäbe zwei wesentliche Entscheidungen, um Beruf und Familie gut vereinbaren zu können: Die Wahl des Partners und die Wahl der Firma. Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr bin ich davon überzeugt, dass ich mit der Wahl der Firma eine gute Wahl getroffen habe. Mit der Wahl meines Mannes natürlich ebenso. Wenn du zum Beispiel als Frau nach der Kinderpause erneut in den Beruf einsteigst, ist es essentiell, für welchen Arbeitgeber du arbeitest und ob dein Partner dich unterstützt.

      Es scheint stetig wichtiger zu werden, wie sich Unternehmen nach außen darstellen, in anderen Worten Image und Employer Branding. Diversity und Inclusion sind bei der IBM sehr präsent – nicht nur als Marketing-Message, sondern aus Überzeugung. Wir haben insbesondere in den letzten Jahren viel mit sehr bunten Stories gearbeitet und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dargestellt mit ihrem Lebenslauf und ihrer Lebenssituation. Wir haben zum Beispiel eine Kollegin, Mitte 30, Distinguished Engineer, die mehr als 200 Patente hat und zwei Zwillingspärchen. Oder eine Entwicklerin in den USA, die jeden Tag mit dem Motorrad zur Arbeit fährt. Komplett unterschiedliche Typen. Und wenn eine Firma das nach außen darstellt, dann kannst du daraus etwas ableiten. Andere zeigen nach außen nach wie vor Männer mittleren Alters im grauen Anzug, das sagt ebenfalls etwas aus.

      Die jüngeren Generationen beschäftigen sich mit Sinnhaftigkeit und Werten. Das beschäftigt mich ebenso. Mit wem mache ich Geschäft, mit wem nicht. Habe ich das Gefühl, das Produkt bringt die Welt und die Gesellschaft voran. Da muss es einen Match geben, so dass du persönlich das Werte-System des Unternehmens unterstützen kannst.

      Hast du in deiner Rolle die Möglichkeit, Frauen oder spezielle Talente zu unterstützen?

      Ich bin schon sehr lange Mentorin aus Überzeugung. Mentoring ist bei uns – insbesondere in der technischen Laufbahn – eine Voraussetzung, um überhaupt die nächsten Karriereschritte zu machen. Aktuell habe ich – mit den einen intensiver, mit den anderen weniger intensiv – weltweit zwischen 15 und 20 Mentor-Mentee-Beziehungen, Frauen und Männer. Da formen sich auch zwischenmenschliche Beziehungen, nur dann funktioniert es meines Erachtens mit einem Mentoring.

      Pflegt ihr ebenfalls reine Frauen-Netzwerke?

      Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es Themen gibt, die Frauen nicht in gemischten Kreisen erzählen wollen. Weil es zu wenig Verständnis dafür gibt, wie beim Thema Hausarbeit, die in Deutschland nach wie vor überwiegend von Frauen gemacht wird. In einem Women Round Table wurde beispielsweise gefragt: ‚Was hat dich davon abgehalten, direkt nach der Geburt deines Kindes wieder ins Berufsleben einzusteigen?‘ Die Antwort war unter anderem: ‚Weil es schwierig für mich war, einen Raum zu finden, wo ich Milch abpumpen konnte‘. Verständlich, dass die Frau das nicht in einem gemischten Kreis erzählen wollte. Also ja, es gibt Frauen-Netzwerke und -Round Tables. Andererseits ist es wichtig, dass Männer diese Themen ebenso erfahren, zum Beispiel wenn der Mann der Personalchef ist und entsprechende Räume einrichten möchte. Das ist wiederum ein Argument gegen Frauenrunden.

      Wir haben ebenso Talent Programme bei IBM, weil wir in gleichem Maße damit zu kämpfen haben, dass der weibliche Nachwuchs ohne Zutun nicht in dem Maße da ist, wie wir das als Unternehmen im Technologiesektor gerne hätten. Wir haben zum Beispiel ein Programm aufgelegt im DACH-Raum, das sich ‚Women and Leadership’ nennt. Seit 2019 wird indes das M großgeschrieben, weil wir das Programm für beide Geschlechter geöffnet haben. Und das ist gut so – Dinge entwickeln sich.

      Ähnlich die Diskussion um die Frauenquote. Unsere Gesellschaft ist erst dann selbstregulierend, wenn die magischen 30 Prozent erreicht werden. Wenn eine Gruppe etwa 30 Prozent der Gesamtgruppe repräsentiert, dann fängt sie an, Einfluss auszuüben. Hier kann eine Quote helfen. Andererseits löst eine feste Quote leicht Widerstand aus. Was gerecht ist, muss nicht notwendigerweise in einer einzelnen Situation fair sein. Eine gesellschaftliche Änderung ist wie eine kulturelle Änderung in einem Unternehmen, sie ist extrem langwierig und jeder und jede Einzelne muss die Änderungen vorleben.

      Interessanterweise findet es im Ausland großen Anklang, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin ist – mehr als im Inland. Das hängt sicherlich auch mit der medialen Berichterstattung zusammen. Als jedoch Ursula von der Leyen Verteidigungsministerin wurde, lauteten die Überschriften: ‚Kann die das?‘ Bei einem Mann, selbst wenn er Erziehungsminister geworden wäre, wäre das vermutlich nicht gefragt worden. Das ist eine Hypothese, ich kann sie nicht belegen. Letztendlich müssen Politik, Gesellschaft und Unternehmen zusammenspielen.

      Wenn wir zehn oder zwanzig Jahre in die Zukunft blicken, wo stehen wir dann?

      Ich wäre gerne optimistischer, weil ich prinzipiell eher an das Gute glaube. Wenn ich jedoch zurückblicke, was wir in den letzten zwanzig Jahren erreicht haben … Ich zweifle daran, ob sich die Lage in zwanzig Jahren signifikant verändert haben wird. Da spielen verschiedene Aspekte eine Rolle: Was passiert im Kopf, welche Modelle werden vorgelebt, wie ist die politische Landschaft, die Medien, bis hin zur Kinderbetreuung. Es sind derart viele relevante Puzzlesteine, dass es schwierig ist oder zumindest eine Herausforderung, das alles zu koordinieren.

      Das Wichtigste ist, persönlich herauszufinden, was einem Spaß macht. Sei es Informatik, Biologie, Astrophysik oder Tierpflege. Alles andere macht auf lange Sicht unglücklich. Für Frauen ist es ebenso wichtig, zu reflektieren, was im Alter passiert und wie ich mich so vorbereite, dass ich noch ein gutes, unabhängiges Leben im Alter habe. Und wenn es die Lebenssituation aus der eigenen Präferenz heraus erfordert, bei den Kindern zu Hause zu bleiben, sollten Frauen, die das für sich so entscheiden, trotzdem den Weitblick haben, was das langfristig für sie (und die Familie) bedeutet.

      Jugendliche können wir unterstützen, indem wir aufmerksam beobachten, was ihnen liegt, was ihnen Spaß macht und das dann fördern. Ist das Kind oder der Jugendliche kreativ, eine Leseratte oder ein Baumeister? Und nicht zu sagen: ‚Du bist ein Junge und du musst jetzt Fußball spielen‘, wenn er besser Ballettunterricht bekäme. Als Erwachsener ist es in gleichem Maße spannend, sich zurück zu erinnern: Womit konnte ich als Kind fünf Stunden am Stück Zeit verbringen, wo war ich in meinem Thema, was war mein Traum?

      Zum Abschluss: Was sind deine ultimativen Tipps?

      Neugierig bleiben, den Horizont öffnen, neue Dinge ausprobieren. Wenn dir jemand sagt: ‚Ich würde dir gerne diesen Job geben‘. Dann zwar überlegen, ob das deinen Stärken und Interessen entspricht, aber nicht darüber hinaus. Unsere weltweite Chefin hat von einer Situation erzählt, in der sie selbst zögerte. Ihr Mann sagte dann zu ihr: ‚Glaubst du, dass ein Mann da jemals gezögert hätte? Und wenn sie dir den Job anbieten, dann glauben sie, dass du den kannst‘. Frauen überlegen oft zu lange: ‚Kann ich das?‘. Fakt ist: Man kann beinahe alles lernen. Und es ist nicht schlimm, jemanden um Rat zu fragen. Das ist eher ein Zeichen von Stärke als von Schwäche.

      Herzlichen Dank


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